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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere.

Gegenüber dieser Gleichartigkeit der psychischen Ele-
mente und ihrer einfacheren Verbindungen bestehen nun
aber sehr große Unterschiede in allen den Vorgängen, die
mit der Entwicklung der Apperception zusammenhängen.
Während passive Apperceptionen als die Grundlagen der
überall vorkommenden einfachen Triebhandlungen niemals
fehlen, finden sich dagegen active Apperceptionsprocesse,
in der Form willkürlicher Aufmerksamkeit auf gewisse Ein-
drücke und einer Wahl zwischen verschiedenen Motiven,
wahrscheinlich nur bei den entwickelteren Thieren. Auch
bei ihnen bleiben sie jedoch beschränkt auf die von un-
mittelbaren Sinneseindrücken angeregten Vorstellungen und
nächsten Associationen, so dass von intellectuellen Func-
tionen im engeren Sinne des Wortes, von Phantasie- und
Verstandesthätigkeiten, selbst bei den geistig enwickeltsten
Thieren nicht oder doch höchstens in vereinzelten Spuren
und Anfängen die Rede sein kann. Hiermit hängt zugleich
zusammen, dass zwar die höheren Thiere durch mannigfache,
oft den menschlichen verwandte Ausdrucksbewegungen ihre
Affecte und selbst ihre Vorstellungen, insoweit sie an Affecte
gebunden sind, nach außen kundgeben können, dass ihnen
aber eine entwickelte Sprache mangelt.

2. So weit aber auch die Entwicklung der Thiere im
allgemeinen trotz der qualitativen Gleichartigkeit der funda-
mentalen psychischen Vorgänge hinter der des Menschen
zurückbleibt, so ist sie derselben doch in vielen Fällen in
doppelter Beziehung überlegen: erstens in der Geschwin-
digkeit
der psychischen Ausbildung, und zweitens in ge-
wissen einseitigen Functionsrichtungen, die durch
die besonderen Lebensverhältnisse einer bestimmten Thier-
species begünstigt werden. Die größere Geschwindigkeit der
Ausbildung zeigt sich darin, dass sehr viele Thiere weit
früher, ja manche unmittelbar nach der Geburt fähig sind

§ 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere.

Gegenüber dieser Gleichartigkeit der psychischen Ele-
mente und ihrer einfacheren Verbindungen bestehen nun
aber sehr große Unterschiede in allen den Vorgängen, die
mit der Entwicklung der Apperception zusammenhängen.
Während passive Apperceptionen als die Grundlagen der
überall vorkommenden einfachen Triebhandlungen niemals
fehlen, finden sich dagegen active Apperceptionsprocesse,
in der Form willkürlicher Aufmerksamkeit auf gewisse Ein-
drücke und einer Wahl zwischen verschiedenen Motiven,
wahrscheinlich nur bei den entwickelteren Thieren. Auch
bei ihnen bleiben sie jedoch beschränkt auf die von un-
mittelbaren Sinneseindrücken angeregten Vorstellungen und
nächsten Associationen, so dass von intellectuellen Func-
tionen im engeren Sinne des Wortes, von Phantasie- und
Verstandesthätigkeiten, selbst bei den geistig enwickeltsten
Thieren nicht oder doch höchstens in vereinzelten Spuren
und Anfängen die Rede sein kann. Hiermit hängt zugleich
zusammen, dass zwar die höheren Thiere durch mannigfache,
oft den menschlichen verwandte Ausdrucksbewegungen ihre
Affecte und selbst ihre Vorstellungen, insoweit sie an Affecte
gebunden sind, nach außen kundgeben können, dass ihnen
aber eine entwickelte Sprache mangelt.

2. So weit aber auch die Entwicklung der Thiere im
allgemeinen trotz der qualitativen Gleichartigkeit der funda-
mentalen psychischen Vorgänge hinter der des Menschen
zurückbleibt, so ist sie derselben doch in vielen Fällen in
doppelter Beziehung überlegen: erstens in der Geschwin-
digkeit
der psychischen Ausbildung, und zweitens in ge-
wissen einseitigen Functionsrichtungen, die durch
die besonderen Lebensverhältnisse einer bestimmten Thier-
species begünstigt werden. Die größere Geschwindigkeit der
Ausbildung zeigt sich darin, dass sehr viele Thiere weit
früher, ja manche unmittelbar nach der Geburt fähig sind

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[325/0341] § 19. Die psychischen Eigenschaften der Thiere. Gegenüber dieser Gleichartigkeit der psychischen Ele- mente und ihrer einfacheren Verbindungen bestehen nun aber sehr große Unterschiede in allen den Vorgängen, die mit der Entwicklung der Apperception zusammenhängen. Während passive Apperceptionen als die Grundlagen der überall vorkommenden einfachen Triebhandlungen niemals fehlen, finden sich dagegen active Apperceptionsprocesse, in der Form willkürlicher Aufmerksamkeit auf gewisse Ein- drücke und einer Wahl zwischen verschiedenen Motiven, wahrscheinlich nur bei den entwickelteren Thieren. Auch bei ihnen bleiben sie jedoch beschränkt auf die von un- mittelbaren Sinneseindrücken angeregten Vorstellungen und nächsten Associationen, so dass von intellectuellen Func- tionen im engeren Sinne des Wortes, von Phantasie- und Verstandesthätigkeiten, selbst bei den geistig enwickeltsten Thieren nicht oder doch höchstens in vereinzelten Spuren und Anfängen die Rede sein kann. Hiermit hängt zugleich zusammen, dass zwar die höheren Thiere durch mannigfache, oft den menschlichen verwandte Ausdrucksbewegungen ihre Affecte und selbst ihre Vorstellungen, insoweit sie an Affecte gebunden sind, nach außen kundgeben können, dass ihnen aber eine entwickelte Sprache mangelt. 2. So weit aber auch die Entwicklung der Thiere im allgemeinen trotz der qualitativen Gleichartigkeit der funda- mentalen psychischen Vorgänge hinter der des Menschen zurückbleibt, so ist sie derselben doch in vielen Fällen in doppelter Beziehung überlegen: erstens in der Geschwin- digkeit der psychischen Ausbildung, und zweitens in ge- wissen einseitigen Functionsrichtungen, die durch die besonderen Lebensverhältnisse einer bestimmten Thier- species begünstigt werden. Die größere Geschwindigkeit der Ausbildung zeigt sich darin, dass sehr viele Thiere weit früher, ja manche unmittelbar nach der Geburt fähig sind

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/341>, abgerufen am 24.11.2024.