Und ließ den ganzen Strom der wilden Klagen schießen. Grausamer, (sagte sie,) du bist nicht meiner werth! Versichre ja mich nicht, daß mich dein Herz verehrt. Wie? mein Geliebter will ein wilder Schläger werden? Ja, ja, du bist es schon in Sitten und Geberden. Geh, Wilder, schlage dich; -- doch rühme dich nur nicht, Daß ich den je geliebt, der gleich die Hälse bricht. Und mit dem wilden Thier willst du den Zweykampf wagen? Wie bald wirst du den Tod auf blassen Lippen tragen! Grausamer, nein, du bist in Leipzig nicht erzeugt, Und eine Furie hat dich mit Gift gesäugt! O hättest du zu mir die kleinste Gunst getragen, Und wärst ein Leipziger, du würdest ihn verklagen.
Sie schwieg; so wie ein Baum den stolzen Wipfel neigt, Wenn ihn jetzt bald der Süd, und bald der Nordwind beugt;
So
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Fuͤnfter Geſang.
Und ließ den ganzen Strom der wilden Klagen ſchießen. Grauſamer, (ſagte ſie,) du biſt nicht meiner werth! Verſichre ja mich nicht, daß mich dein Herz verehrt. Wie? mein Geliebter will ein wilder Schlaͤger werden? Ja, ja, du biſt es ſchon in Sitten und Geberden. Geh, Wilder, ſchlage dich; — doch ruͤhme dich nur nicht, Daß ich den je geliebt, der gleich die Haͤlſe bricht. Und mit dem wilden Thier willſt du den Zweykampf wagen? Wie bald wirſt du den Tod auf blaſſen Lippen tragen! Grauſamer, nein, du biſt in Leipzig nicht erzeugt, Und eine Furie hat dich mit Gift geſaͤugt! O haͤtteſt du zu mir die kleinſte Gunſt getragen, Und waͤrſt ein Leipziger, du wuͤrdeſt ihn verklagen.
Sie ſchwieg; ſo wie ein Baum den ſtolzen Wipfel neigt, Wenn ihn jetzt bald der Suͤd, und bald der Nordwind beugt;
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Fuͤnfter Geſang.
Und ließ den ganzen Strom der wilden Klagen
ſchießen.
Grauſamer, (ſagte ſie,) du biſt nicht meiner werth!
Verſichre ja mich nicht, daß mich dein Herz verehrt.
Wie? mein Geliebter will ein wilder Schlaͤger werden?
Ja, ja, du biſt es ſchon in Sitten und Geberden.
Geh, Wilder, ſchlage dich; — doch ruͤhme dich nur
nicht,
Daß ich den je geliebt, der gleich die Haͤlſe bricht.
Und mit dem wilden Thier willſt du den Zweykampf
wagen?
Wie bald wirſt du den Tod auf blaſſen Lippen tragen!
Grauſamer, nein, du biſt in Leipzig nicht erzeugt,
Und eine Furie hat dich mit Gift geſaͤugt!
O haͤtteſt du zu mir die kleinſte Gunſt getragen,
Und waͤrſt ein Leipziger, du wuͤrdeſt ihn verklagen.
Sie ſchwieg; ſo wie ein Baum den ſtolzen Wipfel
neigt,
Wenn ihn jetzt bald der Suͤd, und bald der Nordwind
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/179>, abgerufen am 21.11.2024.
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