Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite
fünftes Buch.

Also war Assenat nunmehr bekleidet mit weissem
sammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner
seide der Gottseeligkeit. Im ungefärbtem atlasse der
Keuschheit schimmerte sie/ als eine liebliche Lilje. Im
purper der Schaamhaftigkeit blühete sie/ als eine an-
muhtige Rose. In allen Jungfreulichen Tugenden
grühnete sie/ als ein lustiger Lorbeerbaum; und wuchs
auf/ als eine herliche Zeder. Ja sie war volkommen
schön/ als Sara; gantz holdseelig/ als Rebekka;
überaus lieblich/ als Rahel. Und in solchem herlichen
schmukke gefiel sie Gott/ und ihrem Breutigam.

Die freude/ welche diese junge Fürstin über solcher
fröhlichen bohtschaft empfand/ war unaussprechlich.
Auch freuete sie sich in wahrheit nicht ümsonst. Die
höchste gnade des Allerhöchsten war ihr verkündiget.
Der Himmel stund ihr offen: im Buche des lebens ihr
nahme: die lebensspeise vor sie bereitet. Die salbung
mit dem Oehle der heiligkeit war ihr versprochen: Jo-
sef
zum Breutigam geschenket. Nichts konte sie mehr
wündschen. Sie war in die volle glükseeligkeit versetzet.
Die zeitliche und ewige hatte sie beisammen. Und dar-
üm trug sie verlangen dessen nahmen zu wissen/ der ihr
alle diese glükseeligkeit verkündigte. Sie fragte den En-
gel/ wie er hiesse? Er aber gab zur antwort: mein Nah-
me stehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller-
höchsten geschrieben; und alle dinge/ die in demselben
buche stehen/ seind nicht auszusprechen. Auch ist es kei-
nem sterblichen Menschen nütz solches zu hören/ oder
zu sehen.

Hierauf hielt Assenat den Engel bei dem saume
seines Rokkes. Ach! sprach sie/ habe ich gnade für dei-
nen augen gefunden/ so setze dich ein wenig auf mein
bette/ darauf noch kein Mansbild gesessen. Ich wil un-
terdessen hingehen/ und dir die tafel bereiten. Und der
Engel sagte/ daß sie es mit der hast tuhn solte. Hierauf

setzte
O iij
fuͤnftes Buch.

Alſo war Aſſenat nunmehr bekleidet mit weiſſem
ſammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner
ſeide der Gottſeeligkeit. Im ungefaͤrbtem atlaſſe der
Keuſchheit ſchimmerte ſie/ als eine liebliche Lilje. Im
purper der Schaamhaftigkeit bluͤhete ſie/ als eine an-
muhtige Roſe. In allen Jungfreulichen Tugenden
gruͤhnete ſie/ als ein luſtiger Lorbeerbaum; und wuchs
auf/ als eine herliche Zeder. Ja ſie war volkommen
ſchoͤn/ als Sara; gantz holdſeelig/ als Rebekka;
uͤberaus lieblich/ als Rahel. Und in ſolchem herlichen
ſchmukke gefiel ſie Gott/ und ihrem Breutigam.

Die freude/ welche dieſe junge Fuͤrſtin uͤber ſolcher
froͤhlichen bohtſchaft empfand/ war unausſprechlich.
Auch freuete ſie ſich in wahrheit nicht uͤmſonſt. Die
hoͤchſte gnade des Allerhoͤchſten war ihr verkuͤndiget.
Der Himmel ſtund ihr offen: im Buche des lebens ihr
nahme: die lebensſpeiſe vor ſie bereitet. Die ſalbung
mit dem Oehle der heiligkeit war ihr verſprochen: Jo-
ſef
zum Breutigam geſchenket. Nichts konte ſie mehr
wuͤndſchen. Sie war in die volle gluͤkſeeligkeit verſetzet.
Die zeitliche und ewige hatte ſie beiſammen. Und dar-
uͤm trug ſie verlangen deſſen nahmen zu wiſſen/ der ihr
alle dieſe gluͤkſeeligkeit verkuͤndigte. Sie fragte den En-
gel/ wie er hieſſe? Er aber gab zur antwort: mein Nah-
me ſtehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller-
hoͤchſten geſchrieben; und alle dinge/ die in demſelben
buche ſtehen/ ſeind nicht auszuſprechen. Auch iſt es kei-
nem ſterblichen Menſchen nuͤtz ſolches zu hoͤren/ oder
zu ſehen.

