Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. Bewusstsein zusammenzufassendes Ganzes bildet, so lässt sich aufGrund des unmittelbaren Eindrucks und natürlich bei strenger Vermeidung des Zählens der Takte entscheiden, ob die zweite der ersten Reihe gleich ist oder nicht. Hierbei bemerkt man zugleich, dass der Eindruck der Gleichheit vermittelst der früher (S. 183) erwähnten Gefühlselemente der zeitlichen Vorstellungen zu stande kommt, indem jedem Taktschlag der zweiten Reihe ein dem analogen Taktschlag der ersten entsprechendes Erwartungs- gefühl vorausgeht, so dass jedes Glied mehr oder weniger eine Störung dieser Erwartung mit begleitendem Gefühl der Ent- täuschung hervorruft. Hieraus geht hervor, dass nicht etwa beide auf einander folgende Reihen im Bewusstsein anwesend sein müssen, damit sie verglichen werden können, sondern dass hierzu nur die Zusammenfassung der Eindrücke je einer Reihe in ein Vorstel- lungsganzes erforderlich ist. Die relativ feste Begrenzung, die in dieser Beziehung der Umfang des Bewusstseins besitzt, verräth sich aber deutlich darin, dass die Identität zweier zeitlicher Vor- stellungen, so lange diese die unter den vorhandenen Bedingungen bestehende Grenze nicht erreichen, in allen Fällen sicher erkannt wird, wogegen mit dem Ueberschreiten jener Grenze das Urtheil absolut unsicher wird. Dabei zeigt sich zugleich das Maß des Umfangs, das man gewinnt, wieder bei constant bleibendem Zu- stand der Aufmerksamkeit theils von der Geschwindigkeit der auf einander folgenden zeitlichen Eindrücke theils von der mehr oder minder vollkommenen rhythmischen Verbindung derselben abhängig. Bei einer unteren Grenze der Geschwindigkeit, die etwa bei 4" erreicht wird, ist es überhaupt nicht mehr möglich auf einander folgende Eindrücke zu einer zeitlichen Vorstellung zu verbinden: wenn der neue Eindruck kommt, ist der voran- gegangene schon aus dem Bewusstsein verschwunden. Bei einer oberen Grenze, von etwa 0,18" an, wird die Bildung deut- lich abgegrenzter zeitlicher Vorstellungen unmöglich, weil die Aufmerksamkeit nicht mehr den Eindrücken folgen kann. Die günstigste Geschwindigkeit liegt bei einer mittleren Taktfolge von 0,2--0,3". Bei ihr werden, wenn die einfachste, bei un- gezwungener Auffassung gewöhnlich von selbst entstehende rhyth- mische Gliederung des Taktes stattfindet, 8 Doppeleindrücke oder 16 Einzeleindrücke noch eben zusammengefasst. Für die Aufnahme möglichst vieler Einzeleindrücke im Bewusstsein er- III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde. Bewusstsein zusammenzufassendes Ganzes bildet, so lässt sich aufGrund des unmittelbaren Eindrucks und natürlich bei strenger Vermeidung des Zählens der Takte entscheiden, ob die zweite der ersten Reihe gleich ist oder nicht. Hierbei bemerkt man zugleich, dass der Eindruck der Gleichheit vermittelst der früher (S. 183) erwähnten Gefühlselemente der zeitlichen Vorstellungen zu stande kommt, indem jedem Taktschlag der zweiten Reihe ein dem analogen Taktschlag der ersten entsprechendes Erwartungs- gefühl vorausgeht, so dass jedes Glied mehr oder weniger eine Störung dieser Erwartung mit begleitendem Gefühl der Ent- täuschung hervorruft. Hieraus geht hervor, dass nicht etwa beide auf einander folgende Reihen im Bewusstsein anwesend sein müssen, damit sie verglichen werden können, sondern dass hierzu nur die Zusammenfassung der Eindrücke je einer Reihe in ein Vorstel- lungsganzes erforderlich ist. Die relativ feste Begrenzung, die in dieser Beziehung der Umfang des Bewusstseins besitzt, verräth sich aber deutlich darin, dass die Identität zweier zeitlicher Vor- stellungen, so lange diese die unter den vorhandenen Bedingungen bestehende Grenze nicht erreichen, in allen Fällen sicher erkannt wird, wogegen mit dem Ueberschreiten jener Grenze das Urtheil absolut unsicher wird. Dabei zeigt sich zugleich das Maß des Umfangs, das man gewinnt, wieder bei constant bleibendem Zu- stand der