Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurtzbündige
Sie möchten zwar mit besserem fuge/ als so gar große
Seulen/ große Brahtspisse heissen: aber es schei-
net/ daß ihnen dieser verkleinerungsnahme zuerst aus
schertze gegeben/ und darnach also behalten worden.
Die Araber nennen sie sonsten Messalet Pharaun, das
ist/ Faraons spitzen oder nahteln: und die Wälschen/
ihnen zur folge/ Aguglia; welches wort sie aus dem
Lateinischen acus, das ist/ eine nahtel/ oder etwas/
das oben spitzig und scharf ist/
gebildet. Daß man
sie aber in der Hochdeutschen sprache Nahteln/ oder
in der Niederdeutschen Naalden/ welches eigendlich
Nadelen heissen solte/ nach der Araber messelet, und
der Wälschen aguglia nennen wil/ das lesset beider
worte uhrsprung und uhrsprüngliche bedeutung in
unserer sprache nicht zu. Dan so wohl das Niederdeut-
sche nadel/ oder versetzt naalde/ als das Hochdeutsche
Nahtel/ ist aus naht gebildet/ und heisset eigend-
lich ein werkzeug/ damit man eine naht nähet. Was
hat nun eine Sonnenspitze mit der naht oder dem
nähen zu tuhn/ und was vor eine gleicheit hat sie mit
einer geöhrten Nahtel/ oder einem dinge/ damit
man nähet. Darüm komt den Sonnenspitzen der
nahme Nahtel/ zumahl weil diese rund/ und jene
vierekkicht seind/ anders nicht/ als gantz uneigendlich/
zu: ja noch viel uneigendlicher den Grabspitzen/ wel-
che die Holländer auch Grafnaalden nennen; weil
diese so gar vierschröhticht plump und dikke seind/ daß
man sie eher Zaunstaken/ oder lieber Trümmel/ als
nahteln/ nennen könte: ja der nahme Zaunstake/
oder Trümmel selbst were zu wenig ihre so sehr dikke
klumpfichte gestalt damit zu verstehen zu geben. Zu-
dem was haben wir nöhtig ein so gar uneigendliches
wort zu suchen/ da wir so ein guhtes und eigendliches/
nähmlich Spitze/ haben: welches zu beiderlei seulen
sich überaus wohl schikket; weil es nicht allein ein

scharf-

Kurtzbuͤndige
Sie moͤchten zwar mit beſſerem fuge/ als ſo gar große
Seulen/ große Brahtſpiſſe heiſſen: aber es ſchei-
net/ daß ihnen dieſer verkleinerungsnahme zuerſt aus
ſchertze gegeben/ und darnach alſo behalten worden.
Die Araber nennen ſie ſonſten Meſſalet Pharaun, das
iſt/ Faraons ſpitzen oder nahteln: und die Waͤlſchen/
ihnen zur folge/ Aguglia; welches wort ſie aus dem
Lateiniſchen acus, das iſt/ eine nahtel/ oder etwas/
das oben ſpitzig und ſcharf iſt/
gebildet. Daß man
ſie aber in der Hochdeutſchen ſprache Nahteln/ oder
in der Niederdeutſchen Naalden/ welches eigendlich
Nadelen heiſſen ſolte/ nach der Araber meſſelet, und
der Waͤlſchen aguglia nennen wil/ das leſſet beider
worte uhrſprung und uhrſpruͤngliche bedeutung in
unſerer ſprache nicht zu. Dan ſo wohl das Niederdeut-
ſche nadel/ oder verſetzt naalde/ als das Hochdeutſche
Nahtel/ iſt aus naht gebildet/ und heiſſet eigend-
lich ein werkzeug/ damit man eine naht naͤhet. Was
hat nun eine Sonnenſpitze mit der naht oder dem
naͤhen zu tuhn/ und was vor eine gleicheit hat ſie mit
einer geoͤhrten Nahtel/ oder einem dinge/ damit
man naͤhet. Daruͤm komt den Sonnenſpitzen der
nahme Nahtel/ zumahl weil dieſe rund/ und jene
vierekkicht ſeind/ anders nicht/ als gantz uneigendlich/
zu: ja noch viel uneigendlicher den Grabſpitzen/ wel-
che die Hollaͤnder auch Gꝛafnaalden nennen; weil
