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Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867.

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Erregung der Elektricität.

Auch an nicht leitenden Körpern, also z. B. an Glasstäben, Sie-
gellackstangen, lassen sich die Erscheinungen der Influenz beobachten.
Aber sie gestalten sich hier abweichend, indem die Vertheilung eine
viel längere Zeit braucht und, wenn sie einmal eingetreten ist, auch
noch längere Zeit nach dem Wegbringen des influenzirenden Körpers
andauert.

Aus den Erscheinungen der Influenz lässt unmittelbar die Ver-293
Vertheilung der
Elektricität auf
der Oberfläche
der Leiter.
Spitzenwirkung.

theilung der freien Elektricität auf isolirten Leitern sich ableiten. Ein
Körper, dem Elektricität mitgetheilt worden, influenzirt die ihn um-
gebenden Lufttheilchen. Er ist daher mit einer Luftschichte von ent-
gegengesetzter Elektricität umgeben: letztere zieht aber die auf ihm
angehäufte Elektricität an, und dieselbe begiebt sich desshalb sämmt-
lich auf die Oberfläche des Körpers. Hier muss sie nun, da das
Innere vollständig unelektrisch bleibt, so vertheilt sein, dass die Wir-
kung der auf allen Punkten der Oberfläche vorhandenen Elektricität
auf jeden Punkt im Innern sich aufhebt. Denn wenn dies nicht der
Fall, wenn die Influenzwirkung aller Punkte der Oberfläche auf einen
Punkt im Innern nicht gleich null wäre, so würden in diesem die
Elektricitäten nicht getrennt werden, das Innere würde also nicht
mehr unelektrisch erscheinen. Hieraus folgt, dass die Anordnung der
Elektricität auf der Oberfläche der Körper von ihrer Gestalt abhängt.
Da die Elektricität, wie wir im nächsten Cap. nachweisen werden,
dem allgemeinen Gesetz der Massenanziehung und -abstossung folgt,
also dem Quadrat der Entfernungen umgekehrt proportional ist, so
giebt es nur einen Körper, auf dessen Oberfläche die Elektricität
sich überall in gleicher Dichtigkeit anhäuft: die Kugel. Auf allen
andern Oberflächen muss, damit die Anziehungen und Abstossungen
auf jeden Punkt des Innern sich aufheben, die Elektricität in wech-
selnder Dichte sich anhäufen. So ist sie bei einem Ellipsoide am
kleinsten am Endpunkt der kleinen, am grössten am Endpunkt der
grossen Axe. Bei allen Körpern, bei denen die Oberfläche in Kanten,
scharfe Ränder oder Spitzen ausläuft, sammelt die Elektricität an die-
sen Stellen in grösserer Dichte sich an. Man kann sich von dieser
Thatsache schon mittelst des Elektroskops überzeugen. Wenn man
mit dem Knopf des Elektroskops eine elektrisirte Kugel berührt, so
erhält man die gleiche Ablenkung der Goldblättchen, an welcher Stelle
man auch die Kugel berühren möge, während an andern Körpern je
nach der Berührungsstelle die Ablenkung eine wechselnde ist. Am
wichtigsten wegen ihrer practischen Anwendungen ist die Wirkung
der scharten Kanten und Spitzen auf die Vertheilung der Elektricität.
Man kann sich von dieser Wirkung durch die Betrachtung der Fig. 199
leicht Rechenschaft geben. Es sei a ein Punkt im Innern des in eine
Spitze s auslaufenden Kegels. Auf den Punkt a finden nach den

Erregung der Elektricität.

Auch an nicht leitenden Körpern, also z. B. an Glasstäben, Sie-
gellackstangen, lassen sich die Erscheinungen der Influenz beobachten.
Aber sie gestalten sich hier abweichend, indem die Vertheilung eine
viel längere Zeit braucht und, wenn sie einmal eingetreten ist, auch
noch längere Zeit nach dem Wegbringen des influenzirenden Körpers
andauert.

Aus den Erscheinungen der Influenz lässt unmittelbar die Ver-293
Vertheilung der
Elektricität auf
der Oberfläche
der Leiter.
Spitzenwirkung.

