44 Begriff der Schwere. Eintheilung dieses Ab- schnitts.
Unter der Schwere versteht man die Kraft, durch welche die Körper zur Erde zu fallen streben. Man betrachtet diese Kraft als erzeugt durch die Anziehungen, welche nach der atomistischen Theorie zwischen allen wägbaren Atomen stattfinden. Ein Körper fällt oder strebt zu fallen, weil seine Atome und die Atome des Erdkörpers eine gegenseitige Anziehung auf einander ausüben. Ueberall wo körper- liche Massen sich hinreichend nahe kommen oder hinreichend gross sind, um in der Entfernung, in der sie sich von einander befinden, eine merkliche Wirkung hervorzubringen, sehen wir die gleichen Anziehungs- kräfte sich äussern. Die fortdauernde Bewegung der Theile unseres Sonnensystems ist durch dieselben Kräfte bedingt, welche das Fallen eines irdischen Körpers verursachen. Diese allgemeine Naturkraft, von der sonach die irdische Schwere nur ein besonderer Fall ist, hat man zuweilen auch als allgemeine Gravitation oder allgemeine Schwere bezeichnet.
Der Einfluss der Schwere auf die Körper gestaltet sich verschie- den je nach der molecularen Beschaffenheit derselben. Die Haupt- unterschiede dieser molecularen Beschaffenheit finden ihren Ausdruck in den Aggregatzuständen. Wir haben daher die nähere Be- trachtung der Erscheinungen der Schwere zu trennen nach den drei Aggregatzuständen, in welchen die Körper vorkommen können, dem festen, flüssigen und gasförmigen. In jedem einzelnen dieser Fälle werden wir zuerst die Eigenschaften des betreffenden Aggregatzustan- des eingehender erörtern und sodann die an den Körpern dieses Aggregatzustandes durch die Schwere verursachten Erscheinungen in's Auge fassen. Vollkommen streng lässt sich aber natürlich eine solche Trennung der Betrachtung nicht durchführen, da die charakteristischen Eigenschaften der Aggregatzustände selbst zum grossen Theil durch die Schwere und durch die der Schwere analogen gegenseitigen An-
Zweiter Abschnitt. Von der Schwere.
44 Begriff der Schwere. Eintheilung dieses Ab- schnitts.
Unter der Schwere versteht man die Kraft, durch welche die Körper zur Erde zu fallen streben. Man betrachtet diese Kraft als erzeugt durch die Anziehungen, welche nach der atomistischen Theorie zwischen allen wägbaren Atomen stattfinden. Ein Körper fällt oder strebt zu fallen, weil seine Atome und die Atome des Erdkörpers eine gegenseitige Anziehung auf einander ausüben. Ueberall wo körper- liche Massen sich hinreichend nahe kommen oder hinreichend gross sind, um in der Entfernung, in der sie sich von einander befinden, eine merkliche Wirkung hervorzubringen, sehen wir die gleichen Anziehungs- kräfte sich äussern. Die fortdauernde Bewegung der Theile unseres Sonnensystems ist durch dieselben Kräfte bedingt, welche das Fallen eines irdischen Körpers verursachen. Diese allgemeine Naturkraft, von der sonach die irdische Schwere nur ein besonderer Fall ist, hat man zuweilen auch als allgemeine Gravitation oder allgemeine Schwere bezeichnet.
Der Einfluss der Schwere auf die Körper gestaltet sich verschie- den je nach der molecularen Beschaffenheit derselben. Die Haupt- unterschiede dieser molecularen Beschaffenheit finden ihren Ausdruck in den Aggregatzuständen. Wir haben daher die nähere Be- trachtung der Erscheinungen der Schwere zu trennen nach den drei Aggregatzuständen, in welchen die Körper vorkommen können, dem festen, flüssigen und gasförmigen. In jedem einzelnen dieser Fälle werden wir zuerst die Eigenschaften des betreffenden Aggregatzustan- des eingehender erörtern und sodann die an den Körpern dieses Aggregatzustandes durch die Schwere verursachten Erscheinungen in’s Auge fassen. Vollkommen streng lässt sich aber natürlich eine solche Trennung der Betrachtung nicht durchführen, da die charakteristischen Eigenschaften der Aggregatzustände selbst zum grossen Theil durch die Schwere und durch die der Schwere analogen gegenseitigen An-
<TEI><text><body><pbfacs="#f0082"n="[60]"/><divn="1"><head><hirendition="#g">Zweiter Abschnitt.<lb/>
Von der Schwere</hi>.</head><lb/><noteplace="left">44<lb/>
Begriff der<lb/>
Schwere.<lb/>
Eintheilung<lb/>
dieses Ab-<lb/>
schnitts.</note><p>Unter der Schwere versteht man die Kraft, durch welche die<lb/>
