Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Kurtzbündige
mit Feigen; weil der gantze baum/ dem stamme/ den
zakken/ früchten/ der milch und farbe nach/ dem Fei-
baume/
mit der gestalt aber und grösse der blätter/
dem Maulbeerenbaume gleichet; wiewohl seine
blätter dikker seind/ und des winters niemahls abfal-
len. Aber er wächset nicht allein in Egipten/ sondern
auch im heiligen Lande so heuffig/ daß er in der heiligen
Sprache nicht in der einzelen/ sondern mehrern zahl
[fremdsprachliches Material] genennet wird. Seine früchte pflegen wir
sonst Adams-feigen zu nennen. Eben ein solcher
baum war derselbe/ darauf Zacheus/ bei dem Heil-
verkündiger Lukas im 19 h. gestiegen/ den HERren
Kristus zu sehen. Darüm haben die übersetzer/ wel-
che das wort sukomoraia an gemeltem orte Maul-
beerenbaum
gegeben/ die rechte ahrt des baumes
nicht getroffen. Dan es war gantz kein Maulbeer-
baum;
weil er dem Feigenbaume bei weitem mehr
gliche/ als jenem/ ja gantz andere früchte/ nähmlich
Feigen/ trug. Diese Feigen seind von innen hohl/
auch sonsten an gestalt von den andern gemeinen feigen
in etwas unterschieden. Sie wachsen auch nicht/ wie
jene/ oben an den zakken/ sondern dicht bei dem stamme:
welcher allezeit mus aufgeritzt werden/ wan der baum
tragen sol; sonst bleibt er unfruchtbar/ eben wie jener/
daran der HERr Kristus keine Feigen fand/ und
ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume/ wel-
che sehr alt werden/ auch/ wan ein zweig darvon in die
erde gestekt wird/ sich bald bewurtzeln/ und in die höhe
schiessen/ pflegt man längst den Nielstämmen hin/
wie bei uns die Weiden bei den wassergräben/ zu
pflantzen; damit das erdreich/ durch ihre wurtzeln/
zusammengehalten/ und vom Niele nicht abgespühlet
werde. Und eben daher lieset man bei dem berühmten
Rechtsgelehrten Ulpian/ da er von ausserhalbgewöhn-
lichen Mistahten handelt/ diese satzung: daß nie-

mand

Kurtzbuͤndige
mit Feigen; weil der gantze baum/ dem ſtamme/ den
zakken/ fruͤchten/ der milch und farbe nach/ dem Fei-
baume/
mit der geſtalt aber und groͤſſe der blaͤtter/
dem Maulbeerenbaume gleichet; wiewohl ſeine
blaͤtter dikker ſeind/ und des winters niemahls abfal-
len. Aber er waͤchſet nicht allein in Egipten/ ſondern
auch im heiligen Lande ſo heuffig/ daß er in der heiligen
Sprache nicht in der einzelen/ ſondern mehrern zahl
[fremdsprachliches Material] genennet wird. Seine fruͤchte pflegen wir
ſonſt Adams-feigen zu nennen. Eben ein ſolcher
baum war derſelbe/ darauf Zacheus/ bei dem Heil-
verkuͤndiger Lukas im 19 h. geſtiegen/ den HERren
Kriſtus zu ſehen. Daruͤm haben die uͤberſetzer/ wel-
che das wort συκομοράια an gemeltem orte Maul-
beerenbaum
gegeben/ die rechte ahrt des baumes
nicht getroffen. Dan es war gantz kein Maulbeer-
baum;
weil er dem Feigenbaume bei weitem mehr
gliche/ als jenem/ ja gantz andere fruͤchte/ naͤhmlich
Feigen/ trug. Dieſe Feigen ſeind von innen hohl/
auch ſonſten an geſtalt von den andern gemeinen feigen
in etwas unterſchieden. Sie wachſen auch nicht/ wie
