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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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lichen Partei angehören, die Ziele dieser so eifrig verfolgen, als die
ihr angeschlossenen Männer das tun. Ebenso wie die Arbeiter
in der Vergangenheit von den einnehmenden Manieren und Auftreten
derjenigen geblendet und verführt wurden, welche sie "in der ihnen zu-
kommenden Stellung" lassen wollten, müssen möglicherweise auch
die Proletarierinnen lernen, daß das Lamm nicht sicher ist, wenn
es sich neben den Löwen niederlegt, sogar dann nicht, wenn der Löwe
so lammfromm aussieht wie eine Vorkämpferin für das Frauenstimm-
recht." Diese Ausführungen der Genossin Montefiore verdienen um so
mehr Beachtung, als sie selbst sich anfänglich mit Mut und Opferfreudig-
keit an der Frauenstimmrechtsbewegung beteiligt hatte. Heute erwartet
sie das Frauenstimmrecht für alle Frauen nicht mehr von einer be-
sonderen Frauenstimmrechtsbewegung, sondern von dem Kampfe des
Proletariats für das Wahlrecht aller Großjährigen. Die Bewertung
des beschränkten Frauenstimmrechts als eines Klassenmonopols wird
auch von erfahrenen Parlamentariern geteilt. "Das beschränkte
Frauenstimmrecht ist ein ausgesprochenes Klassenwahlrecht, da es sofort
die Stimmenzahl der Besitzenden verdoppeln wird, während es die
Stimmenzahl der Arbeiter nur um ungefähr ein Zehntel vergrößert."
So hat das Parlamentsmitglied für Barnard Castle, Mr. Arthur
Henderson erklärt, der als vorzüglicher Sachkenner gilt.

Und als Monopol der Besitzenden soll auch das beschränkte Frauen-
stimmrecht wirken. Es soll die politische Macht der Besitzenden im
Kampfe gegen die Arbeiterklasse stärken. Gerade um dieses seines re-
aktionären Wesens und Wirkens halber findet es viele begeisterte An-
hänger. Jn York z. B. hat Lady Knightley unumwunden ausgesprochen:
"Die Ausdehnung des Wahlrechts auf Frauen, welche Steuern und
Abgaben zahlen, würde die Notwendigkeit des allgemeinen Stimmrechts
beseitigen, das eine wahre Gefahr ist." Und ebenso aufrichtig hat
Dr. Stanton Coit vor dem reaktionären Charakter des beschränkten
Frauenstimmrechts sein Kompliment gemacht. Jn einem Meeting in
Queen's Hall meinte er, "das beschränkte Frauenwahlrecht würde die
Gefahr abwenden, die in der Wahlberechtigung ungebildeter Personen
liegt." Viele konservative Politiker treten aus den gleichen Erwägungen
heraus für die Forderung ein: "Das Stimmrecht den Frauen unter den
gleichen Bedingungen wie es die Männer besitzen." Das Prinzip der
Gleichberechtigung der Geschlechter feiern sie mit dem Munde, aber die
reaktionäre Seele des beschränkten Frauenstimmrechts ist es, der ihre
Liebe, ihre Sehnsucht gilt. Jedenfalls wird die konservative Partei
die im Flusse befindliche Agitation ausnützen, um unter der trügerischen
Devise "Gerechtigkeit für die Frauen" durch das Klassenmonopol des
beschränkten Frauenstimmrechts die Macht der Besitzenden zu stärken.

Jedoch so wenig wir als Sozialdemokratinnen mit dem Ziel und
dem Jnhalt der Bewegung für das beschränkte Frauenstimmrecht sym-
pathisieren können, so dürfen doch ihre Vorkämpfer in England ein Ver-
dienst beanspruchen. Sie haben mit Mut und Energie die Sturmglocke
gezogen und in allen Klassen der Gesellschaft große Kreise der Frauen
aus ihrer politischen Apathie aufgerüttelt und zum Kampfe für politische
Rechte gerufen. Sie haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf die immer
dringlicher werdende Notwendigkeit gelenkt, daß die Gesellschaft die
Konsequenzen der ökonomischen Entwickelung zieht und dem weiblichen
Geschlecht volle politische Gleichberechtigung zuerkennt. Sie haben es
der sozialistischen Arbeiterbewegung klar ins Bewußtsein gerufen, daß
sie auch im Kampfe für die Gleichberechtigung der Geschlechter allen

