Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mittag.
Liebe hervor, und buhlet auch hier aus siegendem Auge.
Denn oft hat die Natur, auf eine der blühenden Dirnen,
Jhre glücklichsten Reize verschüttet. Mit zierlicher
Länge,

Und mit schmaler Gestalt, durch keine Kleidung er-
künstelt,

Nimmt sie unter den Nymphen sich aus. Jhr feuri-
ger Blick schießt

Mächtige Stralen umher; die reichste Jugend des
Dorfes

Putzt sich allein für sie; ihr streicht die schreyende Fie-
del

Serenaten in einsamer Nacht; die buntesten Sträusser
Fliegen ihr von den Jünglingen zu, auch öfters am
Jahrmarkt

Manches schimmernde Band. Sie hält am niederen
Landtisch,

Durch der Schönheit Gewalt, die rauhesten Sitten in
Ordnung.

Sind wohl die Sitten so fein am wilden Tische
des Junkers?

Mit der Grobheit vermählt sitzt er bey theuren Gerich-
ten

Unter plumpen schmarotzenden Gästen als Witzling be-
wundert.

Jn den entweihten Pocal rauscht Wein, von Dumm-
heit vergället,

Und

Der Mittag.
Liebe hervor, und buhlet auch hier aus ſiegendem Auge.
Denn oft hat die Natur, auf eine der bluͤhenden Dirnen,
Jhre gluͤcklichſten Reize verſchuͤttet. Mit zierlicher
Laͤnge,

Und mit ſchmaler Geſtalt, durch keine Kleidung er-
kuͤnſtelt,

Nimmt ſie unter den Nymphen ſich aus. Jhr feuri-
ger Blick ſchießt

Maͤchtige Stralen umher; die reichſte Jugend des
Dorfes

Putzt ſich allein fuͤr ſie; ihr ſtreicht die ſchreyende Fie-
del

Serenaten in einſamer Nacht; die bunteſten Straͤuſſer
Fliegen ihr von den Juͤnglingen zu, auch oͤfters am
Jahrmarkt

Manches ſchimmernde Band. Sie haͤlt am niederen
Landtiſch,

Durch der Schoͤnheit Gewalt, die rauheſten Sitten in
Ordnung.

Sind wohl die Sitten ſo fein am wilden Tiſche
des Junkers?

Mit der Grobheit vermaͤhlt ſitzt er bey theuren Gerich-
ten

Unter plumpen ſchmarotzenden Gaͤſten als Witzling be-
wundert.

Jn den entweihten Pocal rauſcht Wein, von Dumm-
heit vergaͤllet,

Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0069" n="61"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Mittag.</hi> </fw><lb/>
          <l>Liebe hervor, und buhlet auch hier aus &#x017F;iegendem Auge.</l><lb/>
          <l>Denn oft hat die Natur, auf eine der blu&#x0364;henden Dirnen,</l><lb/>
          <l>Jhre glu&#x0364;cklich&#x017F;ten Reize ver&#x017F;chu&#x0364;ttet. Mit zierlicher<lb/><hi rendition="#et">La&#x0364;nge,</hi></l><lb/>
          <l>Und mit &#x017F;chmaler Ge&#x017F;talt, durch keine Kleidung er-<lb/><hi rendition="#et">ku&#x0364;n&#x017F;telt,</hi></l><lb/>
          <l>Nimmt &#x017F;ie unter den Nymphen &#x017F;ich aus. Jhr feuri-<lb/><hi rendition="#et">ger Blick &#x017F;chießt</hi></l><lb/>
          <l>Ma&#x0364;chtige Stralen umher; die reich&#x017F;te Jugend des<lb/><hi rendition="#et">Dorfes</hi></l><lb/>
          <l>Putzt &#x017F;ich allein fu&#x0364;r &#x017F;ie; ihr &#x017F;treicht die &#x017F;chreyende Fie-<lb/><hi rendition="#et">del</hi></l><lb/>
          <l>Serenaten in ein&#x017F;amer Nacht; die bunte&#x017F;ten Stra&#x0364;u&#x017F;&#x017F;er</l><lb/>
          <l>Fliegen ihr von den Ju&#x0364;nglingen zu, auch o&#x0364;fters am<lb/><hi rendition="#et">Jahrmarkt</hi></l><lb/>
          <l>Manches &#x017F;chimmernde Band. Sie ha&#x0364;lt am niederen<lb/><hi rendition="#et">Landti&#x017F;ch,</hi></l><lb/>
          <l>Durch der Scho&#x0364;nheit Gewalt, die rauhe&#x017F;ten Sitten in<lb/><hi rendition="#et">Ordnung.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Sind wohl die Sitten &#x017F;o fein am wilden Ti&#x017F;che<lb/><hi rendition="#et">des Junkers?</hi></l><lb/>
          <l>Mit der Grobheit verma&#x0364;hlt &#x017F;itzt er bey theuren Gerich-<lb/><hi rendition="#et">ten</hi></l><lb/>
          <l>Unter plumpen &#x017F;chmarotzenden Ga&#x0364;&#x017F;ten als Witzling be-<lb/><hi rendition="#et">wundert.</hi></l><lb/>
          <l>Jn den entweihten Pocal rau&#x017F;cht Wein, von Dumm-<lb/><hi rendition="#et">heit verga&#x0364;llet,</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[61/0069] Der Mittag. Liebe hervor, und buhlet auch hier aus ſiegendem Auge. Denn oft hat die Natur, auf eine der bluͤhenden Dirnen, Jhre gluͤcklichſten Reize verſchuͤttet. Mit zierlicher Laͤnge, Und mit ſchmaler Geſtalt, durch keine Kleidung er- kuͤnſtelt, Nimmt ſie unter den Nymphen ſich aus. Jhr feuri- ger Blick ſchießt Maͤchtige Stralen umher; die reichſte Jugend des Dorfes Putzt ſich allein fuͤr ſie; ihr ſtreicht die ſchreyende Fie- del Serenaten in einſamer Nacht; die bunteſten Straͤuſſer Fliegen ihr von den Juͤnglingen zu, auch oͤfters am Jahrmarkt Manches ſchimmernde Band. Sie haͤlt am niederen Landtiſch, Durch der Schoͤnheit Gewalt, die rauheſten Sitten in Ordnung. Sind wohl die Sitten ſo fein am wilden Tiſche des Junkers? Mit der Grobheit vermaͤhlt ſitzt er bey theuren Gerich- ten Unter plumpen ſchmarotzenden Gaͤſten als Witzling be- wundert. Jn den entweihten Pocal rauſcht Wein, von Dumm- heit vergaͤllet, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/69
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/69>, abgerufen am 19.05.2024.