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Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658.

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Die XXI. Frag.
wurden auch die Gesätzgeber/ den Richtern/ so gros-
sen Gewalt niemals einraumen/ wann sie alles den
Gesätzen hätten einverleiben mögen. Zu dem kan
man nicht allezeit dem strengen Recht nachgehen/
sondern muß bißweilen auch auff die Billigkeit se-
hen. Dann wo diese von dem Gesätz abgesondert
wird/ so ist solches gleichsam ein Cörper ohne Blut/
und Seel; und wäre also/ unter der Tyranney deß
Gesätzes/ ärger/ als unter eines Menschen Tyran-
ney/ zu leben. Und deßwegen so lässt ein allgemei-
nes Gesätz/ entweder wegen der Nutzbarkeit/ oder
Nothwendigkeit/ oder der Erbarkeit/ oder auß an-
dern Vrsachen einen Nachlaß zu: und wo etwas in
einem Gesätz nicht klärlich entscheiden/ da soll ein
Richter/ nach seiner Weißheit/ dem Abgang/ und
mangel deß Gesätzes zu hülff kommen/ nicht daß er
das Gefätz auffhebe/ sondern dasselbe vollständiger
mache. Es ist aber das/ was gesagt worden/ nicht
dahin zuverstehen/ daß mann wegen Geschenck/
Freundschafft oder Haß/ das Recht biegen/ oder
auff Reichthumb und Armuht sehen/ auch nicht
wider/ sondern nach den Gesätzen/ damit sie im Bie-
gen nicht gar brechen/ urtheilen solle. Erklären kan
man sie wann sie gar zu scharff/ und von der natür-
lichen Billigkeit abweichen/ oder die Wort derselben
nicht klar/ oder zweiffelhafft seyn; oder unterschied-
liches bedeuten thun. S. L. plac. 8. C. dejud. l. in o-
mnib. 90. de R. J. L. 13. §. 7. ff. de excus. Tut. l. 29. §.
4. ff. Mand. l. bona fides. 31. ff. Depos. l. quod con-

stitutum
E

Die XXI. Frag.
wurden auch die Geſaͤtzgeber/ den Richtern/ ſo groſ-
ſen Gewalt niemals einraumen/ wann ſie alles den
Geſaͤtzen haͤtten einverleiben moͤgen. Zu dem kan
man nicht allezeit dem ſtrengen Recht nachgehen/
ſondern muß bißweilen auch auff die Billigkeit ſe-
hen. Dann wo dieſe von dem Geſaͤtz abgeſondert
wird/ ſo iſt ſolches gleichſam ein Coͤrper ohne Blut/
und Seel; und waͤre alſo/ unter der Tyranney deß
Geſaͤtzes/ aͤrger/ als unter eines Menſchen Tyran-
ney/ zu leben. Und deßwegen ſo laͤſſt ein allgemei-
nes Geſaͤtz/ entweder wegen der Nutzbarkeit/ oder
Nothwendigkeit/ oder der Erbarkeit/ oder auß an-
dern Vrſachen einen Nachlaß zu: und wo etwas in
einem Geſaͤtz nicht klaͤrlich entſcheiden/ da ſoll ein
Richter/ nach ſeiner Weißheit/ dem Abgang/ und
mangel deß Geſaͤtzes zu huͤlff kommen/ nicht daß er
das Gefaͤtz auffhebe/ ſondern daſſelbe vollſtaͤndiger
mache. Es iſt aber das/ was geſagt worden/ nicht
dahin zuverſtehen/ daß mann wegen Geſchenck/
Freundſchafft oder Haß/ das Recht biegen/ oder
auff Reichthumb und Armuht ſehen/ auch nicht
wider/ ſondern nach den Geſaͤtzen/ damit ſie im Bie-
gen nicht gar brechen/ urtheilen ſolle. Erklaͤren kan
man ſie wann ſie gar zu ſcharff/ und von der natuͤr-
lichen Billigkeit abweichen/ oder die Wort derſelben
nicht klar/ oder zweiffelhafft ſeyn; oder unterſchied-
liches bedeuten thun. S. L. plac. 8. C. dejud. l. in o-
mnib. 90. de R. J. L. 13. §. 7. ff. de excuſ. Tut. l. 29. §.
4. ff. Mand. l. bona fides. 31. ff. Depoſ. l. quod con-

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[65/0081] Die XXI. Frag. wurden auch die Geſaͤtzgeber/ den Richtern/ ſo groſ- ſen Gewalt niemals einraumen/ wann ſie alles den Geſaͤtzen haͤtten einverleiben moͤgen. Zu dem kan man nicht allezeit dem ſtrengen Recht nachgehen/ ſondern muß bißweilen auch auff die Billigkeit ſe- hen. Dann wo dieſe von dem Geſaͤtz abgeſondert wird/ ſo iſt ſolches gleichſam ein Coͤrper ohne Blut/ und Seel; und waͤre alſo/ unter der Tyranney deß Geſaͤtzes/ aͤrger/ als unter eines Menſchen Tyran- ney/ zu leben. Und deßwegen ſo laͤſſt ein allgemei- nes Geſaͤtz/ entweder wegen der Nutzbarkeit/ oder Nothwendigkeit/ oder der Erbarkeit/ oder auß an- dern Vrſachen einen Nachlaß zu: und wo etwas in einem Geſaͤtz nicht klaͤrlich entſcheiden/ da ſoll ein Richter/ nach ſeiner Weißheit/ dem Abgang/ und mangel deß Geſaͤtzes zu huͤlff kommen/ nicht daß er das Gefaͤtz auffhebe/ ſondern daſſelbe vollſtaͤndiger mache. Es iſt aber das/ was geſagt worden/ nicht dahin zuverſtehen/ daß mann wegen Geſchenck/ Freundſchafft oder Haß/ das Recht biegen/ oder auff Reichthumb und Armuht ſehen/ auch nicht wider/ ſondern nach den Geſaͤtzen/ damit ſie im Bie- gen nicht gar brechen/ urtheilen ſolle. Erklaͤren kan man ſie wann ſie gar zu ſcharff/ und von der natuͤr- lichen Billigkeit abweichen/ oder die Wort derſelben nicht klar/ oder zweiffelhafft ſeyn; oder unterſchied- liches bedeuten thun. S. L. plac. 8. C. dejud. l. in o- mnib. 90. de R. J. L. 13. §. 7. ff. de excuſ. Tut. l. 29. §. 4. ff. Mand. l. bona fides. 31. ff. Depoſ. l. quod con- ſtitutum E

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/81>, abgerufen am 24.11.2024.