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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Das Mikroskop.

Eine weitere Vervollkommnung des Bildes erzielt man durch die186
Das achroma-
tische und apla-
natische Objec-
tivsystem.
Unter- und
überverbesserte
Systeme.

Anwendung achromatischer und aplanatischer Linsensysteme. Eine
einzige aplanatische Linsencombination würde für stärkere Vergrös-
serungen nicht ausreichen. Man fügt daher, wie wir dies in Fig. 129
für das Bildmikroskop andeuteten, mehrere solche Combinationen zu-
sammen, was nicht nur den Vortheil bietet, dass man hierdurch sehr
bedeutende Vergrösserungen erzielen kann, sondern auch, wie wir
schon §. 166 erwähnt haben, eine vollständigere Ausgleichung der sphä-
rischen und chromatischen Aberration ermöglicht als die Zusammen-
stellung einer einzigen Kron- und Flintglaslinse. Man begnügt sich
jedoch der Objectivlinse ein solches System zu substituiren. Für
das Ocular und Collectiv beschränkt man sich dagegen in der Regel
auf je eine einzige Convexlinse, da eine aplanatische Combination
hier wieder den Nachtheil zu geringer Vergrösserung mit sich brächte.
Man hat aber überdies in der Wahl des Objectivsystems ein Mittel,
der Abweichung, welche Ocular und Collectiv erzeugen, zuvorzukom-
men. Man stellt nämlich das Objectivsystem so her, dass eine ge-
wisse Abweichung bleibt, und wählt dann Ocular und Collectiv so,
dass sie zusammen die vom Objectivsystem herrührende Abweichung
aufheben. Denn es lässt sich leicht ein Linsensystem combiniren,
welches nicht mehr, wie die einfache Sammellinse, die Randstrahlen
stärker bricht als die mittleren, welches auch nicht, wie das vollkom-
men aplanatische System, alle Strahlen in einem Punkt sammelt,
sondern welches die Randstrahlen etwas schwächer bricht. Man nennt
dann ein solches Linsensystem ein überverbessertes. Dasselbe ist
daran zu erkennen, dass der Brennpunkt der Axenstrahlen, der bei
den gewöhnlichen Linsen von einem röthlichen Saume umgeben ist,
hier einen bläulichen Saum zeigt. Man nennt im Gegensatz hierzu
solche Systeme, bei welchen sich die Abweichung noch zum Theil im
ursprünglichen Sinne erhalten hat, unterverbesserte. Ocular und
Collectiv bilden zusammen ein solches unterverbessertes System. Hat
daher das Objectivsystem eine Ueberverbesserung von erforderlichem
Grade, so werden die Abweichungen vollkommen aufgehoben sein.
Es müssen somit Objectivsystem und Ocular einander angepasst wer-
den. Ein bestimmtes Objectivsystem giebt daher auch streng genom-
men immer nur bei einer ganz festen Entfernung von Objectiv-, Collec-
tiv- und Ocularlinse die geeignete Ueberverbesserung. Man lässt dess-
halb stets die Entfernung zwischen Collectiv- und Ocularlinse constant,
indem man beide in eine einzige Röhre fasst. Dagegen kann an den
meisten Mikroskopen die Entfernung dieser Ocularröhre von dem Ob-
jectivsystem innerhalb gewisser Grenzen verändert werden. Hierin
liegt ein Mittel zur Hervorbringung verschiedener Vergrösserungen.
Denn es ist klar, dass je grösser man die Entfernung zwischen L und
L" (Fig. 131) nimmt, um so grösser das Bild c d und daher auch e g

Das Mikroskop.

Eine weitere Vervollkommnung des Bildes erzielt man durch die186
Das achroma-
tische und apla-
natische Objec-
tivsystem.
Unter- und
überverbesserte
Systeme.

