Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

drittes Buch.
und den fremden Vogel/ das Fährsichen und die junge
Störchin/ mit der Hindin und jungen Henne/ samt
dem alten Hahne/ beisammen. Hier wird nun der As-
senat
Stiefmutter das reinweisse Härmlein zu besu-
deln trachten. Hier ist der ort der Schauburg. Hier
seind die Schauspieler schon alle beieinander. Nun
wird das Schauspiel beginnen. Es wird langsam ge-
spielet; und der anfang mit freuden gemacht werden.
Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das
ende selbst sehr erfreulich und glüklich sein. So lange
mus es währen/ bis Assenat recht volkömlich wird er-
wachsen sein. Also hat es der Himmel versehen. Die
Götter haben es also beschlossen.

Eben als Nitokris in diesen gedanken fortfahren
wolte/ ward sie/ durch ein hastiges klopfen an ihres
Zimmers tühre/ gestöhret. Semesse kahm ihr an zu
dienen/ daß der schöne Leibeigene da sei/ sie zu sprechen.
Geschwinde sprang die Fürstin auf. Geschwinde lief sie
fort/ die tühre selbsten zu eröfnen. So bald sie den Jo-
sef
erblikte/ reichte sie ihm die hand zu/ und zog ihn al-
so in ihr zimmer. O ein seltzamer/ doch lieber Gast!
waren ihre erste worte. Und hierauf boht sie ihm straks/
mit eigener hand/ einen stuhl sich nieder zu laßen. Aber
Josef neugte sich zur erden nieder. Er weigerte sich
diese unhöftigkeit zu begehen. Und Nitokris lies nicht
nach. Nicht eher wolte sie ein wort hören/ er hette sich
dan zuvor gesetzet. So wil ichs dan tuhn/ fing er an/
nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Sonsten hette
ich meine bohtschaft lieber auf den knichen/ wie es mir
alhier geziemen wil/ verrichtet.

Als sie sich nun beide niedergelaßen/ fragte die Kö-
nigliche Fürstin alsobald/ was er guhtes brächte?
Josef gab zur antwort/ daß ihn seine gnädige Fürstin
abgesandt/ Ihrer Königlichen Hoheit derselben unter-
tähnige pflicht an zu melden/ und darbei zu vernehmen/

ob
G v

drittes Buch.
und den fremden Vogel/ das Faͤhrſichen und die junge
Stoͤrchin/ mit der Hindin und jungen Henne/ ſamt
dem alten Hahne/ beiſammen. Hier wird nun der Aſ-
ſenat
Stiefmutter das reinweiſſe Haͤrmlein zu beſu-
deln trachten. Hier iſt der ort der Schauburg. Hier
ſeind die Schauſpieler ſchon alle beieinander. Nun
wird das Schauſpiel beginnen. Es wird langſam ge-
ſpielet; und der anfang mit freuden gemacht werden.
Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das
ende ſelbſt ſehr erfreulich und gluͤklich ſein. So lange
mus es waͤhren/ bis Aſſenat recht volkoͤmlich wird er-
wachſen ſein. Alſo hat es der Himmel verſehen. Die
Goͤtter haben es alſo beſchloſſen.

Eben als Nitokris in dieſen gedanken fortfahren
wolte/ ward ſie/ durch ein haſtiges klopfen an ihres
Zimmers tuͤhre/ geſtoͤhret. Semeſſe kahm ihr an zu
dienen/ daß der ſchoͤne Leibeigene da ſei/ ſie zu ſprechen.
Geſchwinde ſprang die Fuͤrſtin auf. Geſchwinde lief ſie
fort/ die tuͤhre ſelbſten zu eroͤfnen. So bald ſie den Jo-
ſef
erblikte/ reichte ſie ihm die hand zu/ und zog ihn al-
ſo in ihr zimmer. O ein ſeltzamer/ doch lieber Gaſt!
waren ihre erſte worte. Und hierauf boht ſie ihm ſtraks/
mit eigener hand/ einen ſtuhl ſich nieder zu laßen. Aber
Joſef neugte ſich zur erden nieder. Er weigerte ſich
dieſe unhoͤftigkeit zu begehen. Und Nitokris lies nicht
nach. Nicht eher wolte ſie ein wort hoͤren/ er hette ſich
dan zuvor geſetzet. So wil ichs dan tuhn/ fing er an/
nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Sonſten hette
ich meine bohtſchaft lieber auf den knichen/ wie es mir
alhier geziemen wil/ verrichtet.