dieſe ſo gar vierſchroͤhticht plump und dikke ſeind/ daß
man ſie eher Zaunſtaken/ oder lieber Truͤmmel/ als
nahteln/ nennen koͤnte: ja der nahme Zaunſtake/
oder Truͤmmel ſelbſt were zu wenig ihre ſo ſehr dikke
klumpfichte geſtalt damit zu verſtehen zu geben. Zu-
dem was haben wir noͤhtig ein ſo gar uneigendliches
wort zu ſuchen/ da wir ſo ein guhtes und eigendliches/
naͤhmlich Spitze/ haben: welches zu beiderlei ſeulen
ſich uͤberaus wohl ſchikket; weil es nicht allein ein

ſcharf-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0502" n="478"/><fw place="top" type="header">Kurtzbu&#x0364;ndige</fw><lb/>
Sie mo&#x0364;chten zwar mit be&#x017F;&#x017F;erem fuge/ als &#x017F;o gar große<lb/>
Seulen/ <hi rendition="#fr">große Braht&#x017F;pi&#x017F;&#x017F;e</hi> hei&#x017F;&#x017F;en: aber es &#x017F;chei-<lb/>
net/ daß ihnen die&#x017F;er verkleinerungsnahme zuer&#x017F;t aus<lb/>
&#x017F;chertze gegeben/ und darnach al&#x017F;o behalten worden.<lb/>
Die Araber nennen &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;ten <hi rendition="#aq">Me&#x017F;&#x017F;alet Pharaun,</hi> das<lb/>
i&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">Faraons &#x017F;pitzen oder nahteln:</hi> und die Wa&#x0364;l&#x017F;chen/<lb/>
ihnen zur folge/ <hi rendition="#aq">Aguglia;</hi> welches wort &#x017F;ie aus dem<lb/>
Lateini&#x017F;chen <hi rendition="#aq">acus,</hi> das i&#x017F;t/ <hi rendition="#fr">eine nahtel/</hi> oder <hi rendition="#fr">etwas/<lb/>
das oben &#x017F;pitzig und &#x017F;charf i&#x017F;t/</hi> gebildet. Daß man<lb/>
&#x017F;ie aber in der Hochdeut&#x017F;chen &#x017F;prache <hi rendition="#fr">Nahteln/</hi> oder<lb/>
in der Niederdeut&#x017F;chen <hi rendition="#fr"><hi rendition="#aq">Naalden/</hi></hi> welches eigendlich<lb/><hi rendition="#fr"><hi rendition="#aq">Nadelen</hi></hi> hei&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olte/ nach der Araber <hi rendition="#aq">me&#x017F;&#x017F;elet,</hi> und<lb/>
der Wa&#x0364;l&#x017F;chen <hi rendition="#aq">aguglia</hi> nennen wil/ das le&#x017F;&#x017F;et beider<lb/>
worte uhr&#x017F;prung und uhr&#x017F;pru&#x0364;ngliche bedeutung in<lb/>
un&#x017F;erer &#x017F;prache nicht zu. Dan &#x017F;o wohl das Niederdeut-<lb/>
&#x017F;che <hi rendition="#fr"><hi rendition="#aq">nadel/</hi></hi> oder ver&#x017F;etzt <hi rendition="#fr"><hi rendition="#aq">naalde/</hi></hi> als das Hochdeut&#x017F;che<lb/><hi rendition="#fr">Nahtel/</hi> i&#x017F;t aus <hi rendition="#fr">naht</hi> gebildet/ und hei&#x017F;&#x017F;et eigend-<lb/>
lich ein werkzeug/ damit man eine <hi rendition="#fr">naht na&#x0364;het.</hi> Was<lb/>
hat nun eine <hi rendition="#fr">Sonnen&#x017F;pitze</hi> mit der <hi rendition="#fr">naht</hi> oder dem<lb/><hi rendition="#fr">na&#x0364;hen</hi> zu tuhn/ und was vor eine gleicheit hat &#x017F;ie mit<lb/>
einer <hi rendition="#fr">geo&#x0364;hrten Nahtel/</hi> oder einem dinge/ damit<lb/>
man <hi rendition="#fr">na&#x0364;het.</hi> Daru&#x0364;m komt den <hi rendition="#fr">Sonnen&#x017F;pitzen</hi> der<lb/>
nahme <hi rendition="#fr">Nahtel/</hi> zumahl weil die&#x017F;e rund/ und jene<lb/>
vierekkicht &#x017F;eind/ anders nicht/ als gantz uneigendlich/<lb/>