Aufmerksamkeit theils von der Geschwindigkeit der auf einander folgenden zeitlichen Eindrücke theils von der mehr oder minder vollkommenen rhythmischen Verbindung derselben abhängig. Bei einer unteren Grenze der Geschwindigkeit, die etwa bei 4″ erreicht wird, ist es überhaupt nicht mehr möglich auf einander folgende Eindrücke zu einer zeitlichen Vorstellung zu verbinden: wenn der neue Eindruck kommt, ist der voran- gegangene schon aus dem Bewusstsein verschwunden. Bei einer oberen Grenze, von etwa 0,18″ an, wird die Bildung deut- lich abgegrenzter zeitlicher Vorstellungen unmöglich, weil die Aufmerksamkeit nicht mehr den Eindrücken folgen kann. Die günstigste Geschwindigkeit liegt bei einer mittleren Taktfolge von 0,2—0,3″. Bei ihr werden, wenn die einfachste, bei un- gezwungener Auffassung gewöhnlich von selbst entstehende rhyth- mische Gliederung des Taktes stattfindet, 8 Doppeleindrücke oder 16 Einzeleindrücke noch eben zusammengefasst. Für die Aufnahme möglichst vieler Einzeleindrücke im Bewusstsein er- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0268" n="252"/><fw place="top" type="header">III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.</fw><lb/> Bewusstsein zusammenzufassendes Ganzes bildet, so lässt sich auf<lb/> Grund des unmittelbaren Eindrucks und natürlich bei strenger<lb/> Vermeidung des Zählens der Takte entscheiden, ob die zweite<lb/> der ersten Reihe gleich ist oder nicht. 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III. Der Zusammenhang der psychischen Gebilde.
Bewusstsein zusammenzufassendes Ganzes bildet, so lässt sich auf
Grund des unmittelbaren Eindrucks und natürlich bei strenger
Vermeidung des Zählens der Takte entscheiden, ob die zweite
der ersten Reihe gleich ist oder nicht. Hierbei bemerkt man
zugleich, dass der Eindruck der Gleichheit vermittelst der früher
(S. 183) erwähnten Gefühlselemente der zeitlichen Vorstellungen
zu stande kommt, indem jedem Taktschlag der zweiten Reihe ein
dem analogen Taktschlag der ersten entsprechendes Erwartungs-
gefühl vorausgeht, so dass jedes Glied mehr oder weniger eine
Störung dieser Erwartung mit begleitendem Gefühl der Ent-
täuschung hervorruft. Hieraus geht hervor, dass nicht etwa beide
auf einander folgende Reihen im Bewusstsein anwesend sein müssen,
damit sie verglichen werden können, sondern dass hierzu nur die
Zusammenfassung der Eindrücke je einer Reihe in ein Vorstel-
lungsganzes erforderlich ist. Die relativ feste Begrenzung, die in
dieser Beziehung der Umfang des Bewusstseins besitzt, verräth
sich aber deutlich darin, dass die Identität zweier zeitlicher Vor-
stellungen, so lange diese die unter den vorhandenen Bedingungen
bestehende Grenze nicht erreichen, in allen Fällen sicher erkannt
wird, wogegen mit dem Ueberschreiten jener Grenze das Urtheil
absolut unsicher wird. Dabei zeigt sich zugleich das Maß des
Umfangs, das man gewinnt, wieder bei constant bleibendem Zu-
stand der Aufmerksamkeit theils von der Geschwindigkeit der
auf einander folgenden zeitlichen Eindrücke theils von der mehr
oder minder vollkommenen rhythmischen Verbindung derselben
abhängig. Bei einer unteren Grenze der Geschwindigkeit, die
etwa bei 4″ erreicht wird, ist es überhaupt nicht mehr möglich
auf einander folgende Eindrücke zu einer zeitlichen Vorstellung
zu verbinden: wenn der neue Eindruck kommt, ist der voran-
gegangene schon aus dem Bewusstsein verschwunden. Bei einer
oberen Grenze, von etwa 0,18″ an, wird die Bildung deut-
lich abgegrenzter zeitlicher Vorstellungen unmöglich, weil die
Aufmerksamkeit nicht mehr den Eindrücken folgen kann. Die
günstigste Geschwindigkeit liegt bei einer mittleren Taktfolge
von 0,2—0,3″. Bei ihr werden, wenn die einfachste, bei un-
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mische Gliederung des [FORMEL] Taktes stattfindet, 8 Doppeleindrücke
oder 16 Einzeleindrücke noch eben zusammengefasst. Für die
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