Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.II. Die psychischen Gebilde. längerer Dauer asthenisch, auch wenn sie von geringerStärke sind, wie Kummer, Sorge. Endlich die stärksten Affecte, wie Schreck, Angst, Wuth, aber auch übermäßige Freude, sind stets asthenisch. So ist denn die Unterschei- dung der psychischen Stärke der Affecte überhaupt von untergeordneter Bedeutung, um so mehr als sonst überein- stimmende Affecte nicht nur in verschiedener Intensität vor- kommen, sondern auch in einem und demselben Verlauf in ihrer Intensität wechseln können. Indem aber ferner dieser Wechsel vermöge des oben (S. 208) angeführten Princips der Affectverstärkung zu einem wesentlichen Theile durch die in Folge der physischen Begleiterscheinungen enstehen- den sinnlichen Gefühle bestimmt wird, ist es zugleich er- klärlich, dass in diesem Fall der ursprünglich physiologische Gegensatz des Sthenischen und Asthenischen auch auf den psychologischen Charakter des Affects häufig einen entschei- denderen Einfluss ausübt als die primäre psychische Inten- sität desselben. 13. Wichtiger ist das dritte Unterscheidungsmerkmal II. Die psychischen Gebilde. längerer Dauer asthenisch, auch wenn sie von geringerStärke sind, wie Kummer, Sorge. Endlich die stärksten Affecte, wie Schreck, Angst, Wuth, aber auch übermäßige Freude, sind stets asthenisch. So ist denn die Unterschei- dung der psychischen Stärke der Affecte überhaupt von untergeordneter Bedeutung, um so mehr als sonst überein- stimmende Affecte nicht nur in verschiedener Intensität vor- kommen, sondern auch in einem und demselben Verlauf in ihrer Intensität wechseln können. Indem aber ferner dieser Wechsel vermöge des oben (S. 208) angeführten Princips der Affectverstärkung zu einem wesentlichen Theile durch die in Folge der physischen Begleiterscheinungen enstehen- den sinnlichen Gefühle bestimmt wird, ist es zugleich er- klärlich, dass in diesem Fall der ursprünglich physiologische Gegensatz des Sthenischen und Asthenischen auch auf den psychologischen Charakter des Affects häufig einen entschei- denderen Einfluss ausübt als die primäre psychische Inten- sität desselben. 13. Wichtiger ist das dritte Unterscheidungsmerkmal <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0228" n="212"/><fw place="top" type="header">II. Die psychischen Gebilde.</fw><lb/> längerer Dauer asthenisch, auch wenn sie von geringer<lb/> Stärke sind, wie Kummer, Sorge. Endlich die stärksten<lb/> Affecte, wie Schreck, Angst, Wuth, aber auch übermäßige<lb/> Freude, sind stets asthenisch. So ist denn die Unterschei-<lb/> dung der psychischen Stärke der Affecte überhaupt von<lb/> untergeordneter Bedeutung, um so mehr als sonst überein-<lb/> stimmende Affecte nicht nur in verschiedener Intensität vor-<lb/> kommen, sondern auch in einem und demselben Verlauf in<lb/> ihrer Intensität wechseln können. Indem aber ferner dieser<lb/> Wechsel vermöge des oben (S. 208) angeführten Princips<lb/> der Affectverstärkung zu einem wesentlichen Theile durch<lb/> die in Folge der physischen Begleiterscheinungen enstehen-<lb/> den sinnlichen Gefühle bestimmt wird, ist es zugleich er-<lb/> klärlich, dass in diesem Fall der ursprünglich physiologische<lb/> Gegensatz des Sthenischen und Asthenischen auch auf den<lb/> psychologischen Charakter des Affects häufig einen entschei-<lb/> denderen Einfluss ausübt als die primäre psychische Inten-<lb/> sität desselben.</p><lb/> <p>13. Wichtiger ist das dritte Unterscheidungsmerkmal<lb/> der Affecte, die <hi rendition="#g">Verlaufsform</hi>. Nach ihr können wir unter-<lb/> scheiden: 1) <hi rendition="#g">Plötzlich hereinbrechende</hi> Affecte, wie<lb/> Ueberraschung, Erstaunen, Enttäuschung, Schreck, Wuth;<lb/> sie alle erheben sich sehr rasch zu einem Maximum an, um<lb/> dann allmählich abzunehmen und in die ruhige Gemüthslage<lb/> überzugehen. 2) <hi rendition="#g">Allmählich ansteigende</hi> Affecte, wie<lb/> Sorge, Zweifel, Kummer, Traurigkeit, Erwartung, in vielen<lb/> Fällen auch Freude, Zorn, Angst: sie steigen allmählich zu<lb/> ihrem Maximum und sinken ebenso allmählich wieder. Eine<lb/> Modification der allmählich ansteigenden Affecte bilden end-<lb/> lich: 3) Die <hi rendition="#g">intermittirenden</hi> Affecte, bei denen mehrere<lb/> auf- und absteigende Phasen auf einander folgen. Zu ihnen<lb/> gehören alle länger dauernden Affecte. So treten namentlich<lb/> Freude, Zorn, Traurigkeit, aber auch die verschiedensten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [212/0228]
II. Die psychischen Gebilde.
längerer Dauer asthenisch, auch wenn sie von geringer
Stärke sind, wie Kummer, Sorge. Endlich die stärksten
Affecte, wie Schreck, Angst, Wuth, aber auch übermäßige
Freude, sind stets asthenisch. So ist denn die Unterschei-
dung der psychischen Stärke der Affecte überhaupt von
untergeordneter Bedeutung, um so mehr als sonst überein-
stimmende Affecte nicht nur in verschiedener Intensität vor-
kommen, sondern auch in einem und demselben Verlauf in
ihrer Intensität wechseln können. Indem aber ferner dieser
Wechsel vermöge des oben (S. 208) angeführten Princips
der Affectverstärkung zu einem wesentlichen Theile durch
die in Folge der physischen Begleiterscheinungen enstehen-
den sinnlichen Gefühle bestimmt wird, ist es zugleich er-
klärlich, dass in diesem Fall der ursprünglich physiologische
Gegensatz des Sthenischen und Asthenischen auch auf den
psychologischen Charakter des Affects häufig einen entschei-
denderen Einfluss ausübt als die primäre psychische Inten-
sität desselben.
13. Wichtiger ist das dritte Unterscheidungsmerkmal
der Affecte, die Verlaufsform. Nach ihr können wir unter-
scheiden: 1) Plötzlich hereinbrechende Affecte, wie
Ueberraschung, Erstaunen, Enttäuschung, Schreck, Wuth;
sie alle erheben sich sehr rasch zu einem Maximum an, um
dann allmählich abzunehmen und in die ruhige Gemüthslage
überzugehen. 2) Allmählich ansteigende Affecte, wie
Sorge, Zweifel, Kummer, Traurigkeit, Erwartung, in vielen
Fällen auch Freude, Zorn, Angst: sie steigen allmählich zu
ihrem Maximum und sinken ebenso allmählich wieder. Eine
Modification der allmählich ansteigenden Affecte bilden end-
lich: 3) Die intermittirenden Affecte, bei denen mehrere
auf- und absteigende Phasen auf einander folgen. Zu ihnen
gehören alle länger dauernden Affecte. So treten namentlich
Freude, Zorn, Traurigkeit, aber auch die verschiedensten
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