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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Entstehung und Ausbreitung des Schalls.
räumen angebracht ist, so haben doch immer zwei dieser Löcher, z. B.
a' und b' ein bestimmtes Lageverhältniss zu einander. Zwei in ge-
gebener Zeit auf einander folgende Luftstösse bilden aber schon den
Anfang eines Klangs von bestimmter Tonhöhe. Wenn wir also hin-
zunehmen, dass im Geräusch, was auch die Erfahrung bestätigt, die
Klänge sehr rasch successiv wechseln können, so ist das Geräusch
geradezu als eine Summe sich störender Klänge zu definiren.

Anlass zur Entstehung musikalischer Klänge ist in der Natur107
Geschwindig-
keit der Schall-
schwingungen.

sehr vielfach gegeben. Denn da jeder Klang in periodischen Er-
schütterungen der Luft besteht, so wird jede regelmässige Schwin-
gungsbewegung eines Körpers, die der Luft und durch die letztere
unserm Gehör sich mittheilt, vorausgesetzt dass sie die geeignete In-
tensität und Geschwindigkeit besitzt, von uns als Klang empfunden
werden. Nun sind, wie wir im 1. Abschnitt (§. 34 und 36) gesehen
haben, regelmässige Schwingungsbewegungen eine sehr häufige Er-
scheinung. Jeder Körper, der durch eine äussere Kraft aus seiner
ursprünglichen Lage, in der er sich durch andere Kräfte zu erhalten
strebt, entfernt wird, schwingt um diese Lage in regelmässigen Pe-
rioden; sind es die einzelnen Theilchen eines Körpers, die successiv
solche Schwingungen ausführen, so entstehen die früher erörterten
Wellenbewegungen. Schwingungs- und Wellenbewegungen bilden da-
her allgemein die Ursache jener Qualitäten des Schalls, die wir als
Klänge bezeichnen. Aber nicht alle periodischen Bewegungen können
wir als Klänge empfinden: bei den Schwingungen eines Pendels, bei
den Wellen des Wassers folgen sich die Perioden zu langsam, bei
jenen Schwingungsbewegungen des Aethers, die wir als Wärme oder
Licht empfinden, folgen sich die Perioden zu schnell. Die Bewegung
muss also innerhalb gewisser Grenzen der Oscillationsgeschwindigkeit
eingeschlossen sein, um die Klangempfindung hervorzurufen.

Die hier angedeuteten Grenzen können leicht mittelst der im
§. 105 beschriebenen Sirene bestimmt werden. Ertheilt man näm-
lich der Scheibe S eine bekannte Umdrehungsgeschwindigkeit, so er-
gibt sich, wie wir gesehen haben, die Zahl der in einer gegebenen
Zeit erfolgenden Luftstösse, wenn man die Anzahl der Löcher mit der
Anzahl der Umdrehungen multiplicirt. Man braucht also, um die un-
tere und die obere Grenze der Klänge zu ermitteln, nur diejenige
Umdrehungsgeschwindigkeit zu bestimmen, bei der eben ein Ton ent-
steht, sowie diejenige, bei der eben der Ton verschwindet. Man
findet hierbei, dass etwa bei 16 Schwingungen in der Secunde die
Tonempfindung beginnt, und dass bei höchstens 38000 Schwingungen
in der Secunde die Tonempfindung aufhört. Eine deutliche Unter-
scheidung der Tonhöhen ist jedoch nur ungefähr zwischen 40 und

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räumen angebracht ist, so haben doch immer zwei dieser Löcher, z. B.
a' und b' ein bestimmtes Lageverhältniss zu einander. Zwei in ge-
gebener Zeit auf einander folgende Luftstösse bilden aber schon den
Anfang eines Klangs von bestimmter Tonhöhe. Wenn wir also hin-
zunehmen, dass im Geräusch, was auch die Erfahrung bestätigt, die
Klänge sehr rasch successiv wechseln können, so ist das Geräusch
geradezu als eine Summe sich störender Klänge zu definiren.

Anlass zur Entstehung musikalischer Klänge ist in der Natur107
Geschwindig-
keit der Schall-
schwingungen.

sehr vielfach gegeben. Denn da jeder Klang in periodischen Er-
schütterungen der Luft besteht, so wird jede regelmässige Schwin-
gungsbewegung eines Körpers, die der Luft und durch die letztere
unserm Gehör sich mittheilt, vorausgesetzt dass sie die geeignete In-
tensität und Geschwindigkeit besitzt, von uns als Klang empfunden
werden. Nun sind, wie wir im 1. Abschnitt (§. 34 und 36) gesehen
haben, regelmässige Schwingungsbewegungen eine sehr häufige Er-
scheinung. Jeder Körper, der durch eine äussere Kraft aus seiner
ursprünglichen Lage, in der er sich durch andere Kräfte zu erhalten
strebt, entfernt wird, schwingt um diese Lage in regelmässigen Pe-
rioden; sind es die einzelnen Theilchen eines Körpers, die successiv
solche Schwingungen ausführen, so entstehen die früher erörterten
Wellenbewegungen. Schwingungs- und Wellenbewegungen bilden da-
her allgemein die Ursache jener Qualitäten des Schalls, die wir als
Klänge bezeichnen. Aber nicht alle periodischen Bewegungen können
wir als Klänge empfinden: bei den Schwingungen eines Pendels, bei
den Wellen des Wassers folgen sich die Perioden zu langsam, bei
jenen Schwingungsbewegungen des Aethers, die wir als Wärme oder
Licht empfinden, folgen sich die Perioden zu schnell. Die Bewegung
muss also innerhalb gewisser Grenzen der Oscillationsgeschwindigkeit
eingeschlossen sein, um die Klangempfindung hervorzurufen.

