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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

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Verwandlungen.

Einst sagte sie zu ihr: Will stets Selinde lesen?
Jhr seyd nun vierzehn Jahr, und euch nur schön ge-
wesen;

Seyd es nun den Barons, und blonden jungen Herrn,
Bleibt von Pedanterey, und vielen Wissen fern.
Klug, angenehm und schön, das heißt französisch
werden.

Der Nachttisch lehr euch nun die Regeln der Geberden.
Macht in der großen Welt den ersten Auftritt gut,
Und denkt, zum größten Sieg gehört oft nichts als
Muth.

Bald wird die Schmeicheley euch süßen Weihrauch
brennen;

Wird euch auf Knien flehn, und wird euch Göttin
nennen.

Sie sprach noch, als ein Staub, der einer Wol-
ke glich,

Trägwälzend ins Gemach durchs ofne Fenster schlich;
Auf dem der Pudergott, der holde Zephis schwebte,
Ein Geist, der durch weiß Mehl manch schlechtes Haar
belebte.

Er war ein muntrer Geist von sylphischem Geschlecht;
Der

Verwandlungen.

Einſt ſagte ſie zu ihr: Will ſtets Selinde leſen?
Jhr ſeyd nun vierzehn Jahr, und euch nur ſchoͤn ge-
weſen;

Seyd es nun den Barons, und blonden jungen Herrn,
Bleibt von Pedanterey, und vielen Wiſſen fern.
Klug, angenehm und ſchoͤn, das heißt franzoͤſiſch
werden.

Der Nachttiſch lehr euch nun die Regeln der Geberden.
Macht in der großen Welt den erſten Auftritt gut,
Und denkt, zum groͤßten Sieg gehoͤrt oft nichts als
Muth.

Bald wird die Schmeicheley euch ſuͤßen Weihrauch
brennen;

Wird euch auf Knien flehn, und wird euch Goͤttin
nennen.

Sie ſprach noch, als ein Staub, der einer Wol-
ke glich,

Traͤgwaͤlzend ins Gemach durchs ofne Fenſter ſchlich;
Auf dem der Pudergott, der holde Zephis ſchwebte,
Ein Geiſt, der durch weiß Mehl manch ſchlechtes Haar
belebte.

Er war ein muntrer Geiſt von ſylphiſchem Geſchlecht;
Der
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[162/0226] Verwandlungen. Einſt ſagte ſie zu ihr: Will ſtets Selinde leſen? Jhr ſeyd nun vierzehn Jahr, und euch nur ſchoͤn ge- weſen; Seyd es nun den Barons, und blonden jungen Herrn, Bleibt von Pedanterey, und vielen Wiſſen fern. Klug, angenehm und ſchoͤn, das heißt franzoͤſiſch werden. Der Nachttiſch lehr euch nun die Regeln der Geberden. Macht in der großen Welt den erſten Auftritt gut, Und denkt, zum groͤßten Sieg gehoͤrt oft nichts als Muth. Bald wird die Schmeicheley euch ſuͤßen Weihrauch brennen; Wird euch auf Knien flehn, und wird euch Goͤttin nennen. Sie ſprach noch, als ein Staub, der einer Wol- ke glich, Traͤgwaͤlzend ins Gemach durchs ofne Fenſter ſchlich; Auf dem der Pudergott, der holde Zephis ſchwebte, Ein Geiſt, der durch weiß Mehl manch ſchlechtes Haar belebte. Er war ein muntrer Geiſt von ſylphiſchem Geſchlecht; Der

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/226>, abgerufen am 21.11.2024.