Sich ein Baronsgesicht, und reiches Kleid, geschaffen, So trat er ins Gemach. La Motte sah ihn nicht, Er war in sich gekehrt; mit klügelndem Gesicht Wollt er die letzte Hand an einen Marquis legen. Manch fremder Anblick schoß dem Pudergott entgegen; Vor dem, der manchem Amt das Kleid und Ansehn gab, Nahm er den Federhut mit tiefer Ehrfurcht ab. Hier hieng ein deutscher Graf mit Silber galoniret, Und dort lag ein Abbe', doch noch nicht ganz vollführet; Auf dem Gesandten hieng sein klügrer Sekretär; Und bey dem Juden lag ein Rechnungskommissär. Wie man im Todtenreich die Titel nicht mehr kennet, Und nicht mehr gnädger Herr den Schneppenjäger nen- net; Der König und der Sklav, der Musketier und Held, Gehn ohne Rang, vermischt in schwarzer Unterwelt:
So
Verwandlungen.
Sich ein Baronsgeſicht, und reiches Kleid, geſchaffen, So trat er ins Gemach. La Motte ſah ihn nicht, Er war in ſich gekehrt; mit kluͤgelndem Geſicht Wollt er die letzte Hand an einen Marquis legen. Manch fremder Anblick ſchoß dem Pudergott entgegen; Vor dem, der manchem Amt das Kleid und Anſehn gab, Nahm er den Federhut mit tiefer Ehrfurcht ab. Hier hieng ein deutſcher Graf mit Silber galoniret, Und dort lag ein Abbe’, doch noch nicht ganz vollfuͤhret; Auf dem Geſandten hieng ſein kluͤgrer Sekretaͤr; Und bey dem Juden lag ein Rechnungskommiſſaͤr. Wie man im Todtenreich die Titel nicht mehr kennet, Und nicht mehr gnaͤdger Herr den Schneppenjaͤger nen- net; Der Koͤnig und der Sklav, der Musketier und Held, Gehn ohne Rang, vermiſcht in ſchwarzer Unterwelt:
So
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Verwandlungen.
Sich ein Baronsgeſicht, und reiches Kleid, geſchaffen,
So trat er ins Gemach. La Motte ſah ihn nicht,
Er war in ſich gekehrt; mit kluͤgelndem Geſicht
Wollt er die letzte Hand an einen Marquis legen.
Manch fremder Anblick ſchoß dem Pudergott entgegen;
Vor dem, der manchem Amt das Kleid und Anſehn gab,
Nahm er den Federhut mit tiefer Ehrfurcht ab.
Hier hieng ein deutſcher Graf mit Silber galoniret,
Und dort lag ein Abbe’, doch noch nicht ganz vollfuͤhret;
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Und bey dem Juden lag ein Rechnungskommiſſaͤr.
Wie man im Todtenreich die Titel nicht mehr kennet,
Und nicht mehr gnaͤdger Herr den Schneppenjaͤger nen-
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Der Koͤnig und der Sklav, der Musketier und Held,
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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