Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Lichte.
tenpaaren. Schwingt nämlich ein Aethertheilchen gleichzeitig in den
Kreisbahnen a c b d und a d b c, so heben die Componenten in der
Richtung c d gegenseitig sich auf, und es bleibt nur die Componente
in der Richtung a b übrig. Wenn nun eine lineare Schwingung nach
zwei Componentenpaaren zerlegt wird, so wird dies nur in derselben
Weise geschehen können, in der wir uns die lineare Schwingung
selbst schon als bestehend aus denselben denken können: d. h. die
Schwingung wird in zwei Circularschwingungen zerfallen. Die
den zwei zu einander geneigten Ellipsoiden angehörigen Circular-
schwingungen werden aber verschiedene Fortpflanzungsgeschwindig-
keiten besitzen: es werden also zwei Strahlen von verschiedener
Brechbarkeit auseinandertreten, deren jeder aus Circularschwingungen
besteht. Diese Voraussage wird vollständig durch die Beobachtung
bestätigt. Lässt man gewöhnliches Licht auf ein Prisma r aus Berg-
krystall (Fig. 182) fallen, das aussen von zwei Prismen l und l' von
[Abbildung] Fig. 182.
einer gleich brechbaren Substanz so eingefasst ist, dass die gewöhn-
liche Doppelbrechung nicht stattfinden kann, wenn ein Strahl a b
senkrecht zu l einfällt, so wird trotzdem der Strahl a b in dem Prisma
r in zwei Strahlen b c und b d zerlegt, an deren jedem sich die in
§. 218 geschilderten charakteristischen Erscheinungen der Circular-
polarisation nachweisen lassen. Man stellt die zu diesem Versuch er-
forderlichen Bedingungen am zweckmässigsten dadurch her, dass man
die Prismen l und l' aus linksdrehendem, das Prisma r aus rechts-
drehendem Quarze nimmt. Es pflanzen sich dann die beiden Circular-
wellen wegen der senkrechten Incidenz bis nach b ungebrochen fort,
bei b zerspalten sie sich in den stärker gebrochenen Strahl b d und
den schwächer gebrochenen b c; beide Ablenkungen werden an der
Begrenzungsfläche des Prismas l' verstärkt, weil die brechende Kante
dieses Prismas die entgegengesetzte Lage hat wie diejenige des
Prismas r.

Lassen wir nun das Licht senkrecht auf eine zu ihrer Hauptaxe
senkrecht durchschnittene Quarzplatte fallen, so werden wegen der
senkrechten Incidenz die beiden nach entgegengesetzter Richtung cir-
cular polarisirten Strahlen nicht auseinandertreten, aber der Unter-
schied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit beider Strahlen wird der
nämliche sein, wie er sich oben in der verschiedenen Brechbarkeit zu
erkennen gab: es wird also auch gemäss den allgemeinen Gesetzen

Von dem Lichte.
tenpaaren. Schwingt nämlich ein Aethertheilchen gleichzeitig in den
Kreisbahnen a c b d und a d b c, so heben die Componenten in der
Richtung c d gegenseitig sich auf, und es bleibt nur die Componente
in der Richtung a b übrig. Wenn nun eine lineare Schwingung nach
zwei Componentenpaaren zerlegt wird, so wird dies nur in derselben
Weise geschehen können, in der wir uns die lineare Schwingung
selbst schon als bestehend aus denselben denken können: d. h. die
Schwingung wird in zwei Circularschwingungen zerfallen. Die
den zwei zu einander geneigten Ellipsoiden angehörigen Circular-
schwingungen werden aber verschiedene Fortpflanzungsgeschwindig-
keiten besitzen: es werden also zwei Strahlen von verschiedener
Brechbarkeit auseinandertreten, deren jeder aus Circularschwingungen
besteht. Diese Voraussage wird vollständig durch die Beobachtung
bestätigt. Lässt man gewöhnliches Licht auf ein Prisma r aus Berg-
krystall (Fig. 182) fallen, das aussen von zwei Prismen l und l' von
[Abbildung] Fig. 182.