Die hier angedeuteten Grenzen können leicht mittelst der im
§. 105 beschriebenen Sirene bestimmt werden. Ertheilt man näm-
lich der Scheibe S eine bekannte Umdrehungsgeschwindigkeit, so er-
gibt sich, wie wir gesehen haben, die Zahl der in einer gegebenen
Zeit erfolgenden Luftstösse, wenn man die Anzahl der Löcher mit der
Anzahl der Umdrehungen multiplicirt. Man braucht also, um die un-
tere und die obere Grenze der Klänge zu ermitteln, nur diejenige
Umdrehungsgeschwindigkeit zu bestimmen, bei der eben ein Ton ent-
steht, sowie diejenige, bei der eben der Ton verschwindet. Man
findet hierbei, dass etwa bei 16 Schwingungen in der Secunde die
Tonempfindung beginnt, und dass bei höchstens 38000 Schwingungen
in der Secunde die Tonempfindung aufhört. Eine deutliche Unter-
scheidung der Tonhöhen ist jedoch nur ungefähr zwischen 40 und

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[155/0177] Entstehung und Ausbreitung des Schalls. räumen angebracht ist, so haben doch immer zwei dieser Löcher, z. B. a' und b' ein bestimmtes Lageverhältniss zu einander. Zwei in ge- gebener Zeit auf einander folgende Luftstösse bilden aber schon den Anfang eines Klangs von bestimmter Tonhöhe. Wenn wir also hin- zunehmen, dass im Geräusch, was auch die Erfahrung bestätigt, die Klänge sehr rasch successiv wechseln können, so ist das Geräusch geradezu als eine Summe sich störender Klänge zu definiren. Anlass zur Entstehung musikalischer Klänge ist in der Natur sehr vielfach gegeben. Denn da jeder Klang in periodischen Er- schütterungen der Luft besteht, so wird jede regelmässige Schwin- gungsbewegung eines Körpers, die der Luft und durch die letztere unserm Gehör sich mittheilt, vorausgesetzt dass sie die geeignete In- tensität und Geschwindigkeit besitzt, von uns als Klang empfunden werden. Nun sind, wie wir im 1. Abschnitt (§. 34 und 36) gesehen haben, regelmässige Schwingungsbewegungen eine sehr häufige Er- scheinung. Jeder Körper, der durch eine äussere Kraft aus seiner ursprünglichen Lage, in der er sich durch andere Kräfte zu erhalten strebt, entfernt wird, schwingt um diese Lage in regelmässigen Pe- rioden; sind es die einzelnen Theilchen eines Körpers, die successiv solche Schwingungen ausführen, so entstehen die früher erörterten Wellenbewegungen. Schwingungs- und Wellenbewegungen bilden da- her allgemein die Ursache jener Qualitäten des Schalls, die wir als Klänge bezeichnen. Aber nicht alle periodischen Bewegungen können wir als Klänge empfinden: bei den Schwingungen eines Pendels, bei den Wellen des Wassers folgen sich die Perioden zu langsam, bei jenen Schwingungsbewegungen des Aethers, die wir als Wärme oder Licht empfinden, folgen sich die Perioden zu schnell. Die Bewegung muss also innerhalb gewisser Grenzen der Oscillationsgeschwindigkeit eingeschlossen sein, um die Klangempfindung hervorzurufen. 107 Geschwindig- keit der Schall- schwingungen. Die hier angedeuteten Grenzen können leicht mittelst der im §. 105 beschriebenen Sirene bestimmt werden. Ertheilt man näm- lich der Scheibe S eine bekannte Umdrehungsgeschwindigkeit, so er- gibt sich, wie wir gesehen haben, die Zahl der in einer gegebenen Zeit erfolgenden Luftstösse, wenn man die Anzahl der Löcher mit der Anzahl der Umdrehungen multiplicirt. Man braucht also, um die un- tere und die obere Grenze der Klänge zu ermitteln, nur diejenige Umdrehungsgeschwindigkeit zu bestimmen, bei der eben ein Ton ent- steht, sowie diejenige, bei der eben der Ton verschwindet. Man findet hierbei, dass etwa bei 16 Schwingungen in der Secunde die Tonempfindung beginnt, und dass bei höchstens 38000 Schwingungen in der Secunde die Tonempfindung aufhört. Eine deutliche Unter- scheidung der Tonhöhen ist jedoch nur ungefähr zwischen 40 und

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/177>, abgerufen am 04.12.2024.