Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Assenat

Straks auf den morgen brach Jakob von Bersa-
ba
auf. Seine Söhne führeten ihn/ samt ihren Kin-
dern und Weibern/ auf den wägen/ die der König ge-
schikt hatte. Alles Vieh/ und alle habe/ die sie in Ka-
naan
erworben hatten/ nahmen sie mit: und kahmen
also in Egipten/ Jakob/ und sein Saame mit ihm.
Judah eilete mit starken tagereisen voran/ dem Jo-
sef
seines Vaters ankunft zu verkündigen. Straks
setzte sich der Schaltkönig/ mit seiner Gemahlin/ auf
seinen wagen/ und zog ins land Gessen/ seinem Va-
ter entgegen. Sobald er ihn sahe/ fiel er ihm üm den
hals/ und weinete lange an seinem halse. Jakob aber
sprach zum Josef: ich wil nun gerne sterben/ nachdem
ich dein angesicht gesehen. Dan nun bin ich versichert/
daß du noch lebest.

Assenat/ und alle Egipter verwunderten sich über
Jakobs so ansehnliche und gleichsam blühende gestalt.
Dan sein altertuhm war noch so schön als eine jugend;
seine lippen so roht/ sein angesicht so lebendig von farbe/
seine augen so klahr und helle/ als eines dreissigjährigen
Mannes. Auch war er an schultern/ kniehen/ beinen und
seenen so stark/ als ein held: und sein haar auf seinem
heupte so weis/ als der schnee. So weis war auch sein
bahrt; der sich bis über die brust recht zierlichausbreitete.
Ja sie verwunderten sich auch über die mänge so wohl/
als ansehnligkeit seiner Kinder und Kindeskinder; derer
dazumahl/ den Ertzvater selbsten mitgerechnet/ sieben-
zig seelen beieinander waren. Assenat empfing den
Ertzvater mit überaus großen freudenbezeugungen:
und er gab ihr den seegen/ und küssete sie.

Mitlerweile redete Josef mit seinen Brüdern/ und
gab ihnen/ unter andern/ zu verstehen/ daß er dem Kö-
nige andienen wolte: sein Vater/ mit seinem gantzen
Hause/ sei angelanget; auch hetten sie alle ihre habe/
und alles ihr vieh mitgebracht. Darüm/ wan der Kö-

nig
Der Aſſenat

Straks auf den morgen brach Jakob von Berſa-
ba
auf. Seine Soͤhne fuͤhreten ihn/ ſamt ihren Kin-
dern und Weibern/ auf den waͤgen/ die der Koͤnig ge-
ſchikt hatte. Alles Vieh/ und alle habe/ die ſie in Ka-
naan
erworben hatten/ nahmen ſie mit: und kahmen
alſo in Egipten/ Jakob/ und ſein Saame mit ihm.
Judah eilete mit ſtarken tagereiſen voran/ dem Jo-
ſef
ſeines Vaters ankunft zu verkuͤndigen. Straks
ſetzte ſich der Schaltkoͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ auf
ſeinen wagen/ und zog ins land Geſſen/ ſeinem Va-
ter entgegen. Sobald er ihn ſahe/ fiel er ihm uͤm den
hals/ und weinete lange an ſeinem halſe. Jakob aber
ſprach zum Joſef: ich wil nun gerne ſterben/ nachdem
ich dein angeſicht geſehen. Dan nun bin ich verſichert/
daß du noch lebeſt.

Aſſenat/ und alle Egipter verwunderten ſich uͤber
Jakobs ſo anſehnliche und gleichſam bluͤhende geſtalt.
Dan ſein altertuhm war noch ſo ſchoͤn als eine jugend;
ſeine lippen ſo roht/ ſein angeſicht ſo lebendig von farbe/
ſeine augen ſo klahr und helle/ als eines dreiſſigjaͤhrigen
Mannes. Auch war er an ſchultern/ kniehen/ beinen und
ſeenen ſo ſtark/ als ein held: und ſein haar auf ſeinem
heupte ſo weis/ als der ſchnee. So weis war auch ſein
bahrt; der ſich bis uͤber die bruſt recht zierlichausbreitete.
Ja ſie verwunderten ſich auch uͤber die maͤnge ſo wohl/
als anſehnligkeit ſeiner Kinder und Kindeskinder; derer
dazumahl/ den Ertzvater ſelbſten mitgerechnet/ ſieben-
zig ſeelen beieinander waren. Aſſenat empfing den
Ertzvater mit uͤberaus großen freudenbezeugungen:
und er gab ihr den ſeegen/ und kuͤſſete ſie.