einer gleich brechbaren Substanz so eingefasst ist, dass die gewöhn-
liche Doppelbrechung nicht stattfinden kann, wenn ein Strahl a b
senkrecht zu l einfällt, so wird trotzdem der Strahl a b in dem Prisma
r in zwei Strahlen b c und b d zerlegt, an deren jedem sich die in
§. 218 geschilderten charakteristischen Erscheinungen der Circular-
polarisation nachweisen lassen. Man stellt die zu diesem Versuch er-
forderlichen Bedingungen am zweckmässigsten dadurch her, dass man
die Prismen l und l' aus linksdrehendem, das Prisma r aus rechts-
drehendem Quarze nimmt. Es pflanzen sich dann die beiden Circular-
wellen wegen der senkrechten Incidenz bis nach b ungebrochen fort,
bei b zerspalten sie sich in den stärker gebrochenen Strahl b d und
den schwächer gebrochenen b c; beide Ablenkungen werden an der
Begrenzungsfläche des Prismas l' verstärkt, weil die brechende Kante
dieses Prismas die entgegengesetzte Lage hat wie diejenige des
Prismas r.

Lassen wir nun das Licht senkrecht auf eine zu ihrer Hauptaxe
senkrecht durchschnittene Quarzplatte fallen, so werden wegen der
senkrechten Incidenz die beiden nach entgegengesetzter Richtung cir-
cular polarisirten Strahlen nicht auseinandertreten, aber der Unter-
schied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit beider Strahlen wird der
nämliche sein, wie er sich oben in der verschiedenen Brechbarkeit zu
erkennen gab: es wird also auch gemäss den allgemeinen Gesetzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0374" n="352"/><fw place="top" type="header">Von dem Lichte.</fw><lb/>
tenpaaren. Schwingt nämlich ein Aethertheilchen gleichzeitig in den<lb/>
Kreisbahnen a c b d und a d b c, so heben die Componenten in der<lb/>
Richtung c d gegenseitig sich auf, und es bleibt nur die Componente<lb/>
in der Richtung a b übrig. Wenn nun eine lineare Schwingung nach<lb/>
zwei Componentenpaaren zerlegt wird, so wird dies nur in derselben<lb/>
Weise geschehen können, in der wir uns die lineare Schwingung<lb/>
selbst schon als bestehend aus denselben denken können: d. h. die<lb/>
Schwingung wird in <hi rendition="#g">zwei Circularschwingungen</hi> zerfallen. Die<lb/>
den zwei zu einander geneigten Ellipsoiden angehörigen Circular-<lb/>
schwingungen werden aber verschiedene Fortpflanzungsgeschwindig-<lb/>
keiten besitzen: es werden also zwei Strahlen von verschiedener<lb/>
Brechbarkeit auseinandertreten, deren jeder aus Circularschwingungen<lb/>
besteht. Diese Voraussage wird vollständig durch die Beobachtung<lb/>
bestätigt. Lässt man gewöhnliches Licht auf ein Prisma r aus Berg-<lb/>
krystall (Fig. 182) fallen, das aussen von zwei Prismen l und l' von<lb/><figure><head>Fig. 182.</head></figure><lb/>
einer gleich brechbaren Substanz so eingefasst ist, dass die gewöhn-<lb/>
liche Doppelbrechung nicht stattfinden kann, wenn ein Strahl a b<lb/>
senkrecht zu l einfällt, so wird trotzdem der Strahl a b in dem Prisma<lb/>
r in zwei Strahlen b c und b d zerlegt, an deren jedem sich die in<lb/>
§. 218 geschilderten charakteristischen Erscheinungen der Circular-<lb/>
polarisation nachweisen lassen. Man stellt die zu diesem Versuch er-<lb/>
forderlichen Bedingungen am zweckmässigsten dadurch her, dass man<lb/>
die Prismen l und l' aus linksdrehendem, das Prisma r aus rechts-<lb/>
drehendem Quarze nimmt. Es pflanzen sich dann die beiden Circular-<lb/>
wellen wegen der senkrechten Incidenz bis nach b ungebrochen fort,<lb/>
bei b zerspalten sie sich in den stärker gebrochenen Strahl b d und<lb/>