lichen Partei angehören, die Ziele dieser so eifrig verfolgen, als die
ihr angeschlossenen Männer das tun. Ebenso wie die Arbeiter
in der Vergangenheit von den einnehmenden Manieren und Auftreten
derjenigen geblendet und verführt wurden, welche sie „in der ihnen zu-
kommenden Stellung‟ lassen wollten, müssen möglicherweise auch
die Proletarierinnen lernen, daß das Lamm nicht sicher ist, wenn
es sich neben den Löwen niederlegt, sogar dann nicht, wenn der Löwe
so lammfromm aussieht wie eine Vorkämpferin für das Frauenstimm-
recht.‟ Diese Ausführungen der Genossin Montefiore verdienen um so
mehr Beachtung, als sie selbst sich anfänglich mit Mut und Opferfreudig-
keit an der Frauenstimmrechtsbewegung beteiligt hatte. Heute erwartet
sie das Frauenstimmrecht für alle Frauen nicht mehr von einer be-
sonderen Frauenstimmrechtsbewegung, sondern von dem Kampfe des
Proletariats für das Wahlrecht aller Großjährigen. Die Bewertung
des beschränkten Frauenstimmrechts als eines Klassenmonopols wird
auch von erfahrenen Parlamentariern geteilt. „Das beschränkte
Frauenstimmrecht ist ein ausgesprochenes Klassenwahlrecht, da es sofort
die Stimmenzahl der Besitzenden verdoppeln wird, während es die
Stimmenzahl der Arbeiter nur um ungefähr ein Zehntel vergrößert.‟
So hat das Parlamentsmitglied für Barnard Castle, Mr. Arthur
Henderson erklärt, der als vorzüglicher Sachkenner gilt.

Und als Monopol der Besitzenden soll auch das beschränkte Frauen-
stimmrecht wirken. Es soll die politische Macht der Besitzenden im
Kampfe gegen die Arbeiterklasse stärken. Gerade um dieses seines re-
aktionären Wesens und Wirkens halber findet es viele begeisterte An-
hänger. Jn York z. B. hat Lady Knightley unumwunden ausgesprochen:
„Die Ausdehnung des Wahlrechts auf Frauen, welche Steuern und
Abgaben zahlen, würde die Notwendigkeit des allgemeinen Stimmrechts
beseitigen, das eine wahre Gefahr ist.‟ Und ebenso aufrichtig hat
Dr. Stanton Coit vor dem reaktionären Charakter des beschränkten
Frauenstimmrechts sein Kompliment gemacht. Jn einem Meeting in
Queen's Hall meinte er, „das beschränkte Frauenwahlrecht würde die
Gefahr abwenden, die in der Wahlberechtigung ungebildeter Personen
liegt.‟ Viele konservative Politiker treten aus den gleichen Erwägungen
heraus für die Forderung ein: „Das Stimmrecht den Frauen unter den
gleichen Bedingungen wie es die Männer besitzen.‟ Das Prinzip der
Gleichberechtigung der Geschlechter feiern sie mit dem Munde, aber die
reaktionäre Seele des beschränkten Frauenstimmrechts ist es, der ihre
Liebe, ihre Sehnsucht gilt. Jedenfalls wird die konservative Partei
die im Flusse befindliche Agitation ausnützen, um unter der trügerischen
Devise „Gerechtigkeit für die Frauen‟ durch das Klassenmonopol des
beschränkten Frauenstimmrechts die Macht der Besitzenden zu stärken.

Jedoch so wenig wir als Sozialdemokratinnen mit dem Ziel und
dem Jnhalt der Bewegung für das beschränkte Frauenstimmrecht sym-
pathisieren können, so dürfen doch ihre Vorkämpfer in England ein Ver-
dienst beanspruchen. Sie haben mit Mut und Energie die Sturmglocke
gezogen und in allen Klassen der Gesellschaft große Kreise der Frauen
aus ihrer politischen Apathie aufgerüttelt und zum Kampfe für politische
Rechte gerufen. Sie haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf die immer
dringlicher werdende Notwendigkeit gelenkt, daß die Gesellschaft die
Konsequenzen der ökonomischen Entwickelung zieht und dem weiblichen
Geschlecht volle politische Gleichberechtigung zuerkennt. Sie haben es
der sozialistischen Arbeiterbewegung klar ins Bewußtsein gerufen, daß
sie auch im Kampfe für die Gleichberechtigung der Geschlechter allen

