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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Die Nacht.
Mächtiger Strom? Was zwinget mein Herz zum
traurigen Anblick

Rührender Bilder der Phantasey? Jch sehe die Ruhstai
Meines Vaters, um welchen noch oft mein Auge sich
netzet.

Bester der Väter! O daß ich dir nicht, mit der zärtli-
chen Rechte,

Unter dem sterbenden Haupte gelegen! O daß ich dein
Auge

Nicht noch einmal mir lächeln gesehn! O daß dir mein
Herz nicht

Nur noch einmal gedankt für alle zärtliche Sorge,
Nur noch einmal die Hand dir geküßt, und weinend
den Seegen,

Den du entfernt mir ertheilt, von deinen Lippen em-
pfangen!

Dir singt dankbar dies nächtliche Lied. Die traurige
Muse

Streut dir den Weyhrauch hier aus, den sie dir schul-
dig geworden.

Wer vordienet ihn mehr noch, als du? Du gabst mir
die Leyer

Schon

Die Nacht.
Maͤchtiger Strom? Was zwinget mein Herz zum
traurigen Anblick

Ruͤhrender Bilder der Phantaſey? Jch ſehe die Ruhſtai
Meines Vaters, um welchen noch oft mein Auge ſich
netzet.

Beſter der Vaͤter! O daß ich dir nicht, mit der zaͤrtli-
chen Rechte,

Unter dem ſterbenden Haupte gelegen! O daß ich dein
Auge

Nicht noch einmal mir laͤcheln geſehn! O daß dir mein
Herz nicht

Nur noch einmal gedankt fuͤr alle zaͤrtliche Sorge,
Nur noch einmal die Hand dir gekuͤßt, und weinend
den Seegen,

Den du entfernt mir ertheilt, von deinen Lippen em-
pfangen!

Dir ſingt dankbar dies naͤchtliche Lied. Die traurige
Muſe

Streut dir den Weyhrauch hier aus, den ſie dir ſchul-
dig geworden.

Wer vordienet ihn mehr noch, als du? Du gabſt mir
die Leyer

Schon
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[171/0179] Die Nacht. Maͤchtiger Strom? Was zwinget mein Herz zum traurigen Anblick Ruͤhrender Bilder der Phantaſey? Jch ſehe die Ruhſtai Meines Vaters, um welchen noch oft mein Auge ſich netzet. Beſter der Vaͤter! O daß ich dir nicht, mit der zaͤrtli- chen Rechte, Unter dem ſterbenden Haupte gelegen! O daß ich dein Auge Nicht noch einmal mir laͤcheln geſehn! O daß dir mein Herz nicht Nur noch einmal gedankt fuͤr alle zaͤrtliche Sorge, Nur noch einmal die Hand dir gekuͤßt, und weinend den Seegen, Den du entfernt mir ertheilt, von deinen Lippen em- pfangen! Dir ſingt dankbar dies naͤchtliche Lied. Die traurige Muſe Streut dir den Weyhrauch hier aus, den ſie dir ſchul- dig geworden. Wer vordienet ihn mehr noch, als du? Du gabſt mir die Leyer Schon

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/179>, abgerufen am 19.05.2024.