Abnahmen der Klangintensität u. s. w. Zusammenklingende Töne bilden demnach ebenso viele Schwebungen mit einander, als der Unterschied ihrer Schwingungszahlen beträgt. Bei einfachen Tönen (von Stimmgabeln oder gedeckten Pfeifen) verschwindet der Ton während des Zusammentreffens von Wellenberg und Wellenthal vollständig. Bei zusammengesetzten Klän- gen treten während der Pausen die Obertöne hervor, der Ton schlägt daher hier in seine Octave um. Uebrigens bilden auch die Obertöne Schwebungen mit einander, und zwar kommen, wie sich leicht aus den Schwingungszahlen der Obertöne ergiebt, auf jede Schwebung des Grundtons zwei Schwebungen des ersten Obertons, drei Schwe- bungen des zweiten u. s. w.
Man kann die Schwebungen nicht bloss subjectiv, durch die Un- terbrechungen des Klangs, wahrnehmen, sondern sie auch objectiv wahrnehmbar machen, indem man die Klänge auf einen mitschwin- genden Körper einwirken lässt, dessen Grundton beiden Klängen nahe genug liegt, um durch sie in Mitschwingen versetzt zu werden. Lässt man z. B. die Klänge gegen eine Saite wirken, deren Schwingungen durch ein aufgesetztes Holzsplitterchen deutlich gemacht werden, so sieht man die Excursionen der Saite abwechselnd stärker und schwä- cher werden.
Indem mit zunehmendem Unterschied der Schwingungszahlen die Schwebungen rascher auf einander folgen, nehmen die zusammen- klingenden Töne mehr und mehr den Charakter der Dissonanz an. Wenige Schwebungen in der Secunde bringen ein Tremuliren des Tons hervor, das unter Umständen sogar von musikalischem Effecte sein kann; wächst dagegen die Zahl der Schwebungen auf 20--30, so wird die Störung das Zusammenklangs empfindlicher. Ein schnell schwebender Zusammenklang wird knarrend, ähnlich dem Buchstaben R. Wächst jedoch die Zahl der Schwebungen noch weiter, ungefähr bis über 130 in der Secunde, so werden die Intermissionen des Tons zu rasch, um noch unterschieden werden zu können. Doch ist es nicht die grosse Zahl der Schwebungen allein, wodurch dieselben un- hörbar werden, sondern auch die Grösse des Intervalls hat hier- auf einen wesentlichen Einfluss. So bilden z. B. das Halbtonintervall h" c''' und das Intervall des ganzen Tons b' c" beide 66 Schwebun- gen, trotzdem ist dort die Dissonanz viel empfindlicher als hier. Die Dissonanz nimmt also bei gleichbleibender Anzahl der Schwebungen ab mit der Grösse des Intervalls. Es erklärt sich dies aus den Er- scheinungen des Mitschwingens. Unser Ohr empfindet die Töne durch mitschwingende Theile, die mit den Nervenfasern in Verbindung ste- hen. Schwebungen empfinden wir nun ohne Zweifel dann, wenn die mitschwingenden Theile in unserm Gehörorgan sich ähnlich verhalten wie z. B. eine mitschwingende Saite, an der wir durch die abwech-
Von dem Schall.
Abnahmen der Klangintensität u. s. w. Zusammenklingende Töne bilden demnach ebenso viele Schwebungen mit einander, als der Unterschied ihrer Schwingungszahlen beträgt. Bei einfachen Tönen (von Stimmgabeln oder gedeckten Pfeifen) verschwindet der Ton während des Zusammentreffens von Wellenberg und Wellenthal vollständig. Bei zusammengesetzten Klän- gen treten während der Pausen die Obertöne hervor, der Ton schlägt daher hier in seine Octave um. Uebrigens bilden auch die Obertöne Schwebungen mit einander, und zwar kommen, wie sich leicht aus den Schwingungszahlen der Obertöne ergiebt, auf jede Schwebung des Grundtons zwei Schwebungen des ersten Obertons, drei Schwe- bungen des zweiten u. s. w.
Man kann die Schwebungen nicht bloss subjectiv, durch die Un- terbrechungen des Klangs, wahrnehmen, sondern sie auch objectiv wahrnehmbar machen, indem man die Klänge auf einen mitschwin- genden Körper einwirken lässt, dessen Grundton beiden Klängen nahe genug liegt, um durch sie in Mitschwingen versetzt zu werden. Lässt man z. B. die Klänge gegen eine Saite wirken, deren Schwingungen durch ein aufgesetztes Holzsplitterchen deutlich gemacht werden, so sieht man die Excursionen der Saite abwechselnd stärker und schwä- cher werden.