Mitlerweile redete Joſef mit ſeinen Bruͤdern/ und
gab ihnen/ unter andern/ zu verſtehen/ daß er dem Koͤ-
nige andienen wolte: ſein Vater/ mit ſeinem gantzen
Hauſe/ ſei angelanget; auch hetten ſie alle ihre habe/
und alles ihr vieh mitgebracht. Daruͤm/ wan der Koͤ-

nig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0308" n="284"/>
        <fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
        <p>Straks auf den morgen brach <hi rendition="#fr">Jakob</hi> von <hi rendition="#fr">Ber&#x017F;a-<lb/>
ba</hi> auf. Seine So&#x0364;hne fu&#x0364;hreten ihn/ &#x017F;amt ihren Kin-<lb/>
dern und Weibern/ auf den wa&#x0364;gen/ die der Ko&#x0364;nig ge-<lb/>
&#x017F;chikt hatte. Alles Vieh/ und alle habe/ die &#x017F;ie in <hi rendition="#fr">Ka-<lb/>
naan</hi> erworben hatten/ nahmen &#x017F;ie mit: und kahmen<lb/>
al&#x017F;o in <hi rendition="#fr">Egipten/ Jakob/</hi> und &#x017F;ein Saame mit ihm.<lb/><hi rendition="#fr">Judah</hi> eilete mit &#x017F;tarken tagerei&#x017F;en voran/ dem <hi rendition="#fr">Jo-<lb/>
&#x017F;ef</hi> &#x017F;eines Vaters ankunft zu verku&#x0364;ndigen. Straks<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich der Schaltko&#x0364;nig/ mit &#x017F;einer Gemahlin/ auf<lb/>
&#x017F;einen wagen/ und zog ins land <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;&#x017F;en/</hi> &#x017F;einem Va-<lb/>
ter entgegen. Sobald er ihn &#x017F;ahe/ fiel er ihm u&#x0364;m den<lb/>
hals/ und weinete lange an &#x017F;einem hal&#x017F;e. <hi rendition="#fr">Jakob</hi> aber<lb/>
&#x017F;prach zum <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef:</hi> ich wil nun gerne &#x017F;terben/ nachdem<lb/>
ich dein ange&#x017F;icht ge&#x017F;ehen. Dan nun bin ich ver&#x017F;ichert/<lb/>
daß du noch lebe&#x017F;t.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat/</hi> und alle <hi rendition="#fr">Egipter</hi> verwunderten &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/><hi rendition="#fr">Jakobs</hi> &#x017F;o an&#x017F;ehnliche und gleich&#x017F;am blu&#x0364;hende ge&#x017F;talt.<lb/>
Dan &#x017F;ein altertuhm war noch &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;n als eine jugend;<lb/>
&#x017F;eine lippen &#x017F;o roht/ &#x017F;ein ange&#x017F;icht &#x017F;o lebendig von farbe/<lb/>
&#x017F;eine augen &#x017F;o klahr und helle/ als eines drei&#x017F;&#x017F;igja&#x0364;hrigen<lb/>
Mannes. Auch war er an &#x017F;chultern/ kniehen/ beinen und<lb/>
&#x017F;eenen &#x017F;o &#x017F;tark/ als ein held: und &#x017F;ein haar auf &#x017F;einem<lb/>
heupte &#x017F;o weis/ als der &#x017F;chnee. So weis war auch &#x017F;ein<lb/>
bahrt; der &#x017F;ich bis u&#x0364;ber die bru&#x017F;t recht zierlichausbreitete.<lb/>
Ja &#x017F;ie verwunderten &#x017F;ich auch u&#x0364;ber die ma&#x0364;nge &#x017F;o wohl/<lb/>
als an&#x017F;ehnligkeit &#x017F;einer Kinder und Kindeskinder; derer<lb/>
