Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.II. Die psychischen Gebilde. mittel für die Unterscheidung dieser Reactionsformen vonBedeutung.1) 12. Die sensorielle und die musculäre Reactionsform 1) Außer Betracht geblieben sind bei den obigen Zahlen die
Reactionszeiten für Geschmacks- und Geruchs-, für Temperatur- und Schmerzreize. Sie sind durchweg größer gefunden worden. Da aber diese Unterschiede offenbar ganz und gar auf Rechnung rein phy- siologischer Bedingungen kommen (langsameres Vordringen der Reize zu den Nervenenden, bei den Schmerzreizen langsamere centrale Leitung), so bieten sie kein psychologisches Interesse dar. II. Die psychischen Gebilde. mittel für die Unterscheidung dieser Reactionsformen vonBedeutung.1) 12. Die sensorielle und die musculäre Reactionsform 1) Außer Betracht geblieben sind bei den obigen Zahlen die
Reactionszeiten für Geschmacks- und Geruchs-, für Temperatur- und Schmerzreize. Sie sind durchweg größer gefunden worden. Da aber diese Unterschiede offenbar ganz und gar auf Rechnung rein phy- siologischer Bedingungen kommen (langsameres Vordringen der Reize zu den Nervenenden, bei den Schmerzreizen langsamere centrale Leitung), so bieten sie kein psychologisches Interesse dar. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0250" n="234"/><fw place="top" type="header">II. Die psychischen Gebilde.</fw><lb/> mittel für die Unterscheidung dieser Reactionsformen von<lb/> Bedeutung.<note place="foot" n="1)">Außer Betracht geblieben sind bei den obigen Zahlen die<lb/> Reactionszeiten für Geschmacks- und Geruchs-, für Temperatur- und<lb/> Schmerzreize. Sie sind durchweg größer gefunden worden. Da aber<lb/> diese Unterschiede offenbar ganz und gar auf Rechnung rein phy-<lb/> siologischer Bedingungen kommen (langsameres Vordringen der Reize<lb/> zu den Nervenenden, bei den Schmerzreizen langsamere centrale<lb/> Leitung), so bieten sie kein psychologisches Interesse dar.</note></p><lb/> <p>12. Die sensorielle und die musculäre Reactionsform<lb/> bilden nun vermittelst der Einführung besonderer Bedin-<lb/> gungen die Ausgangspunkte für das Studium der <hi rendition="#g">Entwick-<lb/> lung der Willensvorgänge</hi> nach verschiedenen Rich-<lb/> tungen hin. Die sensorielle Reaction liefert nämlich, da<lb/> sich bei ihr leicht zwischen die Auffassung des Eindrucks<lb/> und die Ausführung der Reaction verschiedene psychische<lb/> Processe einschalten lassen, das Hülfsmittel, um von ein-<lb/> fachen zu zusammengesetzten Willensvorgängen überzugehen.<lb/> So entsteht eine Willkürhandlung von relativ einfacher Art,<lb/> wenn man der Auffassung des Eindrucks einen Erkennungs-<lb/> oder Unterscheidungsact folgen lässt, der dann erst die Re-<lb/> actionsbewegung auszulösen hat. In diesem Fall ist nicht<lb/> der unmittelbare Eindruck, sondern erst die aus dem Er-<lb/> kennungs- oder Unterscheidungsact resultirende Vorstellung<lb/> das Motiv der auszuführenden Handlung. Insofern dieses<lb/> Motiv nur eines unter einer größeren oder geringeren An-<lb/> zahl gleich möglicher ist, die statt seiner eintreten konnten,<lb/> hat aber die Reactionsbewegung den Charakter einer Will-<lb/> kürbewegung: in der That ist bei ihr das dem Willensact<lb/> vorausgehende Gefühl der <hi rendition="#g">Entscheidung</hi> deutlich zu be-<lb/> obachten; nicht minder sind die vorangehenden an die Auf-<lb/> fassung des Eindrucks gebundenen Gefühle scharf ausge-<lb/> prägt. Noch mehr geschieht dies, und die Aufeinanderfolge<lb/> der Vorstellungs- und Gefühlsprocesse wird zugleich eine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0250]
II. Die psychischen Gebilde.
mittel für die Unterscheidung dieser Reactionsformen von
Bedeutung. 1)
12. Die sensorielle und die musculäre Reactionsform
bilden nun vermittelst der Einführung besonderer Bedin-
gungen die Ausgangspunkte für das Studium der Entwick-
lung der Willensvorgänge nach verschiedenen Rich-
tungen hin. Die sensorielle Reaction liefert nämlich, da
sich bei ihr leicht zwischen die Auffassung des Eindrucks
und die Ausführung der Reaction verschiedene psychische
Processe einschalten lassen, das Hülfsmittel, um von ein-
fachen zu zusammengesetzten Willensvorgängen überzugehen.
So entsteht eine Willkürhandlung von relativ einfacher Art,
wenn man der Auffassung des Eindrucks einen Erkennungs-
oder Unterscheidungsact folgen lässt, der dann erst die Re-
actionsbewegung auszulösen hat. In diesem Fall ist nicht
der unmittelbare Eindruck, sondern erst die aus dem Er-
kennungs- oder Unterscheidungsact resultirende Vorstellung
das Motiv der auszuführenden Handlung. Insofern dieses
Motiv nur eines unter einer größeren oder geringeren An-
zahl gleich möglicher ist, die statt seiner eintreten konnten,
hat aber die Reactionsbewegung den Charakter einer Will-
kürbewegung: in der That ist bei ihr das dem Willensact
vorausgehende Gefühl der Entscheidung deutlich zu be-
obachten; nicht minder sind die vorangehenden an die Auf-
fassung des Eindrucks gebundenen Gefühle scharf ausge-
prägt. Noch mehr geschieht dies, und die Aufeinanderfolge
der Vorstellungs- und Gefühlsprocesse wird zugleich eine
1) Außer Betracht geblieben sind bei den obigen Zahlen die
Reactionszeiten für Geschmacks- und Geruchs-, für Temperatur- und
Schmerzreize. Sie sind durchweg größer gefunden worden. Da aber
diese Unterschiede offenbar ganz und gar auf Rechnung rein phy-
siologischer Bedingungen kommen (langsameres Vordringen der Reize
zu den Nervenenden, bei den Schmerzreizen langsamere centrale
Leitung), so bieten sie kein psychologisches Interesse dar.
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