Indem mit zunehmendem Unterschied der Schwingungszahlen die Schwebungen rascher auf einander folgen, nehmen die zusammen- klingenden Töne mehr und mehr den Charakter der Dissonanz an. Wenige Schwebungen in der Secunde bringen ein Tremuliren des Tons hervor, das unter Umständen sogar von musikalischem Effecte sein kann; wächst dagegen die Zahl der Schwebungen auf 20—30, so wird die Störung das Zusammenklangs empfindlicher. Ein schnell schwebender Zusammenklang wird knarrend, ähnlich dem Buchstaben R. Wächst jedoch die Zahl der Schwebungen noch weiter, ungefähr bis über 130 in der Secunde, so werden die Intermissionen des Tons zu rasch, um noch unterschieden werden zu können. Doch ist es nicht die grosse Zahl der Schwebungen allein, wodurch dieselben un- hörbar werden, sondern auch die Grösse des Intervalls hat hier- auf einen wesentlichen Einfluss. So bilden z. B. das Halbtonintervall h″ c‴ und das Intervall des ganzen Tons b' c″ beide 66 Schwebun- gen, trotzdem ist dort die Dissonanz viel empfindlicher als hier. Die Dissonanz nimmt also bei gleichbleibender Anzahl der Schwebungen ab mit der Grösse des Intervalls. Es erklärt sich dies aus den Er- scheinungen des Mitschwingens. Unser Ohr empfindet die Töne durch mitschwingende Theile, die mit den Nervenfasern in Verbindung ste- hen. Schwebungen empfinden wir nun ohne Zweifel dann, wenn die mitschwingenden Theile in unserm Gehörorgan sich ähnlich verhalten wie z. B. eine mitschwingende Saite, an der wir durch die abwech-
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Von dem Schall.
Abnahmen der Klangintensität u. s. w. Zusammenklingende
Töne bilden demnach ebenso viele Schwebungen mit
einander, als der Unterschied ihrer Schwingungszahlen
beträgt. Bei einfachen Tönen (von Stimmgabeln oder gedeckten
Pfeifen) verschwindet der Ton während des Zusammentreffens von
Wellenberg und Wellenthal vollständig. Bei zusammengesetzten Klän-
gen treten während der Pausen die Obertöne hervor, der Ton schlägt
daher hier in seine Octave um. Uebrigens bilden auch die Obertöne
Schwebungen mit einander, und zwar kommen, wie sich leicht aus
den Schwingungszahlen der Obertöne ergiebt, auf jede Schwebung
des Grundtons zwei Schwebungen des ersten Obertons, drei Schwe-
bungen des zweiten u. s. w.
Man kann die Schwebungen nicht bloss subjectiv, durch die Un-
terbrechungen des Klangs, wahrnehmen, sondern sie auch objectiv
wahrnehmbar machen, indem man die Klänge auf einen mitschwin-
genden Körper einwirken lässt, dessen Grundton beiden Klängen nahe
genug liegt, um durch sie in Mitschwingen versetzt zu werden. Lässt
man z. B. die Klänge gegen eine Saite wirken, deren Schwingungen
durch ein aufgesetztes Holzsplitterchen deutlich gemacht werden, so
sieht man die Excursionen der Saite abwechselnd stärker und schwä-
cher werden.
Indem mit zunehmendem Unterschied der Schwingungszahlen die
Schwebungen rascher auf einander folgen, nehmen die zusammen-
klingenden Töne mehr und mehr den Charakter der Dissonanz an.
Wenige Schwebungen in der Secunde bringen ein Tremuliren des
Tons hervor, das unter Umständen sogar von musikalischem Effecte
sein kann; wächst dagegen die Zahl der Schwebungen auf 20—30,
so wird die Störung das Zusammenklangs empfindlicher. Ein schnell
schwebender Zusammenklang wird knarrend, ähnlich dem Buchstaben
R. Wächst jedoch die Zahl der Schwebungen noch weiter, ungefähr
bis über 130 in der Secunde, so werden die Intermissionen des Tons
zu rasch, um noch unterschieden werden zu können. Doch ist es
nicht die grosse Zahl der Schwebungen allein, wodurch dieselben un-
hörbar werden, sondern auch die Grösse des Intervalls hat hier-
auf einen wesentlichen Einfluss. So bilden z. B. das Halbtonintervall
h″ c‴ und das Intervall des ganzen Tons b' c″ beide 66 Schwebun-
gen, trotzdem ist dort die Dissonanz viel empfindlicher als hier. Die
Dissonanz nimmt also bei gleichbleibender Anzahl der Schwebungen
ab mit der Grösse des Intervalls. Es erklärt sich dies aus den Er-
scheinungen des Mitschwingens. Unser Ohr empfindet die Töne durch
mitschwingende Theile, die mit den Nervenfasern in Verbindung ste-
hen. Schwebungen empfinden wir nun ohne Zweifel dann, wenn die
mitschwingenden Theile in unserm Gehörorgan sich ähnlich verhalten
wie z. B. eine mitschwingende Saite, an der wir durch die abwech-
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/196>, abgerufen am 04.12.2024.
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