zu: ja noch viel uneigendlicher den <hi rendition="#fr">Grab&#x017F;pitzen/</hi> wel-<lb/>
che die Holla&#x0364;nder auch <hi rendition="#fr"><hi rendition="#aq">G&#xA75B;afnaalden</hi></hi> nennen; weil<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;o gar vier&#x017F;chro&#x0364;hticht plump und dikke &#x017F;eind/ daß<lb/>
man &#x017F;ie eher <hi rendition="#fr">Zaun&#x017F;taken/</hi> oder lieber <hi rendition="#fr">Tru&#x0364;mmel/</hi> als<lb/><hi rendition="#fr">nahteln/</hi> nennen ko&#x0364;nte: ja der nahme <hi rendition="#fr">Zaun&#x017F;take/</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">Tru&#x0364;mmel</hi> &#x017F;elb&#x017F;t were zu wenig ihre &#x017F;o &#x017F;ehr dikke<lb/>
klumpfichte ge&#x017F;talt damit zu ver&#x017F;tehen zu geben. Zu-<lb/>
dem was haben wir no&#x0364;htig ein &#x017F;o gar uneigendliches<lb/>
wort zu &#x017F;uchen/ da wir &#x017F;o ein guhtes und eigendliches/<lb/>
na&#x0364;hmlich <hi rendition="#fr">Spitze/</hi> haben: welches zu beiderlei &#x017F;eulen<lb/>
&#x017F;ich u&#x0364;beraus wohl &#x017F;chikket; weil es nicht allein ein<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;charf-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0502] Kurtzbuͤndige Sie moͤchten zwar mit beſſerem fuge/ als ſo gar große Seulen/ große Brahtſpiſſe heiſſen: aber es ſchei- net/ daß ihnen dieſer verkleinerungsnahme zuerſt aus ſchertze gegeben/ und darnach alſo behalten worden. Die Araber nennen ſie ſonſten Meſſalet Pharaun, das iſt/ Faraons ſpitzen oder nahteln: und die Waͤlſchen/ ihnen zur folge/ Aguglia; welches wort ſie aus dem Lateiniſchen acus, das iſt/ eine nahtel/ oder etwas/ das oben ſpitzig und ſcharf iſt/ gebildet. Daß man ſie aber in der Hochdeutſchen ſprache Nahteln/ oder in der Niederdeutſchen Naalden/ welches eigendlich Nadelen heiſſen ſolte/ nach der Araber meſſelet, und der Waͤlſchen aguglia nennen wil/ das leſſet beider worte uhrſprung und uhrſpruͤngliche bedeutung in unſerer ſprache nicht zu. Dan ſo wohl das Niederdeut- ſche nadel/ oder verſetzt naalde/ als das Hochdeutſche Nahtel/ iſt aus naht gebildet/ und heiſſet eigend- lich ein werkzeug/ damit man eine naht naͤhet. Was hat nun eine Sonnenſpitze mit der naht oder dem naͤhen zu tuhn/ und was vor eine gleicheit hat ſie mit einer geoͤhrten Nahtel/ oder einem dinge/ damit man naͤhet. Daruͤm komt den Sonnenſpitzen der nahme Nahtel/ zumahl weil dieſe rund/ und jene vierekkicht ſeind/ anders nicht/ als gantz uneigendlich/ zu: ja noch viel uneigendlicher den Grabſpitzen/ wel- che die Hollaͤnder auch Gꝛafnaalden nennen; weil dieſe ſo gar vierſchroͤhticht plump und dikke ſeind/ daß man ſie eher Zaunſtaken/ oder lieber Truͤmmel/ als nahteln/ nennen koͤnte: ja der nahme Zaunſtake/ oder Truͤmmel ſelbſt were zu wenig ihre ſo ſehr dikke klumpfichte geſtalt damit zu verſtehen zu geben. Zu- dem was haben wir noͤhtig ein ſo gar uneigendliches wort zu ſuchen/ da wir ſo ein guhtes und eigendliches/ naͤhmlich Spitze/ haben: welches zu beiderlei ſeulen ſich uͤberaus wohl ſchikket; weil es nicht allein ein ſcharf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/502
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/502>, abgerufen am 22.12.2024.