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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Von der Wärme.
Celsius'sche oder 100 theilige Thermometer ist das für wissenschaft-
liche Untersuchungen gebräuchlichste. Ausser ihm ist auf dem Conti-
nent noch das Reaumur'sche, bei welchem die Scala vom Gefrier- bis
zum Siedepunkt in 80 gleiche Theile getheilt wird, und in England
das Fahrenheit'sche Thermometer im Gebrauch, bei welchem letzteren
der Gefrierpunkt mit 32 und der Siedepunkt mit 212 bezeichnet, so-
mit die Länge zwischen Gefrier- und Siedepunkt in 180 gleiche Theile
getheilt ist. Man hat also 1°C = 0,°8 R = 1,°8 F. Zugleich hat
man aber, wenn die Fahrenheit'sche Scala in eine der beiden andern
übertragen werden soll, 32 von der gegebenen Zahl zu subtrabiren.
x° R sind daher = 5/4x C, und x° F = 5/9 (x--32) C.

Jedes auf die angegebene Weise angefertigte Thermometer ist
durchaus unabhängig von dem Volum des Gefässes und der Weite
der Röhre. Denn ein Temperaturunterschied von 1°C. z. B. bezeichnet
lediglich eine solche Differenz der Temperatur, die eine Volumverän-
derung des Quecksilbers bewirkt, welche dem hundertsten Theil derje-
nigen gleich ist, die das Quecksilber beim Uebergang von der Tempe-
ratur des schmelzenden Eises zu der des siedenden Wassers erfährt.
Man kann aber, nachdem einmal am Gefrier- und Siedepunkt die fe-
sten Haltpunkte für die Theilung gewonnen sind, diese selbstverständ-
lich sowohl über den letzteren wie unter den ersteren fortsetzen; man
giebt hierbei den Temperaturen unter dem Nullpunkt das negative,
denjenigen über dem Nullpunkt das positive Vorzeichen. Diese Ein-
theilung findet nur bei den dem Gefrier- und Siedepunkt des Queck-
silbers sich nähernden Temperaturen ihre Grenze. Der Gefrierpunkt
des Quecksilbers liegt aber bei -- 39,5°, sein Siedepunkt bei + 360°C.
Wo eine zu messende Temperatur einmal diesen Grenzpunkten nahe
kommt, ist das Quecksilberthermometer nicht mehr zu gebrauchen;
man muss es dann durch ein mit Alkohol gefülltes oder durch das
Luftthermometer ersetzen. (S. §. 245).

Die beschriebene Eintheilung des Thermometers setzt voraus, dass die Röhre
desselben vollkommen cylindrisch sei. Denn nur dann entspricht jedem einzelnen
Grad dieselbe Volumänderung des Quecksilbers. Wo es sich um sehr genaue Tempe-
raturmessungen handelt muss man prüfen, ob die Röhre wirklich eine vollkommen
cylindrische Form hat und, falls letzteres nicht der Fall sein sollte, muss man die
Abweichung von der cylindrischen Form in Rechnung ziehen. Man bewerkstelligt
diese Prüfung dadurch, dass man einen Quecksilberfaden von bestimmter Länge all-
mälig durch die ganze Röhre bewegt. Ist die Röhre genau cylindrisch, so muss der
Faden überall genau gleich viele Theilstriche einnehmen. Ist dies nicht der Fall, so
notirt man die Länge des Quecksilberfadens an den verschiedenen Stellen der Röhre.
Diese Prüfung lässt sich noch an dem fertigen Thermometer vornehmen, indem man
die Kugel durch Eintauchen in schmelzendes Eis erkältet, und dagegen die Röhre et-
was erwärmt, worauf beim Schütteln der letzteren gewöhnlich dicht über der Kugel
der Quecksilberfaden sich trennt.

Bei jedem Quecksilberthermometer muss die Grösse der Kugel zu dem Lumen

Von der Wärme.
Celsius’sche oder 100 theilige Thermometer ist das für wissenschaft-
liche Untersuchungen gebräuchlichste. Ausser ihm ist auf dem Conti-
nent noch das Réaumur’sche, bei welchem die Scala vom Gefrier- bis
zum Siedepunkt in 80 gleiche Theile getheilt wird, und in England
das Fahrenheit’sche Thermometer im Gebrauch, bei welchem letzteren
der Gefrierpunkt mit 32 und der Siedepunkt mit 212 bezeichnet, so-
mit die Länge zwischen Gefrier- und Siedepunkt in 180 gleiche Theile
getheilt ist. Man hat also 1°C = 0,°8 R = 1,°8 F. Zugleich hat
man aber, wenn die Fahrenheit’sche Scala in eine der beiden andern
übertragen werden soll, 32 von der gegebenen Zahl zu subtrabiren.
x° R sind daher = 5/4x C, und x° F = 5/9 (x—32) C.

Jedes auf die angegebene Weise angefertigte Thermometer ist
durchaus unabhängig von dem Volum des Gefässes und der Weite
der Röhre. Denn ein Temperaturunterschied von 1°C. z. B. bezeichnet
lediglich eine solche Differenz der Temperatur, die eine Volumverän-
derung des Quecksilbers bewirkt, welche dem hundertsten Theil derje-
nigen gleich ist, die das Quecksilber beim Uebergang von der Tempe-
ratur des schmelzenden Eises zu der des siedenden Wassers erfährt.
Man kann aber, nachdem einmal am Gefrier- und Siedepunkt die fe-
sten Haltpunkte für die Theilung gewonnen sind, diese selbstverständ-
lich sowohl über den letzteren wie unter den ersteren fortsetzen; man
giebt hierbei den Temperaturen unter dem Nullpunkt das negative,
denjenigen über dem Nullpunkt das positive Vorzeichen. Diese Ein-
theilung findet nur bei den dem Gefrier- und Siedepunkt des Queck-
silbers sich nähernden Temperaturen ihre Grenze. Der Gefrierpunkt
des Quecksilbers liegt aber bei — 39,5°, sein Siedepunkt bei + 360°C.
Wo eine zu messende Temperatur einmal diesen Grenzpunkten nahe
kommt, ist das Quecksilberthermometer nicht mehr zu gebrauchen;
man muss es dann durch ein mit Alkohol gefülltes oder durch das
Luftthermometer ersetzen. (S. §. 245).

