Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.§ 13. Die Affecte. andern allmählich ansteigenden Affecte paroxysmenweise aufund lassen dabei oft noch ein Stadium zunehmender und ein solches abnehmender Intensität der Affectanfälle unter- scheiden. Dagegen zeigen die plötzlich hereinbrechenden Affecte selten den intermittirenden Verlauf. Dies kommt wohl nur dann vor, wenn der Affect auch als ein allmählich ansteigender vorkommen kann. Solche Affecte von sehr wechselnder Verlaufsform sind z. B. Freude und Zorn. Sie können zuweilen plötzlich hereinbrechen, wobei freilich der Zorn meist sofort in Wuth überspringt; sie können aber auch allmählich zu- und abnehmen und folgen dann meist zugleich dem intermittirenden Typus. Nach ihren psycho- physischen Begleiterscheinungen sind die plötzlich herein- brechenden Affecte durchweg asthenische, die allmählich ansteigenden können bald sthenische bald asthenische sein. 13a. Hiernach bietet die Verlaufsform, so charakteristisch § 13. Die Affecte. andern allmählich ansteigenden Affecte paroxysmenweise aufund lassen dabei oft noch ein Stadium zunehmender und ein solches abnehmender Intensität der Affectanfälle unter- scheiden. Dagegen zeigen die plötzlich hereinbrechenden Affecte selten den intermittirenden Verlauf. Dies kommt wohl nur dann vor, wenn der Affect auch als ein allmählich ansteigender vorkommen kann. Solche Affecte von sehr wechselnder Verlaufsform sind z. B. Freude und Zorn. Sie können zuweilen plötzlich hereinbrechen, wobei freilich der Zorn meist sofort in Wuth überspringt; sie können aber auch allmählich zu- und abnehmen und folgen dann meist zugleich dem intermittirenden Typus. Nach ihren psycho- physischen Begleiterscheinungen sind die plötzlich herein- brechenden Affecte durchweg asthenische, die allmählich ansteigenden können bald sthenische bald asthenische sein. 13a. Hiernach bietet die Verlaufsform, so charakteristisch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0229" n="213"/><fw place="top" type="header">§ 13. Die Affecte.</fw><lb/> andern allmählich ansteigenden Affecte paroxysmenweise auf<lb/> und lassen dabei oft noch ein Stadium zunehmender und<lb/> ein solches abnehmender Intensität der Affectanfälle unter-<lb/> scheiden. Dagegen zeigen die plötzlich hereinbrechenden<lb/> Affecte selten den intermittirenden Verlauf. Dies kommt<lb/> wohl nur dann vor, wenn der Affect auch als ein allmählich<lb/> ansteigender vorkommen kann. Solche Affecte von sehr<lb/> wechselnder Verlaufsform sind z. B. Freude und Zorn. Sie<lb/> können zuweilen plötzlich hereinbrechen, wobei freilich der<lb/> Zorn meist sofort in Wuth überspringt; sie können aber<lb/> auch allmählich zu- und abnehmen und folgen dann meist<lb/> zugleich dem intermittirenden Typus. Nach ihren psycho-<lb/> physischen Begleiterscheinungen sind die plötzlich herein-<lb/> brechenden Affecte durchweg asthenische, die allmählich<lb/> ansteigenden können bald sthenische bald asthenische sein.</p><lb/> <p>13a. Hiernach bietet die Verlaufsform, so charakteristisch<lb/> sie in einzelnen Fällen sein kann, doch ebensowenig wie die<lb/> Intensität der Gefühle feste Kriterien zu einer psychologischen<lb/> Classification der Affecte. Vielmehr kann eine solche offenbar<lb/> nur auf die <hi rendition="#g">Qualität</hi> des Gefühlsinhaltes gegründet werden,<lb/> während Intensität und Verlaufsform für die Untereintheilungen<lb/> maßgebend sein können. In der Art, wie diese Bedingungen<lb/> theils untereinander theils mit den physischen Begleiterschei-<lb/> nungen und durch die letzteren dann wieder mit secundären<lb/> sinnlichen Gefühlen zusammenhängen, erweisen sich aber die<lb/> Affecte als höchst zusammengesetzte psychische Vorgänge, die<lb/> daher auch im einzelnen Fall außerordentlich variiren. Eine<lb/> einigermaßen erschöpfende Classification müsste deshalb so viel-<lb/> gestaltige Affecte wie Freude, Zorn, Furcht, Sorge wieder theils<lb/> nach ihren verschiedenen Verlaufstypen theils nach der Inten-<lb/> sität der sie zusammensetzenden Gefühle theils endlich nach der<lb/> von diesen beiden Momenten abhängigen Form ihrer physischen<lb/> Begleiterscheinungen in ihre Unterformen gliedern. So würde<lb/> sich z. B. eine schwache, eine starke und eine wechselnde Ge-<lb/> fühlsform des Zorns, eine plötzliche, eine allmählich ansteigende<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0229]
§ 13. Die Affecte.
andern allmählich ansteigenden Affecte paroxysmenweise auf
und lassen dabei oft noch ein Stadium zunehmender und
ein solches abnehmender Intensität der Affectanfälle unter-
scheiden. Dagegen zeigen die plötzlich hereinbrechenden
Affecte selten den intermittirenden Verlauf. Dies kommt
wohl nur dann vor, wenn der Affect auch als ein allmählich
ansteigender vorkommen kann. Solche Affecte von sehr
wechselnder Verlaufsform sind z. B. Freude und Zorn. Sie
können zuweilen plötzlich hereinbrechen, wobei freilich der
Zorn meist sofort in Wuth überspringt; sie können aber
auch allmählich zu- und abnehmen und folgen dann meist
zugleich dem intermittirenden Typus. Nach ihren psycho-
physischen Begleiterscheinungen sind die plötzlich herein-
brechenden Affecte durchweg asthenische, die allmählich
ansteigenden können bald sthenische bald asthenische sein.
13a. Hiernach bietet die Verlaufsform, so charakteristisch
sie in einzelnen Fällen sein kann, doch ebensowenig wie die
Intensität der Gefühle feste Kriterien zu einer psychologischen
Classification der Affecte. Vielmehr kann eine solche offenbar
nur auf die Qualität des Gefühlsinhaltes gegründet werden,
während Intensität und Verlaufsform für die Untereintheilungen
maßgebend sein können. In der Art, wie diese Bedingungen
theils untereinander theils mit den physischen Begleiterschei-
nungen und durch die letzteren dann wieder mit secundären
sinnlichen Gefühlen zusammenhängen, erweisen sich aber die
Affecte als höchst zusammengesetzte psychische Vorgänge, die
daher auch im einzelnen Fall außerordentlich variiren. Eine
einigermaßen erschöpfende Classification müsste deshalb so viel-
gestaltige Affecte wie Freude, Zorn, Furcht, Sorge wieder theils
nach ihren verschiedenen Verlaufstypen theils nach der Inten-
sität der sie zusammensetzenden Gefühle theils endlich nach der
von diesen beiden Momenten abhängigen Form ihrer physischen
Begleiterscheinungen in ihre Unterformen gliedern. So würde
sich z. B. eine schwache, eine starke und eine wechselnde Ge-
fühlsform des Zorns, eine plötzliche, eine allmählich ansteigende
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