die Sonne, wie locket das Feld! Laß uns eilen, da- mit dieser herrliche Tag nicht ungenossen vorbeyflieh.
Also sprach er, und ergrif seinen knotichten Dornstock, welcher an einem Pfeiler gelehnt stand, und beyde giengen mit eilenden Schritten tief in das Feld. Mitten im Felde liegt ein kleines anmuthi- ges Gebirge, mit zackigten Tannen und Kiefern be- krönt, welche weit in die Ebne schauen, und den wandernden Ortolan hieherlocken, der hier oftmals vorüberstreicht, und gefangen und gemästet wird, gleich den Kriegsgefangnen eines Cariben, oder Jro- quoisen, der nach Menschenblut dürstet. Jn des Landmannes Munde heißt dieses Gebirge der Nuß- berg, aber in der Sprache der Götter wird er der Berg der Betrachtung, oder die poetische Klause, ge-
nannt.
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Zweyter Geſang.
die Sonne, wie locket das Feld! Laß uns eilen, da- mit dieſer herrliche Tag nicht ungenoſſen vorbeyflieh.
Alſo ſprach er, und ergrif ſeinen knotichten Dornſtock, welcher an einem Pfeiler gelehnt ſtand, und beyde giengen mit eilenden Schritten tief in das Feld. Mitten im Felde liegt ein kleines anmuthi- ges Gebirge, mit zackigten Tannen und Kiefern be- kroͤnt, welche weit in die Ebne ſchauen, und den wandernden Ortolan hieherlocken, der hier oftmals voruͤberſtreicht, und gefangen und gemaͤſtet wird, gleich den Kriegsgefangnen eines Cariben, oder Jro- quoiſen, der nach Menſchenblut duͤrſtet. Jn des Landmannes Munde heißt dieſes Gebirge der Nuß- berg, aber in der Sprache der Goͤtter wird er der Berg der Betrachtung, oder die poetiſche Klauſe, ge-
nannt.
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Zweyter Geſang.
die Sonne, wie locket das Feld! Laß uns eilen, da-
mit dieſer herrliche Tag nicht ungenoſſen vorbeyflieh.
Alſo ſprach er, und ergrif ſeinen knotichten
Dornſtock, welcher an einem Pfeiler gelehnt ſtand,
und beyde giengen mit eilenden Schritten tief in das
Feld. Mitten im Felde liegt ein kleines anmuthi-
ges Gebirge, mit zackigten Tannen und Kiefern be-
kroͤnt, welche weit in die Ebne ſchauen, und den
wandernden Ortolan hieherlocken, der hier oftmals
voruͤberſtreicht, und gefangen und gemaͤſtet wird,
gleich den Kriegsgefangnen eines Cariben, oder Jro-
quoiſen, der nach Menſchenblut duͤrſtet. Jn des
Landmannes Munde heißt dieſes Gebirge der Nuß-
berg, aber in der Sprache der Goͤtter wird er der
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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 1. [Braunschweig], [1763], S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften01_1763/409>, abgerufen am 21.11.2024.
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