Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Stromlauf in elastischen Röhren.
Erfüllung der Gefässe mit Blut und die grössere oder geringere
Spannung der Gefässwände unterscheiden. Je mehr eine Arterie an-
gefüllt ist, um so stärker ist auch die Spannung ihrer Wandung. Aber
ausserdem ist die Spannung auch abhängig von dem Zustand der Mus-
keln, namentlich der Kreismuskelfasern, welche in die Zusammensetzung
der Wandungen eingehen. Wenn diese sich zu contrahiren und dem-
nach das Lumen der Gefässe zu verengern streben, so wird dadurch
die Spannung vergrössert, während die Spannung abnimmt, wenn die Ge-
fässmuskeln erschlafft sind. Aus diesem Grunde unterscheidet man einen
vollen oder leeren und einen harten oder weichen Puls. Voll ist
der Puls, wenn die Arterie stark mit Blut angefüllt ist; hart nennt man ihn,
wenn die Spannung der Arterie beträchtlich ist. Für die Beurtheilung des
Zustandes der Arterienwandung ist auch der Umstand, ob man den Puls
mehr oder weniger deutlich zu fühlen vermag, nicht unwesentlich. Ein
schwacher Puls kann entweder von Schwäche der Herzaction oder
von einer Bedeckung der Arterie durch andere Weichtheile oder von
einer starken Verengerung ihres Lumens oder aber endlich von einer
Rigidität der Arterienwandungen herrühren. Wenn diese, wie es im
höheren Alter häufig geschieht, die Beschaffenheit starrer Röhren an-
nehmen, so kann der Puls fast gänzlich verschwinden. Am wichtigsten
[Abbildung] Fig. 55.
ist endlich die Art und Weise,
wie die Pulswelle in der Zeit ver-
läuft. Mittelst der blossen Beta-
stung kann dieser Verlauf nur un-
vollkommen beurtheilt werden. Zu
einer genaueren Feststellung des-
selben bedient man sich daher der
graphischen Aufzeichnung des
Verlaufes der Pulswelle durch ei-
nen auf die Arterie gesetzten He-
bel. Wir werden die zweckmässig-
ste Methode der graphischen Auf-
zeichnung, die neuerdings auch
vielfach Eingang in die Praxis ge-
funden hat, nachher erörtern. Zu-
vor aber wollen wir die wichtigsten
Unterschiede im Verlauf der Puls-
welle, die man auf diese Weise
nachzuweisen vermag, in's Auge
fassen.

Diese Unterschiede betreffen:
1) die Raschheit des Anstei-
gens
der Pulswelle. Ein rasch an-
steigender Puls wird gewöhnlich

9 *

Stromlauf in elastischen Röhren.
Erfüllung der Gefässe mit Blut und die grössere oder geringere
Spannung der Gefässwände unterscheiden. Je mehr eine Arterie an-
gefüllt ist, um so stärker ist auch die Spannung ihrer Wandung. Aber
ausserdem ist die Spannung auch abhängig von dem Zustand der Mus-
keln, namentlich der Kreismuskelfasern, welche in die Zusammensetzung
der Wandungen eingehen. Wenn diese sich zu contrahiren und dem-
nach das Lumen der Gefässe zu verengern streben, so wird dadurch
die Spannung vergrössert, während die Spannung abnimmt, wenn die Ge-
fässmuskeln erschlafft sind. Aus diesem Grunde unterscheidet man einen
vollen oder leeren und einen harten oder weichen Puls. Voll ist
der Puls, wenn die Arterie stark mit Blut angefüllt ist; hart nennt man ihn,
wenn die Spannung der Arterie beträchtlich ist. Für die Beurtheilung des
Zustandes der Arterienwandung ist auch der Umstand, ob man den Puls
mehr oder weniger deutlich zu fühlen vermag, nicht unwesentlich. Ein
schwacher Puls kann entweder von Schwäche der Herzaction oder
von einer Bedeckung der Arterie durch andere Weichtheile oder von
einer starken Verengerung ihres Lumens oder aber endlich von einer
Rigidität der Arterienwandungen herrühren. Wenn diese, wie es im
höheren Alter häufig geschieht, die Beschaffenheit starrer Röhren an-
nehmen, so kann der Puls fast gänzlich verschwinden. Am wichtigsten
[Abbildung] Fig. 55.
ist endlich die Art und Weise,
wie die Pulswelle in der Zeit ver-
läuft. Mittelst der blossen Beta-
stung kann dieser Verlauf nur un-
vollkommen beurtheilt werden. Zu
einer genaueren Feststellung des-
selben bedient man sich daher der
graphischen Aufzeichnung des
Verlaufes der Pulswelle durch ei-
nen auf die Arterie gesetzten He-
bel. Wir werden die zweckmässig-
ste Methode der graphischen Auf-
zeichnung, die neuerdings auch
vielfach Eingang in die Praxis ge-
funden hat, nachher erörtern. Zu-
vor aber wollen wir die wichtigsten
Unterschiede im Verlauf der Puls-
welle, die man auf diese Weise
nachzuweisen vermag, in’s Auge
fassen.

