bare Uebertragung der letzteren von Theilchen zu Theilchen wäre die Wärmeleitung zurückzuführen. Uebrigens ist es für die Theorie der Wärmeerscheinungen gleichgültig, ob man sich in der eben angedeu- teten Weise oder irgendwie anders die in den Körpern vorhandene Wärme vorstellt: es genügt im Allgemeinen festzuhalten, dass die Wärme eine Bewegung ist, deren Intensität zu- und abnehmen und darnach den fühlbaren Wärmezustand eines Körpers, seine Tempera- tur, verändern kann.
In jedem Körper findet sich eine gewisse Menge mechanischer Arbeit in der Gestalt von Wärmebewegung angehäuft; die gesammte lebendige Kraft dieser Arbeit wird (nach §. 25) durch die halbe Summe der Producte der Massen aller Molecüle in die Quadrate ihrer Ge- schwindigkeit ausgedrückt. Man ist übereingekommen alle in den Körpern vorhandene Arbeit, die sich als fühlbare Wärme äussert, mit dem Namen der "Schwingungsarbeit" zu bezeichnen. In der Zu- nahme oder Verminderung dieser Schwingungsarbeit besteht das fühl- bare Erwärmen oder Erkalten eines Körpers. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass jede Wärmezufuhr auch eine Zunahme der Schwin- gungsarbeit bedingen müsse. Vielmehr wird, wenn durch die Zufuhr der Wärme die gegenseitige Lage der Molecüle bleibend verändert wird, hierzu entweder ein bestimmter Aufwand von Arbeit erforder- lich sein, der nun als Spannkraft in dem Körper vorhanden bleibt, oder es wird dabei eine gewisse Menge von Arbeit frei, die zuvor als Spannkraft in dem Körper war. Wird die mittlere Distanz der Mole- cüle vergrössert, wie dies bei der Ueberführung in einen weniger dich- ten Aggregatzustand und bei der Volumvergrösserung der Körper stattfindet, so wird hierzu, ähnlich wie zur Erhebung eines Gewichtes in eine bestimmte Höhe, Arbeit verbraucht; wird dagegen die mittlere Distanz vermindert (bei der Ueberführung in einen dichteren Aggre- gatzustand und der Volumverminderung), so wird umgekehrt, ähnlich wie beim Herabfallen des Gewichtes, Arbeit frei. Diese Arbeit nun, welche zur Distanzveränderung der Molecüle verbraucht wird oder bei ihr zum Vorschein kommt, bezeichnet man als "Disgregations- arbeit." Geht eine gewisse Menge von Schwingungsarbeit in Dis- gregationsarbeit über, so sagen wir, es werde Wärme latent; verwan- delt sich hingegen Disgregations- in Schwingungsarbeit, so sagen wir, es werde Wärme frei.
Die Disgregations- und Schwingungsarbeit zusammen bilden die innere Arbeit eines Körpers. Diese innere Arbeit kann durch Zu- fuhr äusserer Arbeit zunehmen oder in Folge einer Abgabe von Arbeit nach aussen abnehmen. Führen wir z. B. einem Körper Wärme zu, so repräsentirt diese Wärme selbst eine gewisse Quantität Schwin- gungsarbeit, die nun theils in innere Schwingungsarbeit theils in Dis- gregationsarbeit übergehen kann. Entziehen wir einem Körper Wärme,
Von der Wärme.
bare Uebertragung der letzteren von Theilchen zu Theilchen wäre die Wärmeleitung zurückzuführen. Uebrigens ist es für die Theorie der Wärmeerscheinungen gleichgültig, ob man sich in der eben angedeu- teten Weise oder irgendwie anders die in den Körpern vorhandene Wärme vorstellt: es genügt im Allgemeinen festzuhalten, dass die Wärme eine Bewegung ist, deren Intensität zu- und abnehmen und darnach den fühlbaren Wärmezustand eines Körpers, seine Tempera- tur, verändern kann.
In jedem Körper findet sich eine gewisse Menge mechanischer Arbeit in der Gestalt von Wärmebewegung angehäuft; die gesammte lebendige Kraft dieser Arbeit wird (nach §. 25) durch die halbe Summe der Producte der Massen aller Molecüle in die Quadrate ihrer Ge- schwindigkeit ausgedrückt. Man ist übereingekommen alle in den Körpern vorhandene Arbeit, die sich als fühlbare Wärme äussert, mit dem Namen der „Schwingungsarbeit“ zu bezeichnen. In der Zu- nahme oder Verminderung dieser Schwingungsarbeit besteht das fühl- bare Erwärmen oder Erkalten eines Körpers. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass jede Wärmezufuhr auch eine Zunahme der Schwin- gungsarbeit bedingen müsse. Vielmehr wird, wenn durch die Zufuhr der Wärme die gegenseitige Lage der Molecüle bleibend verändert wird, hierzu entweder ein bestimmter Aufwand von Arbeit erforder- lich sein, der nun als Spannkraft in dem Körper vorhanden bleibt, oder es wird dabei eine gewisse Menge von Arbeit frei, die zuvor als Spannkraft in dem Körper war. Wird die mittlere Distanz der Mole- cüle vergrössert, wie dies bei der Ueberführung in einen weniger dich- ten Aggregatzustand und bei der Volumvergrösserung der Körper stattfindet, so wird hierzu, ähnlich wie zur Erhebung eines Gewichtes in eine bestimmte Höhe, Arbeit verbraucht; wird dagegen die mittlere Distanz vermindert (bei der Ueberführung in einen dichteren Aggre- gatzustand und der Volumverminderung), so wird umgekehrt, ähnlich wie beim Herabfallen des Gewichtes, Arbeit frei. Diese Arbeit nun, welche zur Distanzveränderung der Molecüle verbraucht wird oder bei ihr zum Vorschein kommt, bezeichnet man als „Disgregations- arbeit.“ Geht eine gewisse Menge von Schwingungsarbeit in Dis- gregationsarbeit über, so sagen wir, es werde Wärme latent; verwan- delt sich hingegen Disgregations- in Schwingungsarbeit, so sagen wir, es werde Wärme frei.