Anwendung achromatischer und aplanatischer Linsensysteme. Eine
einzige aplanatische Linsencombination würde für stärkere Vergrös-
serungen nicht ausreichen. Man fügt daher, wie wir dies in Fig. 129
für das Bildmikroskop andeuteten, mehrere solche Combinationen zu-
sammen, was nicht nur den Vortheil bietet, dass man hierdurch sehr
bedeutende Vergrösserungen erzielen kann, sondern auch, wie wir
schon §. 166 erwähnt haben, eine vollständigere Ausgleichung der sphä-
rischen und chromatischen Aberration ermöglicht als die Zusammen-
stellung einer einzigen Kron- und Flintglaslinse. Man begnügt sich
jedoch der Objectivlinse ein solches System zu substituiren. Für
das Ocular und Collectiv beschränkt man sich dagegen in der Regel
auf je eine einzige Convexlinse, da eine aplanatische Combination
hier wieder den Nachtheil zu geringer Vergrösserung mit sich brächte.
Man hat aber überdies in der Wahl des Objectivsystems ein Mittel,
der Abweichung, welche Ocular und Collectiv erzeugen, zuvorzukom-
men. Man stellt nämlich das Objectivsystem so her, dass eine ge-
wisse Abweichung bleibt, und wählt dann Ocular und Collectiv so,
dass sie zusammen die vom Objectivsystem herrührende Abweichung
aufheben. Denn es lässt sich leicht ein Linsensystem combiniren,
welches nicht mehr, wie die einfache Sammellinse, die Randstrahlen
stärker bricht als die mittleren, welches auch nicht, wie das vollkom-
men aplanatische System, alle Strahlen in einem Punkt sammelt,
sondern welches die Randstrahlen etwas schwächer bricht. Man nennt
dann ein solches Linsensystem ein überverbessertes. Dasselbe ist
daran zu erkennen, dass der Brennpunkt der Axenstrahlen, der bei
den gewöhnlichen Linsen von einem röthlichen Saume umgeben ist,
hier einen bläulichen Saum zeigt. Man nennt im Gegensatz hierzu
solche Systeme, bei welchen sich die Abweichung noch zum Theil im
ursprünglichen Sinne erhalten hat, unterverbesserte. Ocular und
Collectiv bilden zusammen ein solches unterverbessertes System. Hat
daher das Objectivsystem eine Ueberverbesserung von erforderlichem
Grade, so werden die Abweichungen vollkommen aufgehoben sein.
Es müssen somit Objectivsystem und Ocular einander angepasst wer-
den. Ein bestimmtes Objectivsystem giebt daher auch streng genom-
men immer nur bei einer ganz festen Entfernung von Objectiv-, Collec-
tiv- und Ocularlinse die geeignete Ueberverbesserung. Man lässt dess-
halb stets die Entfernung zwischen Collectiv- und Ocularlinse constant,
indem man beide in eine einzige Röhre fasst. Dagegen kann an den
meisten Mikroskopen die Entfernung dieser Ocularröhre von dem Ob-
jectivsystem innerhalb gewisser Grenzen verändert werden. Hierin
liegt ein Mittel zur Hervorbringung verschiedener Vergrösserungen.
Denn es ist klar, dass je grösser man die Entfernung zwischen L und
L″ (Fig. 131) nimmt, um so grösser das Bild c d und daher auch e g

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[283/0305] Das Mikroskop. Eine weitere Vervollkommnung des Bildes erzielt man durch die Anwendung achromatischer und aplanatischer Linsensysteme. Eine einzige aplanatische Linsencombination würde für stärkere Vergrös- serungen nicht ausreichen. Man fügt daher, wie wir dies in Fig. 129 für das Bildmikroskop andeuteten, mehrere solche Combinationen zu- sammen, was nicht nur den Vortheil bietet, dass man hierdurch sehr bedeutende Vergrösserungen erzielen kann, sondern auch, wie wir schon §. 166 erwähnt haben, eine vollständigere Ausgleichung der sphä- rischen und chromatischen Aberration ermöglicht als die Zusammen- stellung einer einzigen Kron- und Flintglaslinse. Man begnügt sich jedoch der Objectivlinse ein solches System zu substituiren. Für das Ocular und Collectiv beschränkt man sich dagegen in der Regel auf je eine einzige Convexlinse, da eine aplanatische Combination hier wieder den Nachtheil zu geringer Vergrösserung mit sich brächte. Man hat aber überdies in der Wahl des Objectivsystems ein Mittel, der Abweichung, welche Ocular und Collectiv erzeugen, zuvorzukom- men. Man stellt nämlich das Objectivsystem so her, dass eine ge- wisse Abweichung bleibt, und wählt dann Ocular und Collectiv so, dass sie zusammen die vom Objectivsystem herrührende Abweichung aufheben. Denn es lässt sich leicht ein Linsensystem combiniren, welches nicht mehr, wie die einfache Sammellinse, die Randstrahlen stärker bricht als die mittleren, welches auch nicht, wie das vollkom- men aplanatische System, alle Strahlen in einem Punkt sammelt, sondern welches die Randstrahlen etwas schwächer bricht. Man nennt dann ein solches Linsensystem ein überverbessertes. Dasselbe ist daran zu erkennen, dass der Brennpunkt der Axenstrahlen, der bei den gewöhnlichen Linsen von einem röthlichen Saume umgeben ist, hier einen bläulichen Saum zeigt. Man nennt im Gegensatz hierzu solche Systeme, bei welchen sich die Abweichung noch zum Theil im ursprünglichen Sinne erhalten hat, unterverbesserte. Ocular und Collectiv bilden zusammen ein solches unterverbessertes System. Hat daher das Objectivsystem eine Ueberverbesserung von erforderlichem Grade, so werden die Abweichungen vollkommen aufgehoben sein. Es müssen somit Objectivsystem und Ocular einander angepasst wer- den. Ein bestimmtes Objectivsystem giebt daher auch streng genom- men immer nur bei einer ganz festen Entfernung von Objectiv-, Collec- tiv- und Ocularlinse die geeignete Ueberverbesserung. Man lässt dess- halb stets die Entfernung zwischen Collectiv- und Ocularlinse constant, indem man beide in eine einzige Röhre fasst. Dagegen kann an den meisten Mikroskopen die Entfernung dieser Ocularröhre von dem Ob- jectivsystem innerhalb gewisser Grenzen verändert werden. Hierin liegt ein Mittel zur Hervorbringung verschiedener Vergrösserungen. Denn es ist klar, dass je grösser man die Entfernung zwischen L und L″ (Fig. 131) nimmt, um so grösser das Bild c d und daher auch e g 186 Das achroma- tische und apla- natische Objec- tivsystem. Unter- und überverbesserte Systeme.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/305>, abgerufen am 05.12.2024.