Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

Bild:
<< vorherige Seite

Der Mittag.
Auf die Blicke der andern; und späht die geheimesten
Minen.

So eilt traurig die Zeit mit schwerem Schritte vor-
über;

Hier wird Freude zur Quaal, hier ist der Ueberfluß
Mangel.

Wie viel glücklicher sitzet am Zaun auf blumichten
Rasen

Jener, welcher sein Brod mit Schweiß und Arbeit
verdienet!

Den sein Gewissen nicht nagt, und der mit frölichem
Herzen

Zum erworbenen Mahl, das Hunger und Arbeit ge-
würzet,

Uuter die Schatten sich setzt von einer vertraulichen
Linde.

Vor ihm hat die Natur die Wiese zum Teppich gebrei-
tet,

Und der Himmel wölbet sich hier um bunte Gefilde.
Als die Decke des prächtigen Saals, in welchem er
speiset.

Wenn der Mittag bey ihm mit schwülen Lüften vor-
beygeht,

Und der murmelnde Bach, die immer summende Biene,
Jhn im Schatten der rauschenden Esche zum Schlum-
mer verführet:

Sinkt ihm sorglos das Haupt; in einem erfreulichen
Traume

Sieht

Der Mittag.
Auf die Blicke der andern; und ſpaͤht die geheimeſten
Minen.

So eilt traurig die Zeit mit ſchwerem Schritte vor-
uͤber;

Hier wird Freude zur Quaal, hier iſt der Ueberfluß
Mangel.

Wie viel gluͤcklicher ſitzet am Zaun auf blumichten
Raſen

Jener, welcher ſein Brod mit Schweiß und Arbeit
verdienet!

Den ſein Gewiſſen nicht nagt, und der mit froͤlichem
Herzen

Zum erworbenen Mahl, das Hunger und Arbeit ge-
wuͤrzet,

Uuter die Schatten ſich ſetzt von einer vertraulichen
Linde.

Vor ihm hat die Natur die Wieſe zum Teppich gebrei-
tet,

Und der Himmel woͤlbet ſich hier um bunte Gefilde.
Als die Decke des praͤchtigen Saals, in welchem er
ſpeiſet.

Wenn der Mittag bey ihm mit ſchwuͤlen Luͤften vor-
beygeht,

Und der murmelnde Bach, die immer ſummende Biene,
Jhn im Schatten der rauſchenden Eſche zum Schlum-
mer verfuͤhret:

Sinkt ihm ſorglos das Haupt; in einem erfreulichen
Traume

Sieht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg>
          <pb facs="#f0083" n="75"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Der Mittag.</hi> </fw><lb/>
          <l>Auf die Blicke der andern; und &#x017F;pa&#x0364;ht die geheime&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#et">Minen.</hi></l><lb/>
          <l>So eilt traurig die Zeit mit &#x017F;chwerem Schritte vor-<lb/><hi rendition="#et">u&#x0364;ber;</hi></l><lb/>
          <l>Hier wird Freude zur Quaal, hier i&#x017F;t der Ueberfluß<lb/><hi rendition="#et">Mangel.</hi></l>
        </lg><lb/>
        <lg>
          <l>Wie viel glu&#x0364;cklicher &#x017F;itzet am Zaun auf blumichten<lb/><hi rendition="#et">Ra&#x017F;en</hi></l><lb/>
          <l>Jener, welcher &#x017F;ein Brod mit Schweiß und Arbeit<lb/><hi rendition="#et">verdienet!</hi></l><lb/>
          <l>Den &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en nicht nagt, und der mit fro&#x0364;lichem<lb/><hi rendition="#et">Herzen</hi></l><lb/>
          <l>Zum erworbenen Mahl, das Hunger und Arbeit ge-<lb/><hi rendition="#et">wu&#x0364;rzet,</hi></l><lb/>
          <l>Uuter die Schatten &#x017F;ich &#x017F;etzt von einer vertraulichen<lb/><hi rendition="#et">Linde.</hi></l><lb/>
          <l>Vor ihm hat die Natur die Wie&#x017F;e zum Teppich gebrei-<lb/><hi rendition="#et">tet,</hi></l><lb/>
          <l>Und der Himmel wo&#x0364;lbet &#x017F;ich hier um bunte Gefilde.</l><lb/>
          <l>Als die Decke des pra&#x0364;chtigen Saals, in welchem er<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;pei&#x017F;et.</hi></l><lb/>
          <l>Wenn der Mittag bey ihm mit &#x017F;chwu&#x0364;len Lu&#x0364;ften vor-<lb/><hi rendition="#et">beygeht,</hi></l><lb/>
          <l>Und der murmelnde Bach, die immer &#x017F;ummende Biene,</l><lb/>
          <l>Jhn im Schatten der rau&#x017F;chenden E&#x017F;che zum Schlum-<lb/><hi rendition="#et">mer verfu&#x0364;hret:</hi></l><lb/>
          <l>Sinkt ihm &#x017F;orglos das Haupt; in einem erfreulichen<lb/><hi rendition="#et">Traume</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Sieht</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0083] Der Mittag. Auf die Blicke der andern; und ſpaͤht die geheimeſten Minen. So eilt traurig die Zeit mit ſchwerem Schritte vor- uͤber; Hier wird Freude zur Quaal, hier iſt der Ueberfluß Mangel. Wie viel gluͤcklicher ſitzet am Zaun auf blumichten Raſen Jener, welcher ſein Brod mit Schweiß und Arbeit verdienet! Den ſein Gewiſſen nicht nagt, und der mit froͤlichem Herzen Zum erworbenen Mahl, das Hunger und Arbeit ge- wuͤrzet, Uuter die Schatten ſich ſetzt von einer vertraulichen Linde. Vor ihm hat die Natur die Wieſe zum Teppich gebrei- tet, Und der Himmel woͤlbet ſich hier um bunte Gefilde. Als die Decke des praͤchtigen Saals, in welchem er ſpeiſet. Wenn der Mittag bey ihm mit ſchwuͤlen Luͤften vor- beygeht, Und der murmelnde Bach, die immer ſummende Biene, Jhn im Schatten der rauſchenden Eſche zum Schlum- mer verfuͤhret: Sinkt ihm ſorglos das Haupt; in einem erfreulichen Traume Sieht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/83
Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/83>, abgerufen am 21.11.2024.