Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Von arbeitenden Menschen, von einzeln weidendenHeerden, Welches sich mit der wallenden Fluth der Saaten ver- mischet, Reitzt den wandernden Blick mit einem lachenden Wechsel. Und noch schläft der Bewohner der Stadt? und kennt nicht die Freuden, Die auf jegliche Flur die Hand des Morgens geschüt- tet? Er sieht nicht das holde Gesicht der ermunterten Erde- Welche, gebadet in Thau, mit frischerer Schönheit um- hersieht? O der Schande! Verhüllet in Dampf, vergraben in Federn, Träumt er den Morgen vorbey; in Phantaseyen ver- wirret, Welche die Dünste des Weins im brausenden Blute gebildet. Und ihr, holde Schönen der Stadt! wie fliesset so traurig Euch das Leben dahin! wie ist euch die Anmuth ver- hüllet, Welche der heitere Morgen auf jeden Spatzierenden schüttet, Der in heiliger Nacht ehrwürdiger Wälder von Eichen, Oder am Teich, die goldenen Wolken beschauend, ein- hertritt! Warum B 4
Der Morgen. Von arbeitenden Menſchen, von einzeln weidendenHeerden, Welches ſich mit der wallenden Fluth der Saaten ver- miſchet, Reitzt den wandernden Blick mit einem lachenden Wechſel. Und noch ſchlaͤft der Bewohner der Stadt? und kennt nicht die Freuden, Die auf jegliche Flur die Hand des Morgens geſchuͤt- tet? Er ſieht nicht das holde Geſicht der ermunterten Erde- Welche, gebadet in Thau, mit friſcherer Schoͤnheit um- herſieht? O der Schande! Verhuͤllet in Dampf, vergraben in Federn, Traͤumt er den Morgen vorbey; in Phantaſeyen ver- wirret, Welche die Duͤnſte des Weins im brauſenden Blute gebildet. Und ihr, holde Schoͤnen der Stadt! wie flieſſet ſo traurig Euch das Leben dahin! wie iſt euch die Anmuth ver- huͤllet, Welche der heitere Morgen auf jeden Spatzierenden ſchuͤttet, Der in heiliger Nacht ehrwuͤrdiger Waͤlder von Eichen, Oder am Teich, die goldenen Wolken beſchauend, ein- hertritt! Warum B 4
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Der Morgen.
Von arbeitenden Menſchen, von einzeln weidenden
Heerden,
Welches ſich mit der wallenden Fluth der Saaten ver-
miſchet,
Reitzt den wandernden Blick mit einem lachenden
Wechſel.
Und noch ſchlaͤft der Bewohner der Stadt? und kennt
nicht die Freuden,
Die auf jegliche Flur die Hand des Morgens geſchuͤt-
tet?
Er ſieht nicht das holde Geſicht der ermunterten Erde-
Welche, gebadet in Thau, mit friſcherer Schoͤnheit um-
herſieht?
O der Schande! Verhuͤllet in Dampf, vergraben in
Federn,
Traͤumt er den Morgen vorbey; in Phantaſeyen ver-
wirret,
Welche die Duͤnſte des Weins im brauſenden Blute
gebildet.
Und ihr, holde Schoͤnen der Stadt! wie flieſſet ſo
traurig
Euch das Leben dahin! wie iſt euch die Anmuth ver-
huͤllet,
Welche der heitere Morgen auf jeden Spatzierenden
ſchuͤttet,
Der in heiliger Nacht ehrwuͤrdiger Waͤlder von Eichen,
Oder am Teich, die goldenen Wolken beſchauend, ein-
hertritt!
Warum
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