Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763].

Bild:
<< vorherige Seite

Murner in der Hölle.
Und mit Laubwerk gestickt; besah ihn mit geitzigen Bli-
cken,
Rollt' ihn zusammen, und sprach: Dem Himmel sey
Dank, daß du endlich
Deinen verräthrischen Hals gebrochen, verworfnes Ge-
schöpfe!
Wohl mir! daß ich dich todt, du falsche Bestie, sehe;
O wie bin ich so sicher nunmehr, daß künftig mein
Fräulein
Jn dem Schooße dich wiegt, und dich aus Zärtlichkeit
küsset.
Pfui! wie konnten die schönsten Lippen so zärtlich dich
küssen,
Und wie konnte die weicheste Hand dein Fuchshaar so
streicheln!
Geh nun hin, du hungriger Räuber, und friß mir den
Braten,
Oder das braune Ragout, das ich vom Munde mir
sparte!
Geh nun hin, und würge dir Tauben, und hohle dir
ferner
Papageyen zum leckernen Fraß! es sey dir erlaubet!

Also spottete sie des armen getödteten Murners.
O wie plötzlich ändern sich nicht die gleisenden Reden
Eines veränderten Hofs, der nichts mehr fürchtet und
hoffet!
Jetzt

Murner in der Hoͤlle.
Und mit Laubwerk geſtickt; beſah ihn mit geitzigen Bli-
cken,
Rollt’ ihn zuſammen, und ſprach: Dem Himmel ſey
Dank, daß du endlich
Deinen verraͤthriſchen Hals gebrochen, verworfnes Ge-
ſchoͤpfe!
Wohl mir! daß ich dich todt, du falſche Beſtie, ſehe;
O wie bin ich ſo ſicher nunmehr, daß kuͤnftig mein
Fraͤulein
Jn dem Schooße dich wiegt, und dich aus Zaͤrtlichkeit
kuͤſſet.
Pfui! wie konnten die ſchoͤnſten Lippen ſo zaͤrtlich dich
kuͤſſen,
Und wie konnte die weicheſte Hand dein Fuchshaar ſo
ſtreicheln!
Geh nun hin, du hungriger Raͤuber, und friß mir den
Braten,
Oder das braune Ragout, das ich vom Munde mir
ſparte!
Geh nun hin, und wuͤrge dir Tauben, und hohle dir
ferner
Papageyen zum leckernen Fraß! es ſey dir erlaubet!

Alſo ſpottete ſie des armen getoͤdteten Murners.
O wie ploͤtzlich aͤndern ſich nicht die gleiſenden Reden
Eines veraͤnderten Hofs, der nichts mehr fuͤrchtet und
hoffet!
Jetzt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <pb facs="#f0150" n="142"/>
              <fw place="top" type="header">Murner in der Ho&#x0364;lle.</fw><lb/>
              <l>Und mit Laubwerk ge&#x017F;tickt; be&#x017F;ah ihn mit geitzigen Bli-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">cken,</hi> </l><lb/>
              <l>Rollt&#x2019; ihn zu&#x017F;ammen, und &#x017F;prach: Dem Himmel &#x017F;ey</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Dank, daß du endlich</hi> </l><lb/>
              <l>Deinen verra&#x0364;thri&#x017F;chen Hals gebrochen, verworfnes Ge-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;cho&#x0364;pfe!</hi> </l><lb/>
              <l>Wohl mir! daß ich dich todt, du fal&#x017F;che Be&#x017F;tie, &#x017F;ehe;</l><lb/>
              <l>O wie bin ich &#x017F;o &#x017F;icher nunmehr, daß ku&#x0364;nftig mein</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Fra&#x0364;ulein</hi> </l><lb/>
              <l>Jn dem Schooße dich wiegt, und dich aus Za&#x0364;rtlichkeit</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et.</hi> </l><lb/>
              <l>Pfui! wie konnten die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Lippen &#x017F;o za&#x0364;rtlich dich</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en,</hi> </l><lb/>
              <l>Und wie konnte die weiche&#x017F;te Hand dein Fuchshaar &#x017F;o</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;treicheln!</hi> </l><lb/>
              <l>Geh nun hin, du hungriger Ra&#x0364;uber, und friß mir den</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Braten,</hi> </l><lb/>
              <l>Oder das braune Ragout, das ich vom Munde mir</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;parte!</hi> </l><lb/>
              <l>Geh nun hin, und wu&#x0364;rge dir Tauben, und hohle dir</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ferner</hi> </l><lb/>
              <l>Papageyen zum leckernen Fraß! es &#x017F;ey dir erlaubet!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Al&#x017F;o &#x017F;pottete &#x017F;ie des armen geto&#x0364;dteten Murners.</l><lb/>
              <l>O wie plo&#x0364;tzlich a&#x0364;ndern &#x017F;ich nicht die glei&#x017F;enden Reden</l><lb/>
              <l>Eines vera&#x0364;nderten Hofs, der nichts mehr fu&#x0364;rchtet und</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">hoffet!</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Jetzt</fw><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0150] Murner in der Hoͤlle. Und mit Laubwerk geſtickt; beſah ihn mit geitzigen Bli- cken, Rollt’ ihn zuſammen, und ſprach: Dem Himmel ſey Dank, daß du endlich Deinen verraͤthriſchen Hals gebrochen, verworfnes Ge- ſchoͤpfe! Wohl mir! daß ich dich todt, du falſche Beſtie, ſehe; O wie bin ich ſo ſicher nunmehr, daß kuͤnftig mein Fraͤulein Jn dem Schooße dich wiegt, und dich aus Zaͤrtlichkeit kuͤſſet. Pfui! wie konnten die ſchoͤnſten Lippen ſo zaͤrtlich dich kuͤſſen, Und wie konnte die weicheſte Hand dein Fuchshaar ſo ſtreicheln! Geh nun hin, du hungriger Raͤuber, und friß mir den Braten, Oder das braune Ragout, das ich vom Munde mir ſparte! Geh nun hin, und wuͤrge dir Tauben, und hohle dir ferner Papageyen zum leckernen Fraß! es ſey dir erlaubet! Alſo ſpottete ſie des armen getoͤdteten Murners. O wie ploͤtzlich aͤndern ſich nicht die gleiſenden Reden Eines veraͤnderten Hofs, der nichts mehr fuͤrchtet und hoffet! Jetzt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/150
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 2. [Braunschweig], [1763], S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften02_1763/150>, abgerufen am 27.11.2024.