jene/ oben an den zakken/ ſondern dicht bei dem ſtamme:
welcher allezeit mus aufgeritzt werden/ wan der baum
tragen ſol; ſonſt bleibt er unfruchtbar/ eben wie jener/
daran der HERꝛ Kriſtus keine Feigen fand/ und
ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume/ wel-
che ſehr alt werden/ auch/ wan ein zweig darvon in die
erde geſtekt wird/ ſich bald bewurtzeln/ und in die hoͤhe
ſchieſſen/ pflegt man laͤngſt den Nielstaͤmmen hin/
wie bei uns die Weiden bei den waſſergraͤben/ zu
pflantzen; damit das erdreich/ durch ihre wurtzeln/
zuſammengehalten/ und vom Niele nicht abgeſpuͤhlet
werde. Und eben daher lieſet man bei dem beruͤhmten
Rechtsgelehrten Ulpian/ da er von auſſerhalbgewoͤhn-
lichen Mistahten handelt/ dieſe ſatzung: daß nie-

mand
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0522" n="498"/><fw place="top" type="header">Kurtzbu&#x0364;ndige</fw><lb/><hi rendition="#fr">mit Feigen;</hi> weil der gantze baum/ dem &#x017F;tamme/ den<lb/>
zakken/ fru&#x0364;chten/ der milch und farbe nach/ dem <hi rendition="#fr">Fei-<lb/>
baume/</hi> mit der ge&#x017F;talt aber und gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der bla&#x0364;tter/<lb/>
dem <hi rendition="#fr">Maulbeerenbaume</hi> gleichet; wiewohl &#x017F;eine<lb/>
bla&#x0364;tter dikker &#x017F;eind/ und des winters niemahls abfal-<lb/>
len. Aber er wa&#x0364;ch&#x017F;et nicht allein in Egipten/ &#x017F;ondern<lb/>
auch im heiligen Lande &#x017F;o heuffig/ daß er in der heiligen<lb/>
Sprache nicht in der einzelen/ &#x017F;ondern mehrern zahl<lb/><gap reason="fm"/> genennet wird. Seine fru&#x0364;chte pflegen wir<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t <hi rendition="#fr">Adams-feigen</hi> zu nennen. Eben ein &#x017F;olcher<lb/>
baum war der&#x017F;elbe/ darauf <hi rendition="#fr">Zacheus/</hi> bei dem Heil-<lb/>
verku&#x0364;ndiger <hi rendition="#fr">Lukas</hi> im 19 h. ge&#x017F;tiegen/ den HERren<lb/><hi rendition="#fr">Kri&#x017F;tus</hi> zu &#x017F;ehen. Daru&#x0364;m haben die u&#x0364;ber&#x017F;etzer/ wel-<lb/>
che das wort &#x03C3;&#x03C5;&#x03BA;&#x03BF;&#x03BC;&#x03BF;&#x03C1;&#x03AC;&#x03B9;&#x03B1; an gemeltem orte <hi rendition="#fr">Maul-<lb/>
beerenbaum</hi> gegeben/ die rechte ahrt des baumes<lb/>
nicht getroffen. Dan es war gantz kein <hi rendition="#fr">Maulbeer-<lb/>
baum;</hi> weil er dem <hi rendition="#fr">Feigenbaume</hi> bei weitem mehr<lb/>
gliche/ als jenem/ ja gantz andere fru&#x0364;chte/ na&#x0364;hmlich<lb/>
Feigen/ trug. Die&#x017F;e Feigen &#x017F;eind von innen hohl/<lb/>
auch &#x017F;on&#x017F;ten an ge&#x017F;talt von den andern gemeinen feigen<lb/>
in etwas unter&#x017F;chieden. Sie wach&#x017F;en auch nicht/ wie<lb/>
jene/ oben an den zakken/ &#x017F;ondern dicht bei dem &#x017F;tamme:<lb/>
welcher allezeit mus aufgeritzt werden/ wan der baum<lb/>
tragen &#x017F;ol; &#x017F;on&#x017F;t bleibt er unfruchtbar/ eben wie jener/<lb/>
daran der HER&#xA75B; <hi rendition="#fr">Kri&#x017F;tus</hi> keine Feigen fand/ und<lb/>
ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume/ wel-<lb/>
che &#x017F;ehr alt werden/ auch/ wan ein zweig darvon in die<lb/>
erde ge&#x017F;tekt wird/ &#x017F;ich bald bewurtzeln/ und in die ho&#x0364;he<lb/>
&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en/ pflegt man la&#x0364;ng&#x017F;t den Nielsta&#x0364;mmen hin/<lb/>
wie bei uns die <hi rendition="#fr">Weiden</hi> bei den wa&#x017F;&#x017F;ergra&#x0364;ben/ zu<lb/>
pflantzen; damit das erdreich/ durch ihre wurtzeln/<lb/>
zu&#x017F;ammengehalten/ und vom Niele nicht abge&#x017F;pu&#x0364;hlet<lb/>
werde. Und eben daher lie&#x017F;et man bei dem beru&#x0364;hmten<lb/>
Rechtsgelehrten <hi rendition="#fr">Ulpian/</hi> da er von au&#x017F;&#x017F;erhalbgewo&#x0364;hn-<lb/>
lichen Mistahten handelt/ die&#x017F;e &#x017F;atzung: <hi rendition="#fr">daß nie-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">mand</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[498/0522] Kurtzbuͤndige mit Feigen; weil der gantze baum/ dem ſtamme/ den zakken/ fruͤchten/ der milch und farbe nach/ dem Fei- baume/ mit der geſtalt aber und groͤſſe der blaͤtter/ dem Maulbeerenbaume gleichet; wiewohl ſeine blaͤtter dikker ſeind/ und des winters niemahls abfal- len. Aber er waͤchſet nicht allein in Egipten/ ſondern auch im heiligen Lande ſo heuffig/ daß er in der heiligen Sprache nicht in der einzelen/ ſondern mehrern zahl _ genennet wird. Seine fruͤchte pflegen wir ſonſt Adams-feigen zu nennen. Eben ein ſolcher baum war derſelbe/ darauf Zacheus/ bei dem Heil- verkuͤndiger Lukas im 19 h. geſtiegen/ den HERren Kriſtus zu ſehen. Daruͤm haben die uͤberſetzer/ wel- che das wort συκομοράια an gemeltem orte Maul- beerenbaum gegeben/ die rechte ahrt des baumes nicht getroffen. Dan es war gantz kein Maulbeer- baum; weil er dem Feigenbaume bei weitem mehr gliche/ als jenem/ ja gantz andere fruͤchte/ naͤhmlich Feigen/ trug. Dieſe Feigen ſeind von innen hohl/ auch ſonſten an geſtalt von den andern gemeinen feigen in etwas unterſchieden. Sie wachſen auch nicht/ wie jene/ oben an den zakken/ ſondern dicht bei dem ſtamme: welcher allezeit mus aufgeritzt werden/ wan der baum tragen ſol; ſonſt bleibt er unfruchtbar/ eben wie jener/ daran der HERꝛ Kriſtus keine Feigen fand/ und ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume/ wel- che ſehr alt werden/ auch/ wan ein zweig darvon in die erde geſtekt wird/ ſich bald bewurtzeln/ und in die hoͤhe ſchieſſen/ pflegt man laͤngſt den Nielstaͤmmen hin/ wie bei uns die Weiden bei den waſſergraͤben/ zu pflantzen; damit das erdreich/ durch ihre wurtzeln/ zuſammengehalten/ und vom Niele nicht abgeſpuͤhlet werde. Und eben daher lieſet man bei dem beruͤhmten Rechtsgelehrten Ulpian/ da er von auſſerhalbgewoͤhn- lichen Mistahten handelt/ dieſe ſatzung: daß nie- mand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/522
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/522>, abgerufen am 22.12.2024.