Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.Einleitung. sei es aus Eigenschaften oder Vorgängen der Materie, ab-leitet. Hiernach scheidet sich die metaphysische Psycho- logie wieder in zwei Richtungen. Die spiritualistische Psychologie betrachtet die psychischen Vorgänge als die Wirkungen einer specifischen Seelensubstanz, die entweder als wesentlich verschieden von der Materie (dualistisches System) oder als ihr wesensverwandt (monistisches oder monadologisches System) angesehen wird. Die meta- physische Grundtendenz der spiritualistischen Psychologie besteht in der Annahme einer übersinnlichen Natur der Seele und in der Vereinbarkeit dieser mit der Annahme der Unvergänglichkeit, womit sich zuweilen auch noch die wei- tere einer Präexistenz verbindet. Die materialistische Psychologie führt dagegen die psychischen Vorgänge auf das nämliche materielle Substrat zurück, das die Natur- wissenschaft hypothetisch der Erklärung der Naturerschei- nungen zu Grunde legt. Die psychischen sind ihr ebenso wie die physischen Lebensvorgänge an bestimmte, während des individuellen Lebens entstehende und am Ende desselben sich wieder auflösende Gruppirungen der materiellen Stoff- elemente gebunden. Die metaphysische Tendenz dieser Richtung besteht in der Leugnung der von der spiritualisti- schen Psychologie behaupteten übersinnlichen Natur der Seele. Dagegen ist sie mit ihr darin einig, dass sie nicht die psychologische Erfahrung aus sich selbst zu interpretiren, sondern aus irgend welchen Voraussetzungen über hypo- thetische Vorgänge eines metaphysischen Substrates abzu- leiten sucht. 2. Aus der Bekämpfung dieses letzteren Verfahrens ist Einleitung. sei es aus Eigenschaften oder Vorgängen der Materie, ab-leitet. Hiernach scheidet sich die metaphysische Psycho- logie wieder in zwei Richtungen. Die spiritualistische Psychologie betrachtet die psychischen Vorgänge als die Wirkungen einer specifischen Seelensubstanz, die entweder als wesentlich verschieden von der Materie (dualistisches System) oder als ihr wesensverwandt (monistisches oder monadologisches System) angesehen wird. Die meta- physische Grundtendenz der spiritualistischen Psychologie besteht in der Annahme einer übersinnlichen Natur der Seele und in der Vereinbarkeit dieser mit der Annahme der Unvergänglichkeit, womit sich zuweilen auch noch die wei- tere einer Präexistenz verbindet. Die materialistische Psychologie führt dagegen die psychischen Vorgänge auf das nämliche materielle Substrat zurück, das die Natur- wissenschaft hypothetisch der Erklärung der Naturerschei- nungen zu Grunde legt. Die psychischen sind ihr ebenso wie die physischen Lebensvorgänge an bestimmte, während des individuellen Lebens entstehende und am Ende desselben sich wieder auflösende Gruppirungen der materiellen Stoff- elemente gebunden. Die metaphysische Tendenz dieser Richtung besteht in der Leugnung der von der spiritualisti- schen Psychologie behaupteten übersinnlichen Natur der Seele. Dagegen ist sie mit ihr darin einig, dass sie nicht die psychologische Erfahrung aus sich selbst zu interpretiren, sondern aus irgend welchen Voraussetzungen über hypo- thetische Vorgänge eines metaphysischen Substrates abzu- leiten sucht. 2. Aus der Bekämpfung dieses letzteren Verfahrens ist <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="8"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> sei es aus Eigenschaften oder Vorgängen der Materie, ab-<lb/> leitet. Hiernach scheidet sich die metaphysische Psycho-<lb/> logie wieder in <hi rendition="#g">zwei</hi> Richtungen. 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Einleitung.
sei es aus Eigenschaften oder Vorgängen der Materie, ab-
leitet. Hiernach scheidet sich die metaphysische Psycho-
logie wieder in zwei Richtungen. Die spiritualistische
Psychologie betrachtet die psychischen Vorgänge als die
Wirkungen einer specifischen Seelensubstanz, die entweder
als wesentlich verschieden von der Materie (dualistisches
System) oder als ihr wesensverwandt (monistisches oder
monadologisches System) angesehen wird. Die meta-
physische Grundtendenz der spiritualistischen Psychologie
besteht in der Annahme einer übersinnlichen Natur der
Seele und in der Vereinbarkeit dieser mit der Annahme der
Unvergänglichkeit, womit sich zuweilen auch noch die wei-
tere einer Präexistenz verbindet. Die materialistische
Psychologie führt dagegen die psychischen Vorgänge auf
das nämliche materielle Substrat zurück, das die Natur-
wissenschaft hypothetisch der Erklärung der Naturerschei-
nungen zu Grunde legt. Die psychischen sind ihr ebenso
wie die physischen Lebensvorgänge an bestimmte, während
des individuellen Lebens entstehende und am Ende desselben
sich wieder auflösende Gruppirungen der materiellen Stoff-
elemente gebunden. Die metaphysische Tendenz dieser
Richtung besteht in der Leugnung der von der spiritualisti-
schen Psychologie behaupteten übersinnlichen Natur der
Seele. Dagegen ist sie mit ihr darin einig, dass sie nicht
die psychologische Erfahrung aus sich selbst zu interpretiren,
sondern aus irgend welchen Voraussetzungen über hypo-
thetische Vorgänge eines metaphysischen Substrates abzu-
leiten sucht.
2. Aus der Bekämpfung dieses letzteren Verfahrens ist
die empirische Psychologie hervorgegangen. Ueberall,
wo sie folgerichtig durchgeführt wird, ist sie daher bemüht,
die psychischen Vorgänge entweder auf Begriffe zurückzu-
führen, die dem Zusammenhang dieser Vorgänge direct ent-
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