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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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II. Die psychischen Gebilde.

2. Ein Willensvorgang, der in eine äußere Willens-
handlung übergeht, lässt sich hiernach definiren als ein
Affect, der mit einer pantomimischen Bewegung abschließt,
die neben der allen pantomimischen Bewegungen eigen-
thümlichen Charakterisirung der Qualität und Intensität des
Affects noch die besondere Bedeutung hat, dass sie äußere
Wirkungen hervorbringt, die den Affect selbst auf-
heben
. Eine solche Wirkung ist nun aber nicht bei allen
Affecten möglich, sondern nur bei solchen, bei denen der
sie zusammensetzende Gefühlsverlauf selbst Gefühle und
Vorstellungen erzeugt, die sich zur Beseitigung der voran-
gehenden Affecterregung eignen. Dies ist naturgemäß vor-
zugsweise dann der Fall, wenn jene Endwirkung des Affects
in einem directen Gegensatze zu den vorangegangenen
Gefühlen steht. Die ursprüngliche psychologische Grund-
bedingung der Willenshandlungen ist daher der Contrast
der Gefühle
, und die Entstehung primitiver Willensvor-
gänge geht wahrscheinlich stets auf Unlustgefühle zurück,
die äußere Bewegungsreactionen auslösen, als deren Wir-
kungen contrastirende Lustgefühle auftreten. Das Ergreifen
der Nahrung zur Stillung des Hungers, der Kampf gegen
Feinde zur Befriedigung des Rachegefühls und andere ähn-
liche Vorgänge sind ursprüngliche Willensvorgänge solcher
Art. Die Affecte, die aus sinnlichen Gefühlen entstehen,
sowie nicht minder die allverbreiteten socialen Affecte, wie
Liebe, Hass, Zorn, Rache, sind auf diese Weise die dem
Menschen mit den Thieren gemeinsamen ursprünglichen
Quellen des Willens. Der Willensvorgang unterscheidet sich
hier von dem Affect nur dadurch, dass sich an diesen un-
mittelbar eine äußere Handlung anschließt, die durch ihre
Wirkungen Gefühle weckt, welche durch den Contrast zu
den im Affect enthaltenen Gefühlen den Affect selbst zum
Stillstande bringen. Dabei kann der Eintritt der Willens-

II. Die psychischen Gebilde.

2. Ein Willensvorgang, der in eine äußere Willens-
handlung übergeht, lässt sich hiernach definiren als ein
Affect, der mit einer pantomimischen Bewegung abschließt,
die neben der allen pantomimischen Bewegungen eigen-
thümlichen Charakterisirung der Qualität und Intensität des
Affects noch die besondere Bedeutung hat, dass sie äußere
Wirkungen hervorbringt, die den Affect selbst auf-
heben
. Eine solche Wirkung ist nun aber nicht bei allen
Affecten möglich, sondern nur bei solchen, bei denen der
sie zusammensetzende Gefühlsverlauf selbst Gefühle und
Vorstellungen erzeugt, die sich zur Beseitigung der voran-
gehenden Affecterregung eignen. Dies ist naturgemäß vor-
zugsweise dann der Fall, wenn jene Endwirkung des Affects
in einem directen Gegensatze zu den vorangegangenen
Gefühlen steht. Die ursprüngliche psychologische Grund-
bedingung der Willenshandlungen ist daher der Contrast
der Gefühle
, und die Entstehung primitiver Willensvor-
gänge geht wahrscheinlich stets auf Unlustgefühle zurück,
die äußere Bewegungsreactionen auslösen, als deren Wir-
kungen contrastirende Lustgefühle auftreten. Das Ergreifen
der Nahrung zur Stillung des Hungers, der Kampf gegen
Feinde zur Befriedigung des Rachegefühls und andere ähn-
liche Vorgänge sind ursprüngliche Willensvorgänge solcher
Art. Die Affecte, die aus sinnlichen Gefühlen entstehen,
sowie nicht minder die allverbreiteten socialen Affecte, wie
Liebe, Hass, Zorn, Rache, sind auf diese Weise die dem
Menschen mit den Thieren gemeinsamen ursprünglichen
Quellen des Willens. Der Willensvorgang unterscheidet sich
hier von dem Affect nur dadurch, dass sich an diesen un-
mittelbar eine äußere Handlung anschließt, die durch ihre
Wirkungen Gefühle weckt, welche durch den Contrast zu
den im Affect enthaltenen Gefühlen den Affect selbst zum
Stillstande bringen. Dabei kann der Eintritt der Willens-

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[216/0232] II. Die psychischen Gebilde. 2. Ein Willensvorgang, der in eine äußere Willens- handlung übergeht, lässt sich hiernach definiren als ein Affect, der mit einer pantomimischen Bewegung abschließt, die neben der allen pantomimischen Bewegungen eigen- thümlichen Charakterisirung der Qualität und Intensität des Affects noch die besondere Bedeutung hat, dass sie äußere Wirkungen hervorbringt, die den Affect selbst auf- heben. Eine solche Wirkung ist nun aber nicht bei allen Affecten möglich, sondern nur bei solchen, bei denen der sie zusammensetzende Gefühlsverlauf selbst Gefühle und Vorstellungen erzeugt, die sich zur Beseitigung der voran- gehenden Affecterregung eignen. Dies ist naturgemäß vor- zugsweise dann der Fall, wenn jene Endwirkung des Affects in einem directen Gegensatze zu den vorangegangenen Gefühlen steht. Die ursprüngliche psychologische Grund- bedingung der Willenshandlungen ist daher der Contrast der Gefühle, und die Entstehung primitiver Willensvor- gänge geht wahrscheinlich stets auf Unlustgefühle zurück, die äußere Bewegungsreactionen auslösen, als deren Wir- kungen contrastirende Lustgefühle auftreten. Das Ergreifen der Nahrung zur Stillung des Hungers, der Kampf gegen Feinde zur Befriedigung des Rachegefühls und andere ähn- liche Vorgänge sind ursprüngliche Willensvorgänge solcher Art. Die Affecte, die aus sinnlichen Gefühlen entstehen, sowie nicht minder die allverbreiteten socialen Affecte, wie Liebe, Hass, Zorn, Rache, sind auf diese Weise die dem Menschen mit den Thieren gemeinsamen ursprünglichen Quellen des Willens. Der Willensvorgang unterscheidet sich hier von dem Affect nur dadurch, dass sich an diesen un- mittelbar eine äußere Handlung anschließt, die durch ihre Wirkungen Gefühle weckt, welche durch den Contrast zu den im Affect enthaltenen Gefühlen den Affect selbst zum Stillstande bringen. Dabei kann der Eintritt der Willens-

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/232>, abgerufen am 09.11.2024.