den schwächer gebrochenen b c; beide Ablenkungen werden an der<lb/>
Begrenzungsfläche des Prismas l' verstärkt, weil die brechende Kante<lb/>
dieses Prismas die entgegengesetzte Lage hat wie diejenige des<lb/>
Prismas r.</p><lb/>
            <p>Lassen wir nun das Licht senkrecht auf eine zu ihrer Hauptaxe<lb/>
senkrecht durchschnittene Quarzplatte fallen, so werden wegen der<lb/>
senkrechten Incidenz die beiden nach entgegengesetzter Richtung cir-<lb/>
cular polarisirten Strahlen nicht auseinandertreten, aber der Unter-<lb/>
schied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit beider Strahlen wird der<lb/>
nämliche sein, wie er sich oben in der verschiedenen Brechbarkeit zu<lb/>
erkennen gab: es wird also auch gemäss den allgemeinen Gesetzen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[352/0374] Von dem Lichte. tenpaaren. Schwingt nämlich ein Aethertheilchen gleichzeitig in den Kreisbahnen a c b d und a d b c, so heben die Componenten in der Richtung c d gegenseitig sich auf, und es bleibt nur die Componente in der Richtung a b übrig. Wenn nun eine lineare Schwingung nach zwei Componentenpaaren zerlegt wird, so wird dies nur in derselben Weise geschehen können, in der wir uns die lineare Schwingung selbst schon als bestehend aus denselben denken können: d. h. die Schwingung wird in zwei Circularschwingungen zerfallen. Die den zwei zu einander geneigten Ellipsoiden angehörigen Circular- schwingungen werden aber verschiedene Fortpflanzungsgeschwindig- keiten besitzen: es werden also zwei Strahlen von verschiedener Brechbarkeit auseinandertreten, deren jeder aus Circularschwingungen besteht. Diese Voraussage wird vollständig durch die Beobachtung bestätigt. Lässt man gewöhnliches Licht auf ein Prisma r aus Berg- krystall (Fig. 182) fallen, das aussen von zwei Prismen l und l' von [Abbildung Fig. 182.] einer gleich brechbaren Substanz so eingefasst ist, dass die gewöhn- liche Doppelbrechung nicht stattfinden kann, wenn ein Strahl a b senkrecht zu l einfällt, so wird trotzdem der Strahl a b in dem Prisma r in zwei Strahlen b c und b d zerlegt, an deren jedem sich die in §. 218 geschilderten charakteristischen Erscheinungen der Circular- polarisation nachweisen lassen. Man stellt die zu diesem Versuch er- forderlichen Bedingungen am zweckmässigsten dadurch her, dass man die Prismen l und l' aus linksdrehendem, das Prisma r aus rechts- drehendem Quarze nimmt. Es pflanzen sich dann die beiden Circular- wellen wegen der senkrechten Incidenz bis nach b ungebrochen fort, bei b zerspalten sie sich in den stärker gebrochenen Strahl b d und den schwächer gebrochenen b c; beide Ablenkungen werden an der Begrenzungsfläche des Prismas l' verstärkt, weil die brechende Kante dieses Prismas die entgegengesetzte Lage hat wie diejenige des Prismas r. Lassen wir nun das Licht senkrecht auf eine zu ihrer Hauptaxe senkrecht durchschnittene Quarzplatte fallen, so werden wegen der senkrechten Incidenz die beiden nach entgegengesetzter Richtung cir- cular polarisirten Strahlen nicht auseinandertreten, aber der Unter- schied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit beider Strahlen wird der nämliche sein, wie er sich oben in der verschiedenen Brechbarkeit zu erkennen gab: es wird also auch gemäss den allgemeinen Gesetzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/374
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/374>, abgerufen am 05.12.2024.