Hierauf hielt Aſſenat den Engel bei dem ſaume
ſeines Rokkes. Ach! ſprach ſie/ habe ich gnade fuͤr dei-
nen augen gefunden/ ſo ſetze dich ein wenig auf mein
bette/ darauf noch kein Mansbild geſeſſen. Ich wil un-
terdeſſen hingehen/ und dir die tafel bereiten. Und der
Engel ſagte/ daß ſie es mit der haſt tuhn ſolte. Hierauf

ſetzte
O iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0237" n="213"/>
        <fw place="top" type="header">fu&#x0364;nftes Buch.</fw><lb/>
        <p>Al&#x017F;o war <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> nunmehr bekleidet mit wei&#x017F;&#x017F;em<lb/>
&#x017F;ammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner<lb/>
&#x017F;eide der Gott&#x017F;eeligkeit. Im ungefa&#x0364;rbtem atla&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Keu&#x017F;chheit &#x017F;chimmerte &#x017F;ie/ als eine liebliche Lilje. Im<lb/>
purper der Schaamhaftigkeit blu&#x0364;hete &#x017F;ie/ als eine an-<lb/>
muhtige Ro&#x017F;e. In allen Jungfreulichen Tugenden<lb/>
gru&#x0364;hnete &#x017F;ie/ als ein lu&#x017F;tiger Lorbeerbaum; und wuchs<lb/>
auf/ als eine herliche Zeder. Ja &#x017F;ie war volkommen<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n/ als <hi rendition="#fr">Sara</hi>; gantz hold&#x017F;eelig/ als <hi rendition="#fr">Rebekka</hi>;<lb/>
u&#x0364;beraus lieblich/ als <hi rendition="#fr">Rahel</hi>. Und in &#x017F;olchem herlichen<lb/>
&#x017F;chmukke gefiel &#x017F;ie Gott/ und ihrem Breutigam.</p><lb/>
        <p>Die freude/ welche die&#x017F;e junge Fu&#x0364;r&#x017F;tin u&#x0364;ber &#x017F;olcher<lb/>
fro&#x0364;hlichen boht&#x017F;chaft empfand/ war unaus&#x017F;prechlich.<lb/>
Auch freuete &#x017F;ie &#x017F;ich in wahrheit nicht u&#x0364;m&#x017F;on&#x017F;t. Die<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;te gnade des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten war ihr verku&#x0364;ndiget.<lb/>
Der Himmel &#x017F;tund ihr offen: im Buche des lebens ihr<lb/>
nahme: die lebens&#x017F;pei&#x017F;e vor &#x017F;ie bereitet. Die &#x017F;albung<lb/>
mit dem Oehle der heiligkeit war ihr ver&#x017F;prochen: <hi rendition="#fr">Jo-<lb/>
&#x017F;ef</hi> zum Breutigam ge&#x017F;chenket. Nichts konte &#x017F;ie mehr<lb/>
wu&#x0364;nd&#x017F;chen. Sie war in die volle glu&#x0364;k&#x017F;eeligkeit ver&#x017F;etzet.<lb/>
Die zeitliche und ewige hatte &#x017F;ie bei&#x017F;ammen. Und dar-<lb/>
u&#x0364;m trug &#x017F;ie verlangen de&#x017F;&#x017F;en nahmen zu wi&#x017F;&#x017F;en/ der ihr<lb/>
alle die&#x017F;e glu&#x0364;k&#x017F;eeligkeit verku&#x0364;ndigte. Sie fragte den En-<lb/>
gel/ wie er hie&#x017F;&#x017F;e? Er aber gab zur antwort: mein Nah-<lb/>
me &#x017F;tehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller-<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;ten ge&#x017F;chrieben; und alle dinge/ die in dem&#x017F;elben<lb/>
buche &#x017F;tehen/ &#x017F;eind nicht auszu&#x017F;prechen. Auch i&#x017F;t es kei-<lb/>
