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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat
sefs bluht über uns rache fordern? Würde nicht des Va-
ters fluch/ an stat des seegens/ über uns kommen? Wür-
de nicht Gottes fluch selbst uns treffen? Würde nicht
unser gewissen unaufhörlich uns ängstigen/ und so er-
schröklich foltern/ daß wir nicht wüsten/ wo aus oder
ein? Und darüm müssen wir in alwege auf einen andern
und bessern raht bedacht sein. Wir haben einen eid-
schwuhr abgelegt/ zu Josefs verderben. Der mus
volzogen sein. Aber wie? Es mus zum wenigsten den
schein haben/ als hetten wir uns selbst weder an Gott/
noch unserem Vater/ noch unserem Bruder vergriffen.
Nun wohlan! weil man aus zwei unümgänglichen bö-
sen das beste erwehlen mus; so wil ich aus einem zwei-
fachen rahte/ der in diesem handel allein stat kan finden/
auch den besten anrahten. Durch dessen volziehung
wird unser eidschwuhr volbracht/ und Josef gleich-
wohl nicht/ durch unsere hand selbsten/ ümgebracht
werden. Ich und Sebulon haben neulich/ in jenem
walde/ eine Wolfsgrube gefunden. Darein wollen
wir ihn werfen. Da wird er genug aus dem wege ge-
reumet/ und unser eid volbracht sein. Da mögen ihn
andere Väter und Mütter/ ja andere Brüder/ nach
seinem traume/ dienstlich ehren und anbähten/ wie sie
wollen.

Diesen raht billigten und bewilligten sie alle. Ja sie
priesen seinen klugen erfinder. Dem ward auch/ zusamt
dem Judah/ und Sebulon/ alsobald die volziehung
anbefohlen. Hierauf zogen sie dem unglükseeligen Jo-
sef
seinen köstlichen buntgestikten überrok aus: welcher
fast die erste und fürnehmste ursache ihres neidischen
grolles gewesen. Ja sie rissen ihm auch selbst den unter-
rok vom leibe. Und also ward er nach der Wolfsgrube
zugeführet. Alda lies man ihn mit strükken/ damit
er nicht beschädiget würde/ hinunter. Ruben aber
hatte bei sich beschlossen/ ihn in der nächstkünftigen

nacht

Der Aſſenat
ſefs bluht uͤber uns rache fordern? Wuͤrde nicht des Va-
ters fluch/ an ſtat des ſeegens/ uͤber uns kommen? Wuͤr-
de nicht Gottes fluch ſelbſt uns treffen? Wuͤrde nicht
unſer gewiſſen unaufhoͤrlich uns aͤngſtigen/ und ſo er-
ſchroͤklich foltern/ daß wir nicht wuͤſten/ wo aus oder
ein? Und daruͤm muͤſſen wir in alwege auf einen andern
und beſſern raht bedacht ſein. Wir haben einen eid-
ſchwuhr abgelegt/ zu Joſefs verderben. Der mus
volzogen ſein. Aber wie? Es mus zum wenigſten den
ſchein haben/ als hetten wir uns ſelbſt weder an Gott/
noch unſerem Vater/ noch unſerem Bruder vergriffen.
Nun wohlan! weil man aus zwei unuͤmgaͤnglichen boͤ-
ſen das beſte erwehlen mus; ſo wil ich aus einem zwei-
fachen rahte/ der in dieſem handel allein ſtat kan finden/
auch den beſten anrahten. Durch deſſen volziehung
wird unſer eidſchwuhr volbracht/ und Joſef gleich-
wohl nicht/ durch unſere hand ſelbſten/ uͤmgebracht
werden. Ich und Sebulon haben neulich/ in jenem
walde/ eine Wolfsgrube gefunden. Darein wollen
wir ihn werfen. Da wird er genug aus dem wege ge-
reumet/ und unſer eid volbracht ſein. Da moͤgen ihn
andere Vaͤter und Muͤtter/ ja andere Bruͤder/ nach
ſeinem traume/ dienſtlich ehren und anbaͤhten/ wie ſie
wollen.

Dieſen raht billigten und bewilligten ſie alle. Ja ſie
prieſen ſeinen klugen erfinder. Dem ward auch/ zuſamt
dem Judah/ und Sebulon/ alſobald die volziehung
anbefohlen. Hierauf zogen ſie dem ungluͤkſeeligen Jo-
ſef
ſeinen koͤſtlichen buntgeſtikten uͤberrok aus: welcher
faſt die erſte und fuͤrnehmſte urſache ihres neidiſchen
grolles geweſen. Ja ſie riſſen ihm auch ſelbſt den unter-
rok vom leibe. Und alſo ward er nach der Wolfsgrube
zugefuͤhret. Alda lies man ihn mit ſtruͤkken/ damit
er nicht beſchaͤdiget wuͤrde/ hinunter. Ruben aber
hatte bei ſich beſchloſſen/ ihn in der naͤchſtkuͤnftigen

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[74/0098] Der Aſſenat ſefs bluht uͤber uns rache fordern? Wuͤrde nicht des Va- ters fluch/ an ſtat des ſeegens/ uͤber uns kommen? Wuͤr- de nicht Gottes fluch ſelbſt uns treffen? Wuͤrde nicht unſer gewiſſen unaufhoͤrlich uns aͤngſtigen/ und ſo er- ſchroͤklich foltern/ daß wir nicht wuͤſten/ wo aus oder ein? Und daruͤm muͤſſen wir in alwege auf einen andern und beſſern raht bedacht ſein. Wir haben einen eid- ſchwuhr abgelegt/ zu Joſefs verderben. Der mus volzogen ſein. Aber wie? Es mus zum wenigſten den ſchein haben/ als hetten wir uns ſelbſt weder an Gott/ noch unſerem Vater/ noch unſerem Bruder vergriffen. Nun wohlan! weil man aus zwei unuͤmgaͤnglichen boͤ- ſen das beſte erwehlen mus; ſo wil ich aus einem zwei- fachen rahte/ der in dieſem handel allein ſtat kan finden/ auch den beſten anrahten. Durch deſſen volziehung wird unſer eidſchwuhr volbracht/ und Joſef gleich- wohl nicht/ durch unſere hand ſelbſten/ uͤmgebracht werden. Ich und Sebulon haben neulich/ in jenem walde/ eine Wolfsgrube gefunden. Darein wollen wir ihn werfen. Da wird er genug aus dem wege ge- reumet/ und unſer eid volbracht ſein. Da moͤgen ihn andere Vaͤter und Muͤtter/ ja andere Bruͤder/ nach ſeinem traume/ dienſtlich ehren und anbaͤhten/ wie ſie wollen. Dieſen raht billigten und bewilligten ſie alle. Ja ſie prieſen ſeinen klugen erfinder. Dem ward auch/ zuſamt dem Judah/ und Sebulon/ alſobald die volziehung anbefohlen. Hierauf zogen ſie dem ungluͤkſeeligen Jo- ſef ſeinen koͤſtlichen buntgeſtikten uͤberrok aus: welcher faſt die erſte und fuͤrnehmſte urſache ihres neidiſchen grolles geweſen. Ja ſie riſſen ihm auch ſelbſt den unter- rok vom leibe. Und alſo ward er nach der Wolfsgrube zugefuͤhret. Alda lies man ihn mit ſtruͤkken/ damit er nicht beſchaͤdiget wuͤrde/ hinunter. Ruben aber hatte bei ſich beſchloſſen/ ihn in der naͤchſtkuͤnftigen nacht

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/98>, abgerufen am 22.12.2024.