H' und H". H' und H" sind somit die Hauptebenen des Systems, und die Punkte h' und h", wo dieselben von der Axe durchschnitten werden, sind die Hauptpunkte.
181 Veränderung der Brennwei- ten bei der Accomodation. Maass der diop- trischen Zu- stände des Auges.
Der hintere Brennpunkt des normalen Auges fällt in die Netz- haut. Das Auge besitzt aber die Fähigkeit, bei der Accomodation die Krümmung der Krystalllinse, namentlich an ihrer Vorderfläche, zu verstärken. Dadurch müssen beide Brennweiten kleiner werden. Pa- rallel auf die Hornhaut fallende Strahlen vereinigen sich daher jetzt nicht mehr in der Netzhaut sondern vor derselben, und in der Netz- haut kommt divergirendes Licht zur Vereinigung. Indem ein nor- males Auge auf diese Weise die Lage jedes Brennpunktes ungefähr um 2 Mm. verschiebt, also beide Brennweiten zusammen um 4 Mm. verkürzt, ist es im Stande auf der Netzhaut abwechselnd Strahlen zur Vereinigung zu bringen, welche aus unendlicher Ferne, und welche aus 4--5 Zoll Entfernung kommen.
Von dieser Norm giebt es jedoch vielfache Ausnahmen. Ent- weder kann der hintere Brennpunkt vor die Netzhaut fallen, dann ist das Auge kurzsichtig (myopisch), oder er kann hinter die Netz- haut fallen, dann ist es übersichtig (hyperopisch). Es kann ferner zwar die Brennweite für parallele Strahlen normal, aber die Accomo- dationsfähigkeit verringert sein, so dass erheblich divergirende Strah- len nicht vereinigt werden können, und endlich kann diese Verrin- gerung der Accomodationsfähigkeit mit den verschiedenen Graden von Kurz- oder Uebersichtigkeit combinirt sein.
In der normalen Accomodation besteht ein Hauptwerth der opti- schen Leistungen des Auges. Um verschiedene Augen in Bezug auf ihre Leistungen vergleichen zu können, ist es daher wünschenswerth ein Maass für das normale Verhalten der Accomodation und für die Abweichungen von demselben zu besitzen. Nun lassen sich die sämmt- lichen hierher gehörigen Unterschiede in dem optischen Verhalten der Augen zurückführen 1) auf die verschiedene Lage der Brennpunkte und 2) auf die verschiedene Accomodationsbreite. Wir be- zeichnen dasjenige Auge, dessen hinterer Brennpunkt in die Netz- haut fällt, als emmetropisches Auge (emmetros, modum tenens). Bei dem emmetropischen Auge kann die Fähigkeit den Brennpunkt mehr oder weniger weit zu verschieben noch eine sehr verschiedene sein. Je weiter durch stärkere Linsenkrümmung der hintere Brennpunkt nach vorn gerückt werden kann, um so grösser ist die Accomodations- breite des Auges. Dieselbe Wirkung, welche die stärkere Linsen- krümmung hervorbringt, würde man aber auch bei völliger Unverän- derlichkeit der brechenden Medien durch Vorsetzen einer Convexlinse erzeugen können. Brächte man successiv, den verschiedenen Graden der Accomodation entsprechend, verschiedene Linsengläser vor das Auge, so würde diejenige Convexlinse, die dem höchsten Accomoda-
Von dem Lichte.
H' und H″. H' und H″ sind somit die Hauptebenen des Systems, und die Punkte h' und h″, wo dieselben von der Axe durchschnitten werden, sind die Hauptpunkte.
181 Veränderung der Brennwei- ten bei der Accomodation. Maass der diop- trischen Zu- stände des Auges.
Der hintere Brennpunkt des normalen Auges fällt in die Netz- haut. Das Auge besitzt aber die Fähigkeit, bei der Accomodation die Krümmung der Krystalllinse, namentlich an ihrer Vorderfläche, zu verstärken. Dadurch müssen beide Brennweiten kleiner werden. Pa- rallel auf die Hornhaut fallende Strahlen vereinigen sich daher jetzt nicht mehr in der Netzhaut sondern vor derselben, und in der Netz- haut kommt divergirendes Licht zur Vereinigung. Indem ein nor- males Auge auf diese Weise die Lage jedes Brennpunktes ungefähr um 2 Mm. verschiebt, also beide Brennweiten zusammen um 4 Mm. verkürzt, ist es im Stande auf der Netzhaut abwechselnd Strahlen zur Vereinigung zu bringen, welche aus unendlicher Ferne, und welche aus 4—5 Zoll Entfernung kommen.
Von dieser Norm giebt es jedoch vielfache Ausnahmen. Ent- weder kann der hintere Brennpunkt vor die Netzhaut fallen, dann ist das Auge kurzsichtig (myopisch), oder er kann hinter die Netz- haut fallen, dann ist es übersichtig (hyperopisch). Es kann ferner zwar die Brennweite für parallele Strahlen normal, aber die Accomo- dationsfähigkeit verringert sein, so dass erheblich divergirende Strah- len nicht vereinigt werden können, und endlich kann diese Verrin- gerung der Accomodationsfähigkeit mit den verschiedenen Graden von Kurz- oder Uebersichtigkeit combinirt sein.