nem &#x017F;terblichen Men&#x017F;chen nu&#x0364;tz &#x017F;olches zu ho&#x0364;ren/ oder<lb/>
zu &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Hierauf hielt <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> den Engel bei dem &#x017F;aume<lb/>
&#x017F;eines Rokkes. Ach! &#x017F;prach &#x017F;ie/ habe ich gnade fu&#x0364;r dei-<lb/>
nen augen gefunden/ &#x017F;o &#x017F;etze dich ein wenig auf mein<lb/>
bette/ darauf noch kein Mansbild ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en. Ich wil un-<lb/>
terde&#x017F;&#x017F;en hingehen/ und dir die tafel bereiten. Und der<lb/>
Engel &#x017F;agte/ daß &#x017F;ie es mit der ha&#x017F;t tuhn &#x017F;olte. Hierauf<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O iij</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;etzte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[213/0237] fuͤnftes Buch. Alſo war Aſſenat nunmehr bekleidet mit weiſſem ſammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner ſeide der Gottſeeligkeit. Im ungefaͤrbtem atlaſſe der Keuſchheit ſchimmerte ſie/ als eine liebliche Lilje. Im purper der Schaamhaftigkeit bluͤhete ſie/ als eine an- muhtige Roſe. In allen Jungfreulichen Tugenden gruͤhnete ſie/ als ein luſtiger Lorbeerbaum; und wuchs auf/ als eine herliche Zeder. Ja ſie war volkommen ſchoͤn/ als Sara; gantz holdſeelig/ als Rebekka; uͤberaus lieblich/ als Rahel. Und in ſolchem herlichen ſchmukke gefiel ſie Gott/ und ihrem Breutigam. Die freude/ welche dieſe junge Fuͤrſtin uͤber ſolcher froͤhlichen bohtſchaft empfand/ war unausſprechlich. Auch freuete ſie ſich in wahrheit nicht uͤmſonſt. Die hoͤchſte gnade des Allerhoͤchſten war ihr verkuͤndiget. Der Himmel ſtund ihr offen: im Buche des lebens ihr nahme: die lebensſpeiſe vor ſie bereitet. Die ſalbung mit dem Oehle der heiligkeit war ihr verſprochen: Jo- ſef zum Breutigam geſchenket. Nichts konte ſie mehr wuͤndſchen. Sie war in die volle gluͤkſeeligkeit verſetzet. Die zeitliche und ewige hatte ſie beiſammen. Und dar- uͤm trug ſie verlangen deſſen nahmen zu wiſſen/ der ihr alle dieſe gluͤkſeeligkeit verkuͤndigte. Sie fragte den En- gel/ wie er hieſſe? Er aber gab zur antwort: mein Nah- me ſtehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller- hoͤchſten geſchrieben; und alle dinge/ die in demſelben buche ſtehen/ ſeind nicht auszuſprechen. Auch iſt es kei- nem ſterblichen Menſchen nuͤtz ſolches zu hoͤren/ oder zu ſehen. Hierauf hielt Aſſenat den Engel bei dem ſaume ſeines Rokkes. Ach! ſprach ſie/ habe ich gnade fuͤr dei- nen augen gefunden/ ſo ſetze dich ein wenig auf mein bette/ darauf noch kein Mansbild geſeſſen. Ich wil un- terdeſſen hingehen/ und dir die tafel bereiten. Und der Engel ſagte/ daß ſie es mit der haſt tuhn ſolte. Hierauf ſetzte O iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/237
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/237>, abgerufen am 22.12.2024.