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[34/0044] lichen Partei angehören, die Ziele dieser so eifrig verfolgen, als die ihr angeschlossenen Männer das tun. Ebenso wie die Arbeiter in der Vergangenheit von den einnehmenden Manieren und Auftreten derjenigen geblendet und verführt wurden, welche sie „in der ihnen zu- kommenden Stellung‟ lassen wollten, müssen möglicherweise auch die Proletarierinnen lernen, daß das Lamm nicht sicher ist, wenn es sich neben den Löwen niederlegt, sogar dann nicht, wenn der Löwe so lammfromm aussieht wie eine Vorkämpferin für das Frauenstimm- recht.‟ Diese Ausführungen der Genossin Montefiore verdienen um so mehr Beachtung, als sie selbst sich anfänglich mit Mut und Opferfreudig- keit an der Frauenstimmrechtsbewegung beteiligt hatte. Heute erwartet sie das Frauenstimmrecht für alle Frauen nicht mehr von einer be- sonderen Frauenstimmrechtsbewegung, sondern von dem Kampfe des Proletariats für das Wahlrecht aller Großjährigen. Die Bewertung des beschränkten Frauenstimmrechts als eines Klassenmonopols wird auch von erfahrenen Parlamentariern geteilt. „Das beschränkte Frauenstimmrecht ist ein ausgesprochenes Klassenwahlrecht, da es sofort die Stimmenzahl der Besitzenden verdoppeln wird, während es die Stimmenzahl der Arbeiter nur um ungefähr ein Zehntel vergrößert.‟ So hat das Parlamentsmitglied für Barnard Castle, Mr. Arthur Henderson erklärt, der als vorzüglicher Sachkenner gilt. Und als Monopol der Besitzenden soll auch das beschränkte Frauen- stimmrecht wirken. Es soll die politische Macht der Besitzenden im Kampfe gegen die Arbeiterklasse stärken. Gerade um dieses seines re- aktionären Wesens und Wirkens halber findet es viele begeisterte An- hänger. Jn York z. B. hat Lady Knightley unumwunden ausgesprochen: „Die Ausdehnung des Wahlrechts auf Frauen, welche Steuern und Abgaben zahlen, würde die Notwendigkeit des allgemeinen Stimmrechts beseitigen, das eine wahre Gefahr ist.‟ Und ebenso aufrichtig hat Dr. Stanton Coit vor dem reaktionären Charakter des beschränkten Frauenstimmrechts sein Kompliment gemacht. Jn einem Meeting in Queen's Hall meinte er, „das beschränkte Frauenwahlrecht würde die Gefahr abwenden, die in der Wahlberechtigung ungebildeter Personen liegt.‟ Viele konservative Politiker treten aus den gleichen Erwägungen heraus für die Forderung ein: „Das Stimmrecht den Frauen unter den gleichen Bedingungen wie es die Männer besitzen.‟ Das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter feiern sie mit dem Munde, aber die reaktionäre Seele des beschränkten Frauenstimmrechts ist es, der ihre Liebe, ihre Sehnsucht gilt. Jedenfalls wird die konservative Partei die im Flusse befindliche Agitation ausnützen, um unter der trügerischen Devise „Gerechtigkeit für die Frauen‟ durch das Klassenmonopol des beschränkten Frauenstimmrechts die Macht der Besitzenden zu stärken. Jedoch so wenig wir als Sozialdemokratinnen mit dem Ziel und dem Jnhalt der Bewegung für das beschränkte Frauenstimmrecht sym- pathisieren können, so dürfen doch ihre Vorkämpfer in England ein Ver- dienst beanspruchen. Sie haben mit Mut und Energie die Sturmglocke gezogen und in allen Klassen der Gesellschaft große Kreise der Frauen aus ihrer politischen Apathie aufgerüttelt und zum Kampfe für politische Rechte gerufen. Sie haben die öffentliche Aufmerksamkeit auf die immer dringlicher werdende Notwendigkeit gelenkt, daß die Gesellschaft die Konsequenzen der ökonomischen Entwickelung zieht und dem weiblichen Geschlecht volle politische Gleichberechtigung zuerkennt. Sie haben es der sozialistischen Arbeiterbewegung klar ins Bewußtsein gerufen, daß sie auch im Kampfe für die Gleichberechtigung der Geschlechter allen

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-08-28T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-28T12:13:05Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: wie Vorlage; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/44>, abgerufen am 21.11.2024.