Die Disgregations- und Schwingungsarbeit zusammen bilden die innere Arbeit eines Körpers. Diese innere Arbeit kann durch Zu- fuhr äusserer Arbeit zunehmen oder in Folge einer Abgabe von Arbeit nach aussen abnehmen. Führen wir z. B. einem Körper Wärme zu, so repräsentirt diese Wärme selbst eine gewisse Quantität Schwin- gungsarbeit, die nun theils in innere Schwingungsarbeit theils in Dis- gregationsarbeit übergehen kann. Entziehen wir einem Körper Wärme,
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Von der Wärme.
bare Uebertragung der letzteren von Theilchen zu Theilchen wäre die
Wärmeleitung zurückzuführen. Uebrigens ist es für die Theorie der
Wärmeerscheinungen gleichgültig, ob man sich in der eben angedeu-
teten Weise oder irgendwie anders die in den Körpern vorhandene
Wärme vorstellt: es genügt im Allgemeinen festzuhalten, dass die
Wärme eine Bewegung ist, deren Intensität zu- und abnehmen und
darnach den fühlbaren Wärmezustand eines Körpers, seine Tempera-
tur, verändern kann.
In jedem Körper findet sich eine gewisse Menge mechanischer
Arbeit in der Gestalt von Wärmebewegung angehäuft; die gesammte
lebendige Kraft dieser Arbeit wird (nach §. 25) durch die halbe Summe
der Producte der Massen aller Molecüle in die Quadrate ihrer Ge-
schwindigkeit ausgedrückt. Man ist übereingekommen alle in den
Körpern vorhandene Arbeit, die sich als fühlbare Wärme äussert, mit
dem Namen der „Schwingungsarbeit“ zu bezeichnen. In der Zu-
nahme oder Verminderung dieser Schwingungsarbeit besteht das fühl-
bare Erwärmen oder Erkalten eines Körpers. Damit ist aber noch
nicht gesagt, dass jede Wärmezufuhr auch eine Zunahme der Schwin-
gungsarbeit bedingen müsse. Vielmehr wird, wenn durch die Zufuhr
der Wärme die gegenseitige Lage der Molecüle bleibend verändert
wird, hierzu entweder ein bestimmter Aufwand von Arbeit erforder-
lich sein, der nun als Spannkraft in dem Körper vorhanden bleibt,
oder es wird dabei eine gewisse Menge von Arbeit frei, die zuvor als
Spannkraft in dem Körper war. Wird die mittlere Distanz der Mole-
cüle vergrössert, wie dies bei der Ueberführung in einen weniger dich-
ten Aggregatzustand und bei der Volumvergrösserung der Körper
stattfindet, so wird hierzu, ähnlich wie zur Erhebung eines Gewichtes
in eine bestimmte Höhe, Arbeit verbraucht; wird dagegen die mittlere
Distanz vermindert (bei der Ueberführung in einen dichteren Aggre-
gatzustand und der Volumverminderung), so wird umgekehrt, ähnlich
wie beim Herabfallen des Gewichtes, Arbeit frei. Diese Arbeit nun,
welche zur Distanzveränderung der Molecüle verbraucht wird oder bei
ihr zum Vorschein kommt, bezeichnet man als „Disgregations-
arbeit.“ Geht eine gewisse Menge von Schwingungsarbeit in Dis-
gregationsarbeit über, so sagen wir, es werde Wärme latent; verwan-
delt sich hingegen Disgregations- in Schwingungsarbeit, so sagen wir,
es werde Wärme frei.
Die Disgregations- und Schwingungsarbeit zusammen bilden die
innere Arbeit eines Körpers. Diese innere Arbeit kann durch Zu-
fuhr äusserer Arbeit zunehmen oder in Folge einer Abgabe von
Arbeit nach aussen abnehmen. Führen wir z. B. einem Körper Wärme
zu, so repräsentirt diese Wärme selbst eine gewisse Quantität Schwin-
gungsarbeit, die nun theils in innere Schwingungsarbeit theils in Dis-
gregationsarbeit übergehen kann. Entziehen wir einem Körper Wärme,
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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/446>, abgerufen am 05.12.2024.
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