Als ſie ſich nun beide niedergelaßen/ fragte die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin alſobald/ was er guhtes braͤchte?
Joſef gab zur antwort/ daß ihn ſeine gnaͤdige Fuͤrſtin
abgeſandt/ Ihrer Koͤniglichen Hoheit derſelben unter-
taͤhnige pflicht an zu melden/ und darbei zu vernehmen/

ob
G v
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="105"/><fw place="top" type="header">drittes Buch.</fw><lb/>
und den fremden Vogel/ das Fa&#x0364;hr&#x017F;ichen und die junge<lb/>
Sto&#x0364;rchin/ mit der Hindin und jungen Henne/ &#x017F;amt<lb/>
dem alten Hahne/ bei&#x017F;ammen. Hier wird nun der <hi rendition="#fr">A&#x017F;-<lb/>
&#x017F;enat</hi> Stiefmutter das reinwei&#x017F;&#x017F;e Ha&#x0364;rmlein zu be&#x017F;u-<lb/>
deln trachten. Hier i&#x017F;t der ort der Schauburg. Hier<lb/>
&#x017F;eind die Schau&#x017F;pieler &#x017F;chon alle beieinander. Nun<lb/>
wird das Schau&#x017F;piel beginnen. Es wird lang&#x017F;am ge-<lb/>
&#x017F;pielet; und der anfang mit freuden gemacht werden.<lb/>
Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das<lb/>
ende &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr erfreulich und glu&#x0364;klich &#x017F;ein. So lange<lb/>
mus es wa&#x0364;hren/ bis <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> recht volko&#x0364;mlich wird er-<lb/>
wach&#x017F;en &#x017F;ein. Al&#x017F;o hat es der Himmel ver&#x017F;ehen. Die<lb/>
Go&#x0364;tter haben es al&#x017F;o be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Eben als <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> in die&#x017F;en gedanken fortfahren<lb/>
wolte/ ward &#x017F;ie/ durch ein ha&#x017F;tiges klopfen an ihres<lb/>
Zimmers tu&#x0364;hre/ ge&#x017F;to&#x0364;hret. <hi rendition="#fr">Seme&#x017F;&#x017F;e</hi> kahm ihr an zu<lb/>
dienen/ daß der &#x017F;cho&#x0364;ne Leibeigene da &#x017F;ei/ &#x017F;ie zu &#x017F;prechen.<lb/>
Ge&#x017F;chwinde &#x017F;prang die Fu&#x0364;r&#x017F;tin auf. Ge&#x017F;chwinde lief &#x017F;ie<lb/>
fort/ die tu&#x0364;hre &#x017F;elb&#x017F;ten zu ero&#x0364;fnen. So bald &#x017F;ie den <hi rendition="#fr">Jo-<lb/>
&#x017F;ef</hi> erblikte/ reichte &#x017F;ie ihm die hand zu/ und zog ihn al-<lb/>
&#x017F;o in ihr zimmer. O ein &#x017F;eltzamer/ doch lieber Ga&#x017F;t!<lb/>
waren ihre er&#x017F;te worte. Und hierauf boht &#x017F;ie ihm &#x017F;traks/<lb/>
mit eigener hand/ einen &#x017F;tuhl &#x017F;ich nieder zu laßen. Aber<lb/><hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> neugte &#x017F;ich zur erden nieder. Er weigerte &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;e unho&#x0364;ftigkeit zu begehen. Und <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> lies nicht<lb/>
nach. Nicht eher wolte &#x017F;ie ein wort ho&#x0364;ren/ er hette &#x017F;ich<lb/>
dan zuvor ge&#x017F;etzet. So wil ichs dan tuhn/ fing er an/<lb/>
nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Son&#x017F;ten hette<lb/>
ich meine boht&#x017F;chaft lieber auf den knichen/ wie es mir<lb/>
alhier geziemen wil/ verrichtet.</p><lb/>
        <p>Als &#x017F;ie &#x017F;ich nun beide niedergelaßen/ fragte die Ko&#x0364;-<lb/>
nigliche Fu&#x0364;r&#x017F;tin al&#x017F;obald/ was er guhtes bra&#x0364;chte?<lb/><hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> gab zur antwort/ daß ihn &#x017F;eine gna&#x0364;dige Fu&#x0364;r&#x017F;tin<lb/>
abge&#x017F;andt/ Ihrer Ko&#x0364;niglichen Hoheit der&#x017F;elben unter-<lb/>
ta&#x0364;hnige pflicht an zu melden/ und darbei zu vernehmen/<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G v</fw><fw place="bottom" type="catch">ob</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0129] drittes Buch. und den fremden Vogel/ das Faͤhrſichen und die junge Stoͤrchin/ mit der Hindin und jungen Henne/ ſamt dem alten Hahne/ beiſammen. Hier wird nun der Aſ- ſenat Stiefmutter das reinweiſſe Haͤrmlein zu beſu- deln trachten. Hier iſt der ort der Schauburg. Hier ſeind die Schauſpieler ſchon alle beieinander. Nun wird das Schauſpiel beginnen. Es wird langſam ge- ſpielet; und der anfang mit freuden gemacht werden. Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das ende ſelbſt ſehr erfreulich und gluͤklich ſein. So lange mus es waͤhren/ bis Aſſenat recht volkoͤmlich wird er- wachſen ſein. Alſo hat es der Himmel verſehen. Die Goͤtter haben es alſo beſchloſſen. Eben als Nitokris in dieſen gedanken fortfahren wolte/ ward ſie/ durch ein haſtiges klopfen an ihres Zimmers tuͤhre/ geſtoͤhret. Semeſſe kahm ihr an zu dienen/ daß der ſchoͤne Leibeigene da ſei/ ſie zu ſprechen. Geſchwinde ſprang die Fuͤrſtin auf. Geſchwinde lief ſie fort/ die tuͤhre ſelbſten zu eroͤfnen. So bald ſie den Jo- ſef erblikte/ reichte ſie ihm die hand zu/ und zog ihn al- ſo in ihr zimmer. O ein ſeltzamer/ doch lieber Gaſt! waren ihre erſte worte. Und hierauf boht ſie ihm ſtraks/ mit eigener hand/ einen ſtuhl ſich nieder zu laßen. Aber Joſef neugte ſich zur erden nieder. Er weigerte ſich dieſe unhoͤftigkeit zu begehen. Und Nitokris lies nicht nach. Nicht eher wolte ſie ein wort hoͤren/ er hette ſich dan zuvor geſetzet. So wil ichs dan tuhn/ fing er an/ nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Sonſten hette ich meine bohtſchaft lieber auf den knichen/ wie es mir alhier geziemen wil/ verrichtet. Als ſie ſich nun beide niedergelaßen/ fragte die Koͤ- nigliche Fuͤrſtin alſobald/ was er guhtes braͤchte? Joſef gab zur antwort/ daß ihn ſeine gnaͤdige Fuͤrſtin abgeſandt/ Ihrer Koͤniglichen Hoheit derſelben unter- taͤhnige pflicht an zu melden/ und darbei zu vernehmen/ ob G v

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/129
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/129>, abgerufen am 09.11.2024.