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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 4. Allgemeine Uebersicht des Gegenstandes.
Zusammenhängen: so verbinden sich die Vorstellungen
theils zu größeren gleichzeitigen Vorstellungscomplexen,
theils zu regelmäßigen Vorstellungsfolgen; nicht minder
bilden die Gefühls- und Willensvorgänge sowohl unter
einander wie mit den Vorstellungsprocessen mannigfaltige
Verbindungen. Auf diese Weise entsteht der Zusammen-
hang der psychischen Gebilde
als eine Classe syn-
thetischer Vorgänge zweiter Stufe, die sich auf den
einfacheren Verbindungen der Elemente zu psychischen
Gebilden erhebt. Indem ferner einzelne psychische Zu-
sammenhänge selbst wieder umfassendere Verbindungen mit
einander bilden, die in der Ordnung ihrer Bestandtheile
ebenfalls eine bestimmte Regelmäßigkeit erkennen lassen,
gehen aus diesen Zusammenhängen Verbindungen dritter
Stufe hervor, die wir mit dem allgemeinen Namen der
psychischen Entwicklungen bezeichnen. Sie lassen
sich in Entwicklungen verschiedenen Umfanges unterschei-
den. Entwicklungsvorgänge beschränktester Art sind solche,
die sich auf eine einzelne psychische Richtung, z. B.
auf die Entwicklung der intellectuellen Functionen, des Wil-
lens, der Gefühle oder auch etwa bloß eines besonderen
Bestandtheils dieser Functionsformen, wie etwa der ästheti-
schen, der moralischen Gefühle u. dergl., beziehen. Daran
schließt sich dann die aus einer Menge solcher Partial-
entwicklungen bestehende Gesammtentwicklung der
einzelnen psychischen Individualität
. Indem sich
endlich schon das thierische Individuum und in höherem
Maße noch der einzelne Mensch in fortwährenden Wechsel-
wirkungen mit Wesen gleicher Art befindet, erheben sich
zuletzt über diesen individuellen die generellen psychi-
schen Entwicklungen
. Diese mannigfachen Zweige der
psychologischen Entwicklungsgeschichte bilden theils die
psychologischen Grundlagen anderer Wissenschaften, wie der

§ 4. Allgemeine Uebersicht des Gegenstandes.
Zusammenhängen: so verbinden sich die Vorstellungen
theils zu größeren gleichzeitigen Vorstellungscomplexen,
theils zu regelmäßigen Vorstellungsfolgen; nicht minder
bilden die Gefühls- und Willensvorgänge sowohl unter
einander wie mit den Vorstellungsprocessen mannigfaltige
Verbindungen. Auf diese Weise entsteht der Zusammen-
hang der psychischen Gebilde
als eine Classe syn-
thetischer Vorgänge zweiter Stufe, die sich auf den
einfacheren Verbindungen der Elemente zu psychischen
Gebilden erhebt. Indem ferner einzelne psychische Zu-
sammenhänge selbst wieder umfassendere Verbindungen mit
einander bilden, die in der Ordnung ihrer Bestandtheile
ebenfalls eine bestimmte Regelmäßigkeit erkennen lassen,
gehen aus diesen Zusammenhängen Verbindungen dritter
Stufe hervor, die wir mit dem allgemeinen Namen der
psychischen Entwicklungen bezeichnen. Sie lassen
sich in Entwicklungen verschiedenen Umfanges unterschei-
den. Entwicklungsvorgänge beschränktester Art sind solche,
die sich auf eine einzelne psychische Richtung, z. B.
auf die Entwicklung der intellectuellen Functionen, des Wil-
lens, der Gefühle oder auch etwa bloß eines besonderen
Bestandtheils dieser Functionsformen, wie etwa der ästheti-
schen, der moralischen Gefühle u. dergl., beziehen. Daran
schließt sich dann die aus einer Menge solcher Partial-
entwicklungen bestehende Gesammtentwicklung der
einzelnen psychischen Individualität
. Indem sich
endlich schon das thierische Individuum und in höherem
Maße noch der einzelne Mensch in fortwährenden Wechsel-
wirkungen mit Wesen gleicher Art befindet, erheben sich
zuletzt über diesen individuellen die generellen psychi-
schen Entwicklungen
. Diese mannigfachen Zweige der
psychologischen Entwicklungsgeschichte bilden theils die
psychologischen Grundlagen anderer Wissenschaften, wie der

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[31/0047] § 4. Allgemeine Uebersicht des Gegenstandes. Zusammenhängen: so verbinden sich die Vorstellungen theils zu größeren gleichzeitigen Vorstellungscomplexen, theils zu regelmäßigen Vorstellungsfolgen; nicht minder bilden die Gefühls- und Willensvorgänge sowohl unter einander wie mit den Vorstellungsprocessen mannigfaltige Verbindungen. Auf diese Weise entsteht der Zusammen- hang der psychischen Gebilde als eine Classe syn- thetischer Vorgänge zweiter Stufe, die sich auf den einfacheren Verbindungen der Elemente zu psychischen Gebilden erhebt. Indem ferner einzelne psychische Zu- sammenhänge selbst wieder umfassendere Verbindungen mit einander bilden, die in der Ordnung ihrer Bestandtheile ebenfalls eine bestimmte Regelmäßigkeit erkennen lassen, gehen aus diesen Zusammenhängen Verbindungen dritter Stufe hervor, die wir mit dem allgemeinen Namen der psychischen Entwicklungen bezeichnen. Sie lassen sich in Entwicklungen verschiedenen Umfanges unterschei- den. Entwicklungsvorgänge beschränktester Art sind solche, die sich auf eine einzelne psychische Richtung, z. B. auf die Entwicklung der intellectuellen Functionen, des Wil- lens, der Gefühle oder auch etwa bloß eines besonderen Bestandtheils dieser Functionsformen, wie etwa der ästheti- schen, der moralischen Gefühle u. dergl., beziehen. Daran schließt sich dann die aus einer Menge solcher Partial- entwicklungen bestehende Gesammtentwicklung der einzelnen psychischen Individualität. Indem sich endlich schon das thierische Individuum und in höherem Maße noch der einzelne Mensch in fortwährenden Wechsel- wirkungen mit Wesen gleicher Art befindet, erheben sich zuletzt über diesen individuellen die generellen psychi- schen Entwicklungen. Diese mannigfachen Zweige der psychologischen Entwicklungsgeschichte bilden theils die psychologischen Grundlagen anderer Wissenschaften, wie der

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/47>, abgerufen am 28.04.2024.