In der normalen Accomodation besteht ein Hauptwerth der opti- schen Leistungen des Auges. Um verschiedene Augen in Bezug auf ihre Leistungen vergleichen zu können, ist es daher wünschenswerth ein Maass für das normale Verhalten der Accomodation und für die Abweichungen von demselben zu besitzen. Nun lassen sich die sämmt- lichen hierher gehörigen Unterschiede in dem optischen Verhalten der Augen zurückführen 1) auf die verschiedene Lage der Brennpunkte und 2) auf die verschiedene Accomodationsbreite. Wir be- zeichnen dasjenige Auge, dessen hinterer Brennpunkt in die Netz- haut fällt, als emmetropisches Auge (ἔμμετρος, modum tenens). Bei dem emmetropischen Auge kann die Fähigkeit den Brennpunkt mehr oder weniger weit zu verschieben noch eine sehr verschiedene sein. Je weiter durch stärkere Linsenkrümmung der hintere Brennpunkt nach vorn gerückt werden kann, um so grösser ist die Accomodations- breite des Auges. Dieselbe Wirkung, welche die stärkere Linsen- krümmung hervorbringt, würde man aber auch bei völliger Unverän- derlichkeit der brechenden Medien durch Vorsetzen einer Convexlinse erzeugen können. Brächte man successiv, den verschiedenen Graden der Accomodation entsprechend, verschiedene Linsengläser vor das Auge, so würde diejenige Convexlinse, die dem höchsten Accomoda-
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Von dem Lichte.
H' und H″. H' und H″ sind somit die Hauptebenen des Systems, und die Punkte
h' und h″, wo dieselben von der Axe durchschnitten werden, sind die Hauptpunkte.
Der hintere Brennpunkt des normalen Auges fällt in die Netz-
haut. Das Auge besitzt aber die Fähigkeit, bei der Accomodation
die Krümmung der Krystalllinse, namentlich an ihrer Vorderfläche, zu
verstärken. Dadurch müssen beide Brennweiten kleiner werden. Pa-
rallel auf die Hornhaut fallende Strahlen vereinigen sich daher jetzt
nicht mehr in der Netzhaut sondern vor derselben, und in der Netz-
haut kommt divergirendes Licht zur Vereinigung. Indem ein nor-
males Auge auf diese Weise die Lage jedes Brennpunktes ungefähr
um 2 Mm. verschiebt, also beide Brennweiten zusammen um 4 Mm.
verkürzt, ist es im Stande auf der Netzhaut abwechselnd Strahlen
zur Vereinigung zu bringen, welche aus unendlicher Ferne, und welche
aus 4—5 Zoll Entfernung kommen.
Von dieser Norm giebt es jedoch vielfache Ausnahmen. Ent-
weder kann der hintere Brennpunkt vor die Netzhaut fallen, dann ist
das Auge kurzsichtig (myopisch), oder er kann hinter die Netz-
haut fallen, dann ist es übersichtig (hyperopisch). Es kann ferner
zwar die Brennweite für parallele Strahlen normal, aber die Accomo-
dationsfähigkeit verringert sein, so dass erheblich divergirende Strah-
len nicht vereinigt werden können, und endlich kann diese Verrin-
gerung der Accomodationsfähigkeit mit den verschiedenen Graden von
Kurz- oder Uebersichtigkeit combinirt sein.
In der normalen Accomodation besteht ein Hauptwerth der opti-
schen Leistungen des Auges. Um verschiedene Augen in Bezug auf
ihre Leistungen vergleichen zu können, ist es daher wünschenswerth
ein Maass für das normale Verhalten der Accomodation und für die
Abweichungen von demselben zu besitzen. Nun lassen sich die sämmt-
lichen hierher gehörigen Unterschiede in dem optischen Verhalten der
Augen zurückführen 1) auf die verschiedene Lage der Brennpunkte
und 2) auf die verschiedene Accomodationsbreite. Wir be-
zeichnen dasjenige Auge, dessen hinterer Brennpunkt in die Netz-
haut fällt, als emmetropisches Auge (ἔμμετρος, modum tenens). Bei
dem emmetropischen Auge kann die Fähigkeit den Brennpunkt mehr
oder weniger weit zu verschieben noch eine sehr verschiedene sein.
Je weiter durch stärkere Linsenkrümmung der hintere Brennpunkt
nach vorn gerückt werden kann, um so grösser ist die Accomodations-
breite des Auges. Dieselbe Wirkung, welche die stärkere Linsen-
krümmung hervorbringt, würde man aber auch bei völliger Unverän-
derlichkeit der brechenden Medien durch Vorsetzen einer Convexlinse
erzeugen können. Brächte man successiv, den verschiedenen Graden
der Accomodation entsprechend, verschiedene Linsengläser vor das
Auge, so würde diejenige Convexlinse, die dem höchsten Accomoda-
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/294>, abgerufen am 05.12.2024.
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