Diese Unterschiede betreffen:
1) die Raschheit des Anstei-
gens
der Pulswelle. Ein rasch an-
steigender Puls wird gewöhnlich

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0153" n="131"/><fw place="top" type="header">Stromlauf in elastischen Röhren.</fw><lb/><hi rendition="#g">Erfüllung</hi> der Gefässe mit Blut und die grössere oder geringere<lb/><hi rendition="#g">Spannung</hi> der Gefässwände unterscheiden. Je mehr eine Arterie an-<lb/>
gefüllt ist, um so stärker ist auch die Spannung ihrer Wandung. Aber<lb/>
ausserdem ist die Spannung auch abhängig von dem Zustand der Mus-<lb/>
keln, namentlich der Kreismuskelfasern, welche in die Zusammensetzung<lb/>
der Wandungen eingehen. Wenn diese sich zu contrahiren und dem-<lb/>
nach das Lumen der Gefässe zu verengern streben, so wird dadurch<lb/>
die Spannung vergrössert, während die Spannung abnimmt, wenn die Ge-<lb/>
fässmuskeln erschlafft sind. Aus diesem Grunde unterscheidet man einen<lb/><hi rendition="#g">vollen</hi> oder <hi rendition="#g">leeren</hi> und einen <hi rendition="#g">harten</hi> oder <hi rendition="#g">weichen</hi> Puls. Voll ist<lb/>
der Puls, wenn die Arterie stark mit Blut angefüllt ist; hart nennt man ihn,<lb/>
wenn die Spannung der Arterie beträchtlich ist. Für die Beurtheilung des<lb/>
Zustandes der Arterienwandung ist auch der Umstand, ob man den Puls<lb/>
mehr oder weniger deutlich zu fühlen vermag, nicht unwesentlich. Ein<lb/><hi rendition="#g">schwacher</hi> Puls kann entweder von Schwäche der Herzaction oder<lb/>
von einer Bedeckung der Arterie durch andere Weichtheile oder von<lb/>
einer starken Verengerung ihres Lumens oder aber endlich von einer<lb/>
Rigidität der Arterienwandungen herrühren. Wenn diese, wie es im<lb/>
höheren Alter häufig geschieht, die Beschaffenheit starrer Röhren an-<lb/>
nehmen, so kann der Puls fast gänzlich verschwinden. Am wichtigsten<lb/><figure><head>Fig. 55.</head></figure><lb/>
ist endlich die Art und Weise,<lb/>
wie die Pulswelle in der Zeit ver-<lb/>
läuft. Mittelst der blossen Beta-<lb/>
stung kann dieser Verlauf nur un-<lb/>
vollkommen beurtheilt werden. Zu<lb/>
einer genaueren Feststellung des-<lb/>
selben bedient man sich daher der<lb/>
graphischen Aufzeichnung des<lb/>
Verlaufes der Pulswelle durch ei-<lb/>
nen auf die Arterie gesetzten He-<lb/>
bel. Wir werden die zweckmässig-<lb/>
ste Methode der graphischen Auf-<lb/>
zeichnung, die neuerdings auch<lb/>
vielfach Eingang in die Praxis ge-<lb/>
funden hat, nachher erörtern. Zu-<lb/>
vor aber wollen wir die wichtigsten<lb/>
Unterschiede im Verlauf der Puls-<lb/>
welle, die man auf diese Weise<lb/>
nachzuweisen vermag, in&#x2019;s Auge<lb/>
fassen.</p><lb/>
            <p>Diese Unterschiede betreffen:<lb/>
1) die <hi rendition="#g">Raschheit des Anstei-<lb/>
gens</hi> der Pulswelle. Ein rasch an-<lb/>
steigender Puls wird gewöhnlich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0153] Stromlauf in elastischen Röhren. Erfüllung der Gefässe mit Blut und die grössere oder geringere Spannung der Gefässwände unterscheiden. Je mehr eine Arterie an- gefüllt ist, um so stärker ist auch die Spannung ihrer Wandung. Aber ausserdem ist die Spannung auch abhängig von dem Zustand der Mus- keln, namentlich der Kreismuskelfasern, welche in die Zusammensetzung der Wandungen eingehen. Wenn diese sich zu contrahiren und dem- nach das Lumen der Gefässe zu verengern streben, so wird dadurch die Spannung vergrössert, während die Spannung abnimmt, wenn die Ge- fässmuskeln erschlafft sind. Aus diesem Grunde unterscheidet man einen vollen oder leeren und einen harten oder weichen Puls. Voll ist der Puls, wenn die Arterie stark mit Blut angefüllt ist; hart nennt man ihn, wenn die Spannung der Arterie beträchtlich ist. Für die Beurtheilung des Zustandes der Arterienwandung ist auch der Umstand, ob man den Puls mehr oder weniger deutlich zu fühlen vermag, nicht unwesentlich. Ein schwacher Puls kann entweder von Schwäche der Herzaction oder von einer Bedeckung der Arterie durch andere Weichtheile oder von einer starken Verengerung ihres Lumens oder aber endlich von einer Rigidität der Arterienwandungen herrühren. Wenn diese, wie es im höheren Alter häufig geschieht, die Beschaffenheit starrer Röhren an- nehmen, so kann der Puls fast gänzlich verschwinden. Am wichtigsten [Abbildung Fig. 55.] ist endlich die Art und Weise, wie die Pulswelle in der Zeit ver- läuft. Mittelst der blossen Beta- stung kann dieser Verlauf nur un- vollkommen beurtheilt werden. Zu einer genaueren Feststellung des- selben bedient man sich daher der graphischen Aufzeichnung des Verlaufes der Pulswelle durch ei- nen auf die Arterie gesetzten He- bel. Wir werden die zweckmässig- ste Methode der graphischen Auf- zeichnung, die neuerdings auch vielfach Eingang in die Praxis ge- funden hat, nachher erörtern. Zu- vor aber wollen wir die wichtigsten Unterschiede im Verlauf der Puls- welle, die man auf diese Weise nachzuweisen vermag, in’s Auge fassen. Diese Unterschiede betreffen: 1) die Raschheit des Anstei- gens der Pulswelle. Ein rasch an- steigender Puls wird gewöhnlich 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/153
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/153>, abgerufen am 04.12.2024.