Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.zweites Buch. aber kehrete sich an nichts. Er stellete sich/ alsverstünde er nicht/ was sie meinete. Alda be- fand sich auch ein alter Hahn. Wan dieser aus seinem Hühnerhause herfür traht/ verlies die Henne den Habicht. Doch kahm sie straks wie- der/ so bald der Hahn den rükken gewendet. Sie klukkerte/ sie kürrete rund üm den Habicht her- üm. Sie pikte ihm erst nach den pfoten/ und dan nach dem schnabel. Endlich/ als er unbe- weglich/ und ihr lieblen gleichsam zu verschmä- hen schien/ ergrif sie ihn mit dem schnabel beiden federn. Er aber ris sich loß/ und flohe darvon. Eben kahm der alte Hahn wieder herfür. Dem lief die Henne/ mit des Habichts federn im schnabel/ straks entgegen. Eine guhte weile klukkerten sie miteinander. Ohne zweifel gab die Henne dem Hahne zu verstehen/ daß ihr der Habicht gewalt zu fügen wollen. Dan der Hahn stellete sich/ nach langem geklukkere/ gantz er- grimmet an. Der kam/ der zuvor bleich gewe- sen/ war nunmehr gantz feurroht. In solchem erboßten wesen lief er dem Habichte nach/ und jagte sich so lange mit ihm herüm/ bis er ihn in ein kellerloch getrieben. Vor diesem loche hielt der Hahn drei stunden lang schildwache; damit der Habicht nicht darvon kähme. Aber ein Leus jagte den Hahn vor dem loche weg; und erlösete also den Habicht/ der sich in einen Adler zu ver- ändern schien/ aus seiner gefängnüs. Kaum hatte sich Semesse aus ihrem bette erho- ge- F ij
zweites Buch. aber kehrete ſich an nichts. Er ſtellete ſich/ alsverſtuͤnde er nicht/ was ſie meinete. Alda be- fand ſich auch ein alter Hahn. Wan dieſer aus ſeinem Huͤhnerhauſe herfuͤr traht/ verlies die Henne den Habicht. Doch kahm ſie ſtraks wie- der/ ſo bald der Hahn den ruͤkken gewendet. Sie klukkerte/ ſie kuͤrrete rund uͤm den Habicht her- uͤm. Sie pikte ihm erſt nach den pfoten/ und dan nach dem ſchnabel. Endlich/ als er unbe- weglich/ und ihr lieblen gleichſam zu verſchmaͤ- hen ſchien/ ergrif ſie ihn mit dem ſchnabel beiden federn. Er aber ris ſich loß/ und flohe darvon. Eben kahm der alte Hahn wieder herfuͤr. Dem lief die Henne/ mit des Habichts federn im ſchnabel/ ſtraks entgegen. Eine guhte weile klukkerten ſie miteinander. Ohne zweifel gab die Henne dem Hahne zu verſtehen/ daß ihr der Habicht gewalt zu fuͤgen wollen. Dan der Hahn ſtellete ſich/ nach langem geklukkere/ gantz er- grimmet an. Der kam/ der zuvor bleich gewe- ſen/ war nunmehr gantz feurroht. In ſolchem erboßten weſen lief er dem Habichte nach/ und jagte ſich ſo lange mit ihm heruͤm/ bis er ihn in ein kellerloch getrieben. Vor dieſem loche hielt der Hahn drei ſtunden lang ſchildwache; damit der Habicht nicht darvon kaͤhme. Aber ein Leus jagte den Hahn vor dem loche weg; und erloͤſete alſo den Habicht/ der ſich in einen Adler zu ver- aͤndern ſchien/ aus ſeiner gefaͤngnuͤs. Kaum hatte ſich Semeſſe aus ihrem bette erho- ge- F ij
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zweites Buch.
aber kehrete ſich an nichts. Er ſtellete ſich/ als
verſtuͤnde er nicht/ was ſie meinete. Alda be-
fand ſich auch ein alter Hahn. Wan dieſer aus
ſeinem Huͤhnerhauſe herfuͤr traht/ verlies die
Henne den Habicht. Doch kahm ſie ſtraks wie-
der/ ſo bald der Hahn den ruͤkken gewendet. Sie
klukkerte/ ſie kuͤrrete rund uͤm den Habicht her-
uͤm. Sie pikte ihm erſt nach den pfoten/ und
dan nach dem ſchnabel. Endlich/ als er unbe-
weglich/ und ihr lieblen gleichſam zu verſchmaͤ-
hen ſchien/ ergrif ſie ihn mit dem ſchnabel beiden
federn. Er aber ris ſich loß/ und flohe darvon.
Eben kahm der alte Hahn wieder herfuͤr. Dem
lief die Henne/ mit des Habichts federn im
ſchnabel/ ſtraks entgegen. Eine guhte weile
klukkerten ſie miteinander. Ohne zweifel gab
die Henne dem Hahne zu verſtehen/ daß ihr der
Habicht gewalt zu fuͤgen wollen. Dan der Hahn
ſtellete ſich/ nach langem geklukkere/ gantz er-
grimmet an. Der kam/ der zuvor bleich gewe-
ſen/ war nunmehr gantz feurroht. In ſolchem
erboßten weſen lief er dem Habichte nach/ und
jagte ſich ſo lange mit ihm heruͤm/ bis er ihn in
ein kellerloch getrieben. Vor dieſem loche hielt
der Hahn drei ſtunden lang ſchildwache; damit
der Habicht nicht darvon kaͤhme. Aber ein Leus
jagte den Hahn vor dem loche weg; und erloͤſete
alſo den Habicht/ der ſich in einen Adler zu ver-
aͤndern ſchien/ aus ſeiner gefaͤngnuͤs.
Kaum hatte ſich Semeſſe aus ihrem bette erho-
ben/ als ſie ſchon nach der Nitokris zimmer zueilete/
ihr dieſen wunderſeltzamen Traum zu erzehlen. Aber
die Fuͤrſt in kahm ihr zu vor. Ach! Semeſſe/ Semeſ-
ſe! ſchriehe ſie auf/ ſo bald ſie die Jungfer erblikte.
Ach! hoͤret doch/ was ich vor einen wunderlichen traum
ge-
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