theilung der freien Elektricität auf isolirten Leitern sich ableiten. Ein
Körper, dem Elektricität mitgetheilt worden, influenzirt die ihn um-
gebenden Lufttheilchen. Er ist daher mit einer Luftschichte von ent-
gegengesetzter Elektricität umgeben: letztere zieht aber die auf ihm
angehäufte Elektricität an, und dieselbe begiebt sich desshalb sämmt-
lich auf die Oberfläche des Körpers. Hier muss sie nun, da das
Innere vollständig unelektrisch bleibt, so vertheilt sein, dass die Wir-
kung der auf allen Punkten der Oberfläche vorhandenen Elektricität
auf jeden Punkt im Innern sich aufhebt. Denn wenn dies nicht der
Fall, wenn die Influenzwirkung aller Punkte der Oberfläche auf einen
Punkt im Innern nicht gleich null wäre, so würden in diesem die
Elektricitäten nicht getrennt werden, das Innere würde also nicht
mehr unelektrisch erscheinen. Hieraus folgt, dass die Anordnung der
Elektricität auf der Oberfläche der Körper von ihrer Gestalt abhängt.
Da die Elektricität, wie wir im nächsten Cap. nachweisen werden,
dem allgemeinen Gesetz der Massenanziehung und -abstossung folgt,
also dem Quadrat der Entfernungen umgekehrt proportional ist, so
giebt es nur einen Körper, auf dessen Oberfläche die Elektricität
sich überall in gleicher Dichtigkeit anhäuft: die Kugel. Auf allen
andern Oberflächen muss, damit die Anziehungen und Abstossungen
auf jeden Punkt des Innern sich aufheben, die Elektricität in wech-
selnder Dichte sich anhäufen. So ist sie bei einem Ellipsoide am
kleinsten am Endpunkt der kleinen, am grössten am Endpunkt der
grossen Axe. Bei allen Körpern, bei denen die Oberfläche in Kanten,
scharfe Ränder oder Spitzen ausläuft, sammelt die Elektricität an die-
sen Stellen in grösserer Dichte sich an. Man kann sich von dieser
Thatsache schon mittelst des Elektroskops überzeugen. Wenn man
mit dem Knopf des Elektroskops eine elektrisirte Kugel berührt, so
erhält man die gleiche Ablenkung der Goldblättchen, an welcher Stelle
man auch die Kugel berühren möge, während an andern Körpern je
nach der Berührungsstelle die Ablenkung eine wechselnde ist. Am
wichtigsten wegen ihrer practischen Anwendungen ist die Wirkung
der scharten Kanten und Spitzen auf die Vertheilung der Elektricität.
Man kann sich von dieser Wirkung durch die Betrachtung der Fig. 199
leicht Rechenschaft geben. Es sei a ein Punkt im Innern des in eine
Spitze s auslaufenden Kegels. Auf den Punkt a finden nach den

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[439/0461] Erregung der Elektricität. Auch an nicht leitenden Körpern, also z. B. an Glasstäben, Sie- gellackstangen, lassen sich die Erscheinungen der Influenz beobachten. Aber sie gestalten sich hier abweichend, indem die Vertheilung eine viel längere Zeit braucht und, wenn sie einmal eingetreten ist, auch noch längere Zeit nach dem Wegbringen des influenzirenden Körpers andauert. Aus den Erscheinungen der Influenz lässt unmittelbar die Ver- theilung der freien Elektricität auf isolirten Leitern sich ableiten. Ein Körper, dem Elektricität mitgetheilt worden, influenzirt die ihn um- gebenden Lufttheilchen. Er ist daher mit einer Luftschichte von ent- gegengesetzter Elektricität umgeben: letztere zieht aber die auf ihm angehäufte Elektricität an, und dieselbe begiebt sich desshalb sämmt- lich auf die Oberfläche des Körpers. Hier muss sie nun, da das Innere vollständig unelektrisch bleibt, so vertheilt sein, dass die Wir- kung der auf allen Punkten der Oberfläche vorhandenen Elektricität auf jeden Punkt im Innern sich aufhebt. Denn wenn dies nicht der Fall, wenn die Influenzwirkung aller Punkte der Oberfläche auf einen Punkt im Innern nicht gleich null wäre, so würden in diesem die Elektricitäten nicht getrennt werden, das Innere würde also nicht mehr unelektrisch erscheinen. Hieraus folgt, dass die Anordnung der Elektricität auf der Oberfläche der Körper von ihrer Gestalt abhängt. Da die Elektricität, wie wir im nächsten Cap. nachweisen werden, dem allgemeinen Gesetz der Massenanziehung und -abstossung folgt, also dem Quadrat der Entfernungen umgekehrt proportional ist, so giebt es nur einen Körper, auf dessen Oberfläche die Elektricität sich überall in gleicher Dichtigkeit anhäuft: die Kugel. Auf allen andern Oberflächen muss, damit die Anziehungen und Abstossungen auf jeden Punkt des Innern sich aufheben, die Elektricität in wech- selnder Dichte sich anhäufen. So ist sie bei einem Ellipsoide am kleinsten am Endpunkt der kleinen, am grössten am Endpunkt der grossen Axe. Bei allen Körpern, bei denen die Oberfläche in Kanten, scharfe Ränder oder Spitzen ausläuft, sammelt die Elektricität an die- sen Stellen in grösserer Dichte sich an. Man kann sich von dieser Thatsache schon mittelst des Elektroskops überzeugen. Wenn man mit dem Knopf des Elektroskops eine elektrisirte Kugel berührt, so erhält man die gleiche Ablenkung der Goldblättchen, an welcher Stelle man auch die Kugel berühren möge, während an andern Körpern je nach der Berührungsstelle die Ablenkung eine wechselnde ist. Am wichtigsten wegen ihrer practischen Anwendungen ist die Wirkung der scharten Kanten und Spitzen auf die Vertheilung der Elektricität. Man kann sich von dieser Wirkung durch die Betrachtung der Fig. 199 leicht Rechenschaft geben. Es sei a ein Punkt im Innern des in eine Spitze s auslaufenden Kegels. Auf den Punkt a finden nach den 293 Vertheilung der Elektricität auf der Oberfläche der Leiter. Spitzenwirkung.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/461>, abgerufen am 05.12.2024.