Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Verwandlungen.

Lag sie in leichter Tracht nachläßig hingestreckt;
Jhr schöner Busen hob sich sanft, und unverdeckt;
Sie ließ den schönsten Fuß mit träger Anmuth sehen,
Und Zephis blieb entzückt von so viel Liebreiz stehen.
Zuletzt erholt er sich, und küßt die Marmorhand,
Die er so weich, wie Sammt, auf seinen Lippen fand,
Und sprach: O Königin! die du die Welt gelehret,
Wie man am Tag auch schläft, und blassen Sorgen
wehret;

Die du manch schönes Kind dem Schäfer hold gemacht,
Wenn es zu schlafen schien, und doch verliebt gewacht;
O Göttin, hilf mir doch durch deine Künste siegen,
Und hilf, durch einen Traum, Selinden mir betriegen!
Sie liebt und haßt mich nicht; ihr Herz ist still, und
kalt.

Doch wies' ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge-
stalt,

Jch weis, sie würde mir nicht widerstehen können,
Und bald genung für mich in Liebesflammen brennen.

Sie

Verwandlungen.

Lag ſie in leichter Tracht nachlaͤßig hingeſtreckt;
Jhr ſchoͤner Buſen hob ſich ſanft, und unverdeckt;
Sie ließ den ſchoͤnſten Fuß mit traͤger Anmuth ſehen,
Und Zephis blieb entzuͤckt von ſo viel Liebreiz ſtehen.
Zuletzt erholt er ſich, und kuͤßt die Marmorhand,
Die er ſo weich, wie Sammt, auf ſeinen Lippen fand,
Und ſprach: O Koͤnigin! die du die Welt gelehret,
Wie man am Tag auch ſchlaͤft, und blaſſen Sorgen
wehret;

Die du manch ſchoͤnes Kind dem Schaͤfer hold gemacht,
Wenn es zu ſchlafen ſchien, und doch verliebt gewacht;
O Goͤttin, hilf mir doch durch deine Kuͤnſte ſiegen,
Und hilf, durch einen Traum, Selinden mir betriegen!
Sie liebt und haßt mich nicht; ihr Herz iſt ſtill, und
kalt.

Doch wieſ’ ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge-
ſtalt,

Jch weis, ſie wuͤrde mir nicht widerſtehen koͤnnen,
Und bald genung fuͤr mich in Liebesflammen brennen.

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <l>
            <pb facs="#f0280" n="216"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verwandlungen.</hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Lag &#x017F;ie in leichter Tracht nachla&#x0364;ßig hinge&#x017F;treckt;</l><lb/>
          <l>Jhr &#x017F;cho&#x0364;ner Bu&#x017F;en hob &#x017F;ich &#x017F;anft, und unverdeckt;</l><lb/>
          <l>Sie ließ den &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Fuß mit tra&#x0364;ger Anmuth &#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Und Zephis blieb entzu&#x0364;ckt von &#x017F;o viel Liebreiz &#x017F;tehen.</l><lb/>
          <l>Zuletzt erholt er &#x017F;ich, und ku&#x0364;ßt die Marmorhand,</l><lb/>
          <l>Die er &#x017F;o weich, wie Sammt, auf &#x017F;einen Lippen fand,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;prach: O Ko&#x0364;nigin! die du die Welt gelehret,</l><lb/>
          <l>Wie man am Tag auch &#x017F;chla&#x0364;ft, und bla&#x017F;&#x017F;en Sorgen<lb/><hi rendition="#et">wehret;</hi></l><lb/>
          <l>Die du manch &#x017F;cho&#x0364;nes Kind dem Scha&#x0364;fer hold gemacht,</l><lb/>
          <l>Wenn es zu &#x017F;chlafen &#x017F;chien, und doch verliebt gewacht;</l><lb/>
          <l>O Go&#x0364;ttin, hilf mir doch durch deine Ku&#x0364;n&#x017F;te &#x017F;iegen,</l><lb/>
          <l>Und hilf, durch einen Traum, Selinden mir betriegen!</l><lb/>
          <l>Sie liebt und haßt mich nicht; ihr Herz i&#x017F;t &#x017F;till, und<lb/><hi rendition="#et">kalt.</hi></l><lb/>
          <l>Doch wie&#x017F;&#x2019; ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;talt,</hi></l><lb/>
          <l>Jch weis, &#x017F;ie wu&#x0364;rde mir nicht wider&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen,</l><lb/>
          <l>Und bald genung fu&#x0364;r mich in Liebesflammen brennen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0280] Verwandlungen. Lag ſie in leichter Tracht nachlaͤßig hingeſtreckt; Jhr ſchoͤner Buſen hob ſich ſanft, und unverdeckt; Sie ließ den ſchoͤnſten Fuß mit traͤger Anmuth ſehen, Und Zephis blieb entzuͤckt von ſo viel Liebreiz ſtehen. Zuletzt erholt er ſich, und kuͤßt die Marmorhand, Die er ſo weich, wie Sammt, auf ſeinen Lippen fand, Und ſprach: O Koͤnigin! die du die Welt gelehret, Wie man am Tag auch ſchlaͤft, und blaſſen Sorgen wehret; Die du manch ſchoͤnes Kind dem Schaͤfer hold gemacht, Wenn es zu ſchlafen ſchien, und doch verliebt gewacht; O Goͤttin, hilf mir doch durch deine Kuͤnſte ſiegen, Und hilf, durch einen Traum, Selinden mir betriegen! Sie liebt und haßt mich nicht; ihr Herz iſt ſtill, und kalt. Doch wieſ’ ihr nur ein Traum des Pudergotts Ge- ſtalt, Jch weis, ſie wuͤrde mir nicht widerſtehen koͤnnen, Und bald genung fuͤr mich in Liebesflammen brennen. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/280
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/280>, abgerufen am 24.11.2024.