Die beschriebene Eintheilung des Thermometers setzt voraus, dass die Röhre
desselben vollkommen cylindrisch sei. Denn nur dann entspricht jedem einzelnen
Grad dieselbe Volumänderung des Quecksilbers. Wo es sich um sehr genaue Tempe-
raturmessungen handelt muss man prüfen, ob die Röhre wirklich eine vollkommen
cylindrische Form hat und, falls letzteres nicht der Fall sein sollte, muss man die
Abweichung von der cylindrischen Form in Rechnung ziehen. Man bewerkstelligt
diese Prüfung dadurch, dass man einen Quecksilberfaden von bestimmter Länge all-
mälig durch die ganze Röhre bewegt. Ist die Röhre genau cylindrisch, so muss der
Faden überall genau gleich viele Theilstriche einnehmen. Ist dies nicht der Fall, so
notirt man die Länge des Quecksilberfadens an den verschiedenen Stellen der Röhre.
Diese Prüfung lässt sich noch an dem fertigen Thermometer vornehmen, indem man
die Kugel durch Eintauchen in schmelzendes Eis erkältet, und dagegen die Röhre et-
was erwärmt, worauf beim Schütteln der letzteren gewöhnlich dicht über der Kugel
der Quecksilberfaden sich trennt.

Bei jedem Quecksilberthermometer muss die Grösse der Kugel zu dem Lumen

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[366/0388] Von der Wärme. Celsius’sche oder 100 theilige Thermometer ist das für wissenschaft- liche Untersuchungen gebräuchlichste. Ausser ihm ist auf dem Conti- nent noch das Réaumur’sche, bei welchem die Scala vom Gefrier- bis zum Siedepunkt in 80 gleiche Theile getheilt wird, und in England das Fahrenheit’sche Thermometer im Gebrauch, bei welchem letzteren der Gefrierpunkt mit 32 und der Siedepunkt mit 212 bezeichnet, so- mit die Länge zwischen Gefrier- und Siedepunkt in 180 gleiche Theile getheilt ist. Man hat also 1°C = 0,°8 R = 1,°8 F. Zugleich hat man aber, wenn die Fahrenheit’sche Scala in eine der beiden andern übertragen werden soll, 32 von der gegebenen Zahl zu subtrabiren. x° R sind daher = 5/4x C, und x° F = 5/9 (x—32) C. Jedes auf die angegebene Weise angefertigte Thermometer ist durchaus unabhängig von dem Volum des Gefässes und der Weite der Röhre. Denn ein Temperaturunterschied von 1°C. z. B. bezeichnet lediglich eine solche Differenz der Temperatur, die eine Volumverän- derung des Quecksilbers bewirkt, welche dem hundertsten Theil derje- nigen gleich ist, die das Quecksilber beim Uebergang von der Tempe- ratur des schmelzenden Eises zu der des siedenden Wassers erfährt. Man kann aber, nachdem einmal am Gefrier- und Siedepunkt die fe- sten Haltpunkte für die Theilung gewonnen sind, diese selbstverständ- lich sowohl über den letzteren wie unter den ersteren fortsetzen; man giebt hierbei den Temperaturen unter dem Nullpunkt das negative, denjenigen über dem Nullpunkt das positive Vorzeichen. Diese Ein- theilung findet nur bei den dem Gefrier- und Siedepunkt des Queck- silbers sich nähernden Temperaturen ihre Grenze. Der Gefrierpunkt des Quecksilbers liegt aber bei — 39,5°, sein Siedepunkt bei + 360°C. Wo eine zu messende Temperatur einmal diesen Grenzpunkten nahe kommt, ist das Quecksilberthermometer nicht mehr zu gebrauchen; man muss es dann durch ein mit Alkohol gefülltes oder durch das Luftthermometer ersetzen. (S. §. 245). Die beschriebene Eintheilung des Thermometers setzt voraus, dass die Röhre desselben vollkommen cylindrisch sei. Denn nur dann entspricht jedem einzelnen Grad dieselbe Volumänderung des Quecksilbers. Wo es sich um sehr genaue Tempe- raturmessungen handelt muss man prüfen, ob die Röhre wirklich eine vollkommen cylindrische Form hat und, falls letzteres nicht der Fall sein sollte, muss man die Abweichung von der cylindrischen Form in Rechnung ziehen. Man bewerkstelligt diese Prüfung dadurch, dass man einen Quecksilberfaden von bestimmter Länge all- mälig durch die ganze Röhre bewegt. Ist die Röhre genau cylindrisch, so muss der Faden überall genau gleich viele Theilstriche einnehmen. Ist dies nicht der Fall, so notirt man die Länge des Quecksilberfadens an den verschiedenen Stellen der Röhre. Diese Prüfung lässt sich noch an dem fertigen Thermometer vornehmen, indem man die Kugel durch Eintauchen in schmelzendes Eis erkältet, und dagegen die Röhre et- was erwärmt, worauf beim Schütteln der letzteren gewöhnlich dicht über der Kugel der Quecksilberfaden sich trennt. Bei jedem Quecksilberthermometer muss die Grösse der Kugel zu dem Lumen

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/388>, abgerufen am 05.12.2024.