Zeller, Eduard: Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntniss-Theorie. Ein akademischer Vortrag. Heidelberg, 1862.nahme angeborener Ideen, und er war folgerichtig genug, nahme angeborener Ideen, und er war folgerichtig genug, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0016" n="12"/> nahme angeborener Ideen, und er war folgerichtig genug,<lb/> diese Annahme, den Forderungen seines ganzen Systems<lb/> entsprechend, bis zu dem Punkt fortzuführen, zu dem<lb/> sie schon in der cartesianischen Schule und bei <hi rendition="#g">Spinoza</hi><lb/> unverkennbar hingedrängt hatte, zu der Behauptung,<lb/> dass <hi rendition="#g">alle</hi> unsere Vorstellungen ohne Ausnahme ange¬<lb/> borene Ideen seien, dass alle aus unserem eigenen Geiste<lb/> hervorgehen und mit den äusseren Erscheinungen zwar<lb/> zeitlich zusammentreffen, aber nicht unmittelbar durch<lb/> ihre Einwirkung erzeugt werden. Zugleich fand aber<lb/> Leibnitz in der Unterscheidung der unbewussten und<lb/> der bewussten, der verworrenen und deutlichen Vor¬<lb/> stellungen, in der Lehre von den verschiedenen Ent¬<lb/> wicklungsstufen des geistigen Lebens das Mittel, die<lb/> Erfahrung und Sinnesempfindung selbst in diese Ent¬<lb/> wicklung mit aufzunehmen, und sie von seinem Stand¬<lb/> punkt aus zu erklären. Der Locke’sche Empirismus<lb/> wurde von den französischen Philosophen des 18. Jahr¬<lb/> hunderts zum Sensualismus, weiterhin zum Materialismus<lb/> fortgebildet; in England gieng aus demselben zuerst <hi rendition="#g">Ber¬<lb/> keley’s</hi> Idealismus, dann <hi rendition="#g">David Hume’s</hi> Skepsis<lb/> hervor, welcher die schottische Schule in der Hauptsache<lb/> doch nur die Berufung auf die Voraussetzungen und<lb/> Bedürfnisse des unphilosophischen Bewusstseins entge¬<lb/> genzustellen wusste. Auf dem gleichen Punkt war aber<lb/> auch die deutsche Philosophie angelangt, nachdem der<lb/> leibnitzische Spiritualismus bei <hi rendition="#g">Wolff</hi> in einen logischen<lb/> Formalismus umgeschlagen war, der seine reale Ergän¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [12/0016]
nahme angeborener Ideen, und er war folgerichtig genug,
diese Annahme, den Forderungen seines ganzen Systems
entsprechend, bis zu dem Punkt fortzuführen, zu dem
sie schon in der cartesianischen Schule und bei Spinoza
unverkennbar hingedrängt hatte, zu der Behauptung,
dass alle unsere Vorstellungen ohne Ausnahme ange¬
borene Ideen seien, dass alle aus unserem eigenen Geiste
hervorgehen und mit den äusseren Erscheinungen zwar
zeitlich zusammentreffen, aber nicht unmittelbar durch
ihre Einwirkung erzeugt werden. Zugleich fand aber
Leibnitz in der Unterscheidung der unbewussten und
der bewussten, der verworrenen und deutlichen Vor¬
stellungen, in der Lehre von den verschiedenen Ent¬
wicklungsstufen des geistigen Lebens das Mittel, die
Erfahrung und Sinnesempfindung selbst in diese Ent¬
wicklung mit aufzunehmen, und sie von seinem Stand¬
punkt aus zu erklären. Der Locke’sche Empirismus
wurde von den französischen Philosophen des 18. Jahr¬
hunderts zum Sensualismus, weiterhin zum Materialismus
fortgebildet; in England gieng aus demselben zuerst Ber¬
keley’s Idealismus, dann David Hume’s Skepsis
hervor, welcher die schottische Schule in der Hauptsache
doch nur die Berufung auf die Voraussetzungen und
Bedürfnisse des unphilosophischen Bewusstseins entge¬
genzustellen wusste. Auf dem gleichen Punkt war aber
auch die deutsche Philosophie angelangt, nachdem der
leibnitzische Spiritualismus bei Wolff in einen logischen
Formalismus umgeschlagen war, der seine reale Ergän¬
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