Körper zur Erde zu fallen streben. Man betrachtet diese Kraft als<lb/>
erzeugt durch die Anziehungen, welche nach der atomistischen Theorie<lb/>
zwischen allen wägbaren Atomen stattfinden. Ein Körper fällt oder<lb/>
strebt zu fallen, weil seine Atome und die Atome des Erdkörpers eine<lb/>
gegenseitige Anziehung auf einander ausüben. Ueberall wo körper-<lb/>
liche Massen sich hinreichend nahe kommen oder hinreichend gross<lb/>
sind, um in der Entfernung, in der sie sich von einander befinden, eine<lb/>
merkliche Wirkung hervorzubringen, sehen wir die gleichen Anziehungs-<lb/>
kräfte sich äussern. Die fortdauernde Bewegung der Theile unseres<lb/>
Sonnensystems ist durch dieselben Kräfte bedingt, welche das Fallen<lb/>
eines irdischen Körpers verursachen. Diese allgemeine Naturkraft,<lb/>
von der sonach die irdische Schwere nur ein besonderer Fall ist, hat<lb/>
man zuweilen auch als <hirendition="#g">allgemeine Gravitation</hi> oder <hirendition="#g">allgemeine<lb/>
Schwere</hi> bezeichnet.</p><lb/><p>Der Einfluss der Schwere auf die Körper gestaltet sich verschie-<lb/>
den je nach der molecularen Beschaffenheit derselben. Die Haupt-<lb/>
unterschiede dieser molecularen Beschaffenheit finden ihren Ausdruck<lb/>
in den <hirendition="#g">Aggregatzuständen</hi>. Wir haben daher die nähere Be-<lb/>
trachtung der Erscheinungen der Schwere zu trennen nach den drei<lb/>
Aggregatzuständen, in welchen die Körper vorkommen können, dem<lb/>
festen, flüssigen und gasförmigen. In jedem einzelnen dieser Fälle<lb/>
werden wir zuerst die Eigenschaften des betreffenden Aggregatzustan-<lb/>
des eingehender erörtern und sodann die an den Körpern dieses<lb/>
Aggregatzustandes durch die Schwere verursachten Erscheinungen in’s<lb/>
Auge fassen. Vollkommen streng lässt sich aber natürlich eine solche<lb/>
Trennung der Betrachtung nicht durchführen, da die charakteristischen<lb/>
Eigenschaften der Aggregatzustände selbst zum grossen Theil durch<lb/>
die Schwere und durch die der Schwere analogen gegenseitigen An-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[60]/0082]
Zweiter Abschnitt.
Von der Schwere.
Unter der Schwere versteht man die Kraft, durch welche die
Körper zur Erde zu fallen streben. Man betrachtet diese Kraft als
erzeugt durch die Anziehungen, welche nach der atomistischen Theorie
zwischen allen wägbaren Atomen stattfinden. Ein Körper fällt oder
strebt zu fallen, weil seine Atome und die Atome des Erdkörpers eine
gegenseitige Anziehung auf einander ausüben. Ueberall wo körper-
liche Massen sich hinreichend nahe kommen oder hinreichend gross
sind, um in der Entfernung, in der sie sich von einander befinden, eine
merkliche Wirkung hervorzubringen, sehen wir die gleichen Anziehungs-
kräfte sich äussern. Die fortdauernde Bewegung der Theile unseres
Sonnensystems ist durch dieselben Kräfte bedingt, welche das Fallen
eines irdischen Körpers verursachen. Diese allgemeine Naturkraft,
von der sonach die irdische Schwere nur ein besonderer Fall ist, hat
man zuweilen auch als allgemeine Gravitation oder allgemeine
Schwere bezeichnet.
Der Einfluss der Schwere auf die Körper gestaltet sich verschie-
den je nach der molecularen Beschaffenheit derselben. Die Haupt-
unterschiede dieser molecularen Beschaffenheit finden ihren Ausdruck
in den Aggregatzuständen. Wir haben daher die nähere Be-
trachtung der Erscheinungen der Schwere zu trennen nach den drei
Aggregatzuständen, in welchen die Körper vorkommen können, dem
festen, flüssigen und gasförmigen. In jedem einzelnen dieser Fälle
werden wir zuerst die Eigenschaften des betreffenden Aggregatzustan-
des eingehender erörtern und sodann die an den Körpern dieses
Aggregatzustandes durch die Schwere verursachten Erscheinungen in’s
Auge fassen. Vollkommen streng lässt sich aber natürlich eine solche
Trennung der Betrachtung nicht durchführen, da die charakteristischen
Eigenschaften der Aggregatzustände selbst zum grossen Theil durch
die Schwere und durch die der Schwere analogen gegenseitigen An-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wundt, Wilhelm: Handbuch der medicinischen Physik. Erlangen, 1867, S. [60]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_medizinische_1867/82>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.