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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

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Das Schnupftuch.
Und er hatt ihr gefehlt drey Tage schon, und drüber!
Dies überdachte sie, und sie bekam das Fieber.
Zwar war ihr eigentlich das Wetter nur zu rauh;
Doch das heißt Fieber schon, bey einer gnädgen Frau.
Sie hatte Zeit genung, in Schwermuth sich zu senken,
Und bey dem Morgenroth an ihren Gram zu denken.

O wie beglückt ist der, der seinen Morgen braucht,
Und früh beym klugen Buch sein sichres Pfeifgen
raucht!
Der Thee des Nachmittags, Caffee des Morgens trin-
ket,
Und früh sein Mädchen sieht, wenn es sich nicht ge-
schminket!
Weit schneller fließet früh dem Anwald das Libell;
Purganzen wirken früh; früh reimt der Vers sich
schnell.
Doch weh der gnädgen Frau, die ihrem Stand entsa-
get,
Und, Bürgersleuten gleich, an Morgenluft sich waget!
Kein Kerl, kein Mädchen wacht, Caffee ist nicht be-
stellt,
Kein

Das Schnupftuch.
Und er hatt ihr gefehlt drey Tage ſchon, und druͤber!
Dies uͤberdachte ſie, und ſie bekam das Fieber.
Zwar war ihr eigentlich das Wetter nur zu rauh;
Doch das heißt Fieber ſchon, bey einer gnaͤdgen Frau.
Sie hatte Zeit genung, in Schwermuth ſich zu ſenken,
Und bey dem Morgenroth an ihren Gram zu denken.

O wie begluͤckt iſt der, der ſeinen Morgen braucht,
Und fruͤh beym klugen Buch ſein ſichres Pfeifgen
raucht!
Der Thee des Nachmittags, Caffee des Morgens trin-
ket,
Und fruͤh ſein Maͤdchen ſieht, wenn es ſich nicht ge-
ſchminket!
Weit ſchneller fließet fruͤh dem Anwald das Libell;
Purganzen wirken fruͤh; fruͤh reimt der Vers ſich
ſchnell.
Doch weh der gnaͤdgen Frau, die ihrem Stand entſa-
get,
Und, Buͤrgersleuten gleich, an Morgenluft ſich waget!
Kein Kerl, kein Maͤdchen wacht, Caffee iſt nicht be-
ſtellt,
Kein
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[106/0114] Das Schnupftuch. Und er hatt ihr gefehlt drey Tage ſchon, und druͤber! Dies uͤberdachte ſie, und ſie bekam das Fieber. Zwar war ihr eigentlich das Wetter nur zu rauh; Doch das heißt Fieber ſchon, bey einer gnaͤdgen Frau. Sie hatte Zeit genung, in Schwermuth ſich zu ſenken, Und bey dem Morgenroth an ihren Gram zu denken. O wie begluͤckt iſt der, der ſeinen Morgen braucht, Und fruͤh beym klugen Buch ſein ſichres Pfeifgen raucht! Der Thee des Nachmittags, Caffee des Morgens trin- ket, Und fruͤh ſein Maͤdchen ſieht, wenn es ſich nicht ge- ſchminket! Weit ſchneller fließet fruͤh dem Anwald das Libell; Purganzen wirken fruͤh; fruͤh reimt der Vers ſich ſchnell. Doch weh der gnaͤdgen Frau, die ihrem Stand entſa- get, Und, Buͤrgersleuten gleich, an Morgenluft ſich waget! Kein Kerl, kein Maͤdchen wacht, Caffee iſt nicht be- ſtellt, Kein

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/114>, abgerufen am 23.05.2024.