dazumahl/ den Ertzvater &#x017F;elb&#x017F;ten mitgerechnet/ &#x017F;ieben-<lb/>
zig &#x017F;eelen beieinander waren. <hi rendition="#fr">A&#x017F;&#x017F;enat</hi> empfing den<lb/>
Ertzvater mit u&#x0364;beraus großen freudenbezeugungen:<lb/>
und er gab ihr den &#x017F;eegen/ und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete &#x017F;ie.</p><lb/>
        <p>Mitlerweile redete <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> mit &#x017F;einen Bru&#x0364;dern/ und<lb/>
gab ihnen/ unter andern/ zu ver&#x017F;tehen/ daß er dem Ko&#x0364;-<lb/>
nige andienen wolte: &#x017F;ein Vater/ mit &#x017F;einem gantzen<lb/>
Hau&#x017F;e/ &#x017F;ei angelanget; auch hetten &#x017F;ie alle ihre habe/<lb/>
und alles ihr vieh mitgebracht. Daru&#x0364;m/ wan der Ko&#x0364;-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nig</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0308] Der Aſſenat Straks auf den morgen brach Jakob von Berſa- ba auf. Seine Soͤhne fuͤhreten ihn/ ſamt ihren Kin- dern und Weibern/ auf den waͤgen/ die der Koͤnig ge- ſchikt hatte. Alles Vieh/ und alle habe/ die ſie in Ka- naan erworben hatten/ nahmen ſie mit: und kahmen alſo in Egipten/ Jakob/ und ſein Saame mit ihm. Judah eilete mit ſtarken tagereiſen voran/ dem Jo- ſef ſeines Vaters ankunft zu verkuͤndigen. Straks ſetzte ſich der Schaltkoͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ auf ſeinen wagen/ und zog ins land Geſſen/ ſeinem Va- ter entgegen. Sobald er ihn ſahe/ fiel er ihm uͤm den hals/ und weinete lange an ſeinem halſe. Jakob aber ſprach zum Joſef: ich wil nun gerne ſterben/ nachdem ich dein angeſicht geſehen. Dan nun bin ich verſichert/ daß du noch lebeſt. Aſſenat/ und alle Egipter verwunderten ſich uͤber Jakobs ſo anſehnliche und gleichſam bluͤhende geſtalt. Dan ſein altertuhm war noch ſo ſchoͤn als eine jugend; ſeine lippen ſo roht/ ſein angeſicht ſo lebendig von farbe/ ſeine augen ſo klahr und helle/ als eines dreiſſigjaͤhrigen Mannes. Auch war er an ſchultern/ kniehen/ beinen und ſeenen ſo ſtark/ als ein held: und ſein haar auf ſeinem heupte ſo weis/ als der ſchnee. So weis war auch ſein bahrt; der ſich bis uͤber die bruſt recht zierlichausbreitete. Ja ſie verwunderten ſich auch uͤber die maͤnge ſo wohl/ als anſehnligkeit ſeiner Kinder und Kindeskinder; derer dazumahl/ den Ertzvater ſelbſten mitgerechnet/ ſieben- zig ſeelen beieinander waren. Aſſenat empfing den Ertzvater mit uͤberaus großen freudenbezeugungen: und er gab ihr den ſeegen/ und kuͤſſete ſie. Mitlerweile redete Joſef mit ſeinen Bruͤdern/ und gab ihnen/ unter andern/ zu verſtehen/ daß er dem Koͤ- nige andienen wolte: ſein Vater/ mit ſeinem gantzen Hauſe/ ſei angelanget; auch hetten ſie alle ihre habe/ und alles ihr vieh mitgebracht. Daruͤm/ wan der Koͤ- nig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/308
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/308>, abgerufen am 22.12.2024.