Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Morgen. Jhr ists nicht zu gering, die Dirnen zum Fleisse zuspornen; Sie sieht selbst den Vorrath der Milch, und ordnet des Gartens Anbau an; und rufet dem Schwarm der irrenden Hühner, Welche die Stimme sogleich der schönen Gebieterin kennen. Sie verlassen das thauigte Gras, vom Hahne geführet; Kommen aus Scheuren und Ställen hervor, bis gül- dener Regen Aus dem Fenster über sie rauscht. Sie hacken die Körner Eilig auf, und beissen voll Neid auf Sperling' und Tauben, Welche sich unter sie mischen, und ihre Nahrung sich stehlen. Alsdann wendet sie sich zurück, und wenn sie im süssesten Schlummer Jhren Geliebten noch sieht; beugt sie sich über sein Ant- litz, Hänget darüber in stiller Entzückung und schmelzenden Freuden, Und küßt sanft ihm die Wange, die auch im Schlummer ihr Anmuth Lächelt. Dann bringt sie auf zärtlichem Arm den Erst- ling der Liebe, Ein aufblühendes Mädchen, das ihrer Reizungen Bild ist, Und
Der Morgen. Jhr iſts nicht zu gering, die Dirnen zum Fleiſſe zuſpornen; Sie ſieht ſelbſt den Vorrath der Milch, und ordnet des Gartens Anbau an; und rufet dem Schwarm der irrenden Huͤhner, Welche die Stimme ſogleich der ſchoͤnen Gebieterin kennen. Sie verlaſſen das thauigte Gras, vom Hahne gefuͤhret; Kommen aus Scheuren und Staͤllen hervor, bis guͤl- dener Regen Aus dem Fenſter uͤber ſie rauſcht. Sie hacken die Koͤrner Eilig auf, und beiſſen voll Neid auf Sperling’ und Tauben, Welche ſich unter ſie miſchen, und ihre Nahrung ſich ſtehlen. Alsdann wendet ſie ſich zuruͤck, und wenn ſie im ſuͤſſeſten Schlummer Jhren Geliebten noch ſieht; beugt ſie ſich uͤber ſein Ant- litz, Haͤnget daruͤber in ſtiller Entzuͤckung und ſchmelzenden Freuden, Und kuͤßt ſanft ihm die Wange, die auch im Schlummer ihr Anmuth Laͤchelt. Dann bringt ſie auf zaͤrtlichem Arm den Erſt- ling der Liebe, Ein aufbluͤhendes Maͤdchen, das ihrer Reizungen Bild iſt, Und
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Der Morgen.
Jhr iſts nicht zu gering, die Dirnen zum Fleiſſe zu
ſpornen;
Sie ſieht ſelbſt den Vorrath der Milch, und ordnet des
Gartens
Anbau an; und rufet dem Schwarm der irrenden
Huͤhner,
Welche die Stimme ſogleich der ſchoͤnen Gebieterin
kennen.
Sie verlaſſen das thauigte Gras, vom Hahne gefuͤhret;
Kommen aus Scheuren und Staͤllen hervor, bis guͤl-
dener Regen
Aus dem Fenſter uͤber ſie rauſcht. Sie hacken die
Koͤrner
Eilig auf, und beiſſen voll Neid auf Sperling’ und
Tauben,
Welche ſich unter ſie miſchen, und ihre Nahrung ſich
ſtehlen.
Alsdann wendet ſie ſich zuruͤck, und wenn ſie im ſuͤſſeſten
Schlummer
Jhren Geliebten noch ſieht; beugt ſie ſich uͤber ſein Ant-
litz,
Haͤnget daruͤber in ſtiller Entzuͤckung und ſchmelzenden
Freuden,
Und kuͤßt ſanft ihm die Wange, die auch im Schlummer
ihr Anmuth
Laͤchelt. Dann bringt ſie auf zaͤrtlichem Arm den Erſt-
ling der Liebe,
Ein aufbluͤhendes Maͤdchen, das ihrer Reizungen Bild
iſt,
Und
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