Böhmen übergehen die Rechtstellung der verheirateten Frauen mit Still- schweigen, in Mähren dagegen können diese ihr Stimmrecht durch Be- vollmächtigte ihrer eigenen Wahl ausüben. Die Wählbarkeit zu den Ge- meindevertretungen ist in allen österreichischen Kronländern ausdrücklich den Männern vorbehalten. Jm transleithanischen Teil der habsburgischen Monarchie nehmen nur in Kroatien-Slavonien die Frauen ihrer Steuer- leistung entsprechend durch Stellvertreter an der städtischen Gemeinde- ratswahl teil; in den Städten der ehemaligen Militärgrenze besitzen sie jedoch dieses Recht nicht.
Die gesetzgebende Gewalt ist in Oesterreich geteilt zwischen dem Reichsparlament, dem Reichsrat und den Landtagen, welche durch die "Februarverfassung" von 1861 für jedes Kronland geschaffen wurden. Das Landtagswahlrecht wurde auf dem Gemeindewahlrecht gegründet. Es legt vier Wahlkurien fest: Großgrundbesitz, Landgemeinden, Kammern für Handel und Jndustrie, Städte. Jn der letzteren Klasse läßt es außer den Zensuswählern auch "Fähigkeitswähler" zu. Die Be- stimmungen über das politische Recht der Frauen sind nicht in allen Kronländern gleich und klar. Soviel ist aber sicher, daß in der Klasse des Großgrundbesitzes den Frauen überall das Wahlrecht eignet, das sie jedoch -- von Niederösterreich abgesehen -- nicht persönlich ausüben können, sondern durch Stellvertreter ausüben müssen. Nur in dem ge- nannten Kronland bestimmt das Landesgesetz von 1896, daß die Groß- grundbesitzer ohne Unterschied des Geschlechtes persönlich abstimmen müssen. Jn Mähren ist das Frauenstimmrecht nicht auf die Kurie der Großgrundbesitzerinnen beschränkt, es gilt auch der Steuerleistung gemäß für die Wählerklassen der Städte und Landgemeinden. Es tritt jedoch auch hier lediglich als ein Recht des Besitzes auf. Das Reichsgericht, der oberste Gerichtshof in Streitfällen staatsamtlicher Natur, hat 1884 ent- schieden, daß die Lehrerinnen nicht wie die Lehrer als "Fähigkeits- wähler" an den Landtags- und Gemeinderatswahlen teilnehmen können. Die Landtagswahlordnungen für Salzburg, Schlesien, Tirol und Vorarl- berg enthalten mehr oder minder klare ähnliche Bestimmungen über das Stimmrecht der Frauen in den drei Kurien: Großgrundbesitz, Städte und Landgemeinden. Jn Kärnten und Krain ist das Wahlrecht aus- drücklich auf die Großgrundbesitzerinnen beschränkt; die Wahlordnungen von Böhmen und Galizien schweigen darüber, ob die Frauen auch in den beiden anderen Kurien das Stimmrecht besitzen. Die bezüglichen Gesetze für Steiermark, Oberösterreich, Dalmatien, Görz mit Gradiska und Jstrien und die Bukowina äußern sich über das Stimmrecht der Frauen überhaupt nicht. Trotzdem ist das Wahlrecht der Großgrundbesitzerinnen hier nie bestritten worden, weil es ihnen ausdrücklich durch das Wahlgesetz des Reiches zuerkannt worden ist. Wohl aber wurde das Wahlrecht der Frauen in den zwei Kurien der Städte und Landgemeinden angezweifelt, obgleich zu diesen beiden Landtagswähler alle sind, welche das Gemeinde- wahlrecht besitzen, und dieses den steuerzahlenden Frauen in allen Land- und vielen Stadtgemeinden zusteht. Die strittige Frage ist für den Landtag von Niederösterreich dank der christlich-sozialen Mehrheit zu- ungunsten der Frauen entschieden worden. Das von ihr beschlossene Gesetz von 1889 bestimmt, daß nur männliche Personen Landtagswähler sein können; das Privilegium der Großgrundbesitzerinnen tasteten die Christlichen nicht an, ihnen ist das Wahlrecht erhalten geblieben.
Der Reichsrat wurde bis 1896 von den Landtagswählern gewählt. Die Wahlreform, die in diesem Jahre unter dem Drucke der sozialistischen
Böhmen übergehen die Rechtstellung der verheirateten Frauen mit Still- schweigen, in Mähren dagegen können diese ihr Stimmrecht durch Be- vollmächtigte ihrer eigenen Wahl ausüben. Die Wählbarkeit zu den Ge- meindevertretungen ist in allen österreichischen Kronländern ausdrücklich den Männern vorbehalten. Jm transleithanischen Teil der habsburgischen Monarchie nehmen nur in Kroatien-Slavonien die Frauen ihrer Steuer- leistung entsprechend durch Stellvertreter an der städtischen Gemeinde- ratswahl teil; in den Städten der ehemaligen Militärgrenze besitzen sie jedoch dieses Recht nicht.
Die gesetzgebende Gewalt ist in Oesterreich geteilt zwischen dem Reichsparlament, dem Reichsrat und den Landtagen, welche durch die „Februarverfassung‟ von 1861 für jedes Kronland geschaffen wurden. Das Landtagswahlrecht wurde auf dem Gemeindewahlrecht gegründet. Es legt vier Wahlkurien fest: Großgrundbesitz, Landgemeinden, Kammern für Handel und Jndustrie, Städte. Jn der letzteren Klasse läßt es außer den Zensuswählern auch „Fähigkeitswähler‟ zu. Die Be- stimmungen über das politische Recht der Frauen sind nicht in allen Kronländern gleich und klar. Soviel ist aber sicher, daß in der Klasse des Großgrundbesitzes den Frauen überall das Wahlrecht eignet, das sie jedoch — von Niederösterreich abgesehen — nicht persönlich ausüben können, sondern durch Stellvertreter ausüben müssen. Nur in dem ge- nannten Kronland bestimmt das Landesgesetz von 1896, daß die Groß- grundbesitzer ohne Unterschied des Geschlechtes persönlich abstimmen müssen. Jn Mähren ist das Frauenstimmrecht nicht auf die Kurie der Großgrundbesitzerinnen beschränkt, es gilt auch der Steuerleistung gemäß für die Wählerklassen der Städte und Landgemeinden. Es tritt jedoch auch hier lediglich als ein Recht des Besitzes auf. Das Reichsgericht, der oberste Gerichtshof in Streitfällen staatsamtlicher Natur, hat 1884 ent- schieden, daß die Lehrerinnen nicht wie die Lehrer als „Fähigkeits- wähler‟ an den Landtags- und Gemeinderatswahlen teilnehmen können. Die Landtagswahlordnungen für Salzburg, Schlesien, Tirol und Vorarl- berg enthalten mehr oder minder klare ähnliche Bestimmungen über das Stimmrecht der Frauen in den drei Kurien: Großgrundbesitz, Städte und Landgemeinden. Jn Kärnten und Krain ist das Wahlrecht aus- drücklich auf die Großgrundbesitzerinnen beschränkt; die Wahlordnungen von Böhmen und Galizien schweigen darüber, ob die Frauen auch in den beiden anderen Kurien das Stimmrecht besitzen. Die bezüglichen Gesetze für Steiermark, Oberösterreich, Dalmatien, Görz mit Gradiska und Jstrien und die Bukowina äußern sich über das Stimmrecht der Frauen überhaupt nicht. Trotzdem ist das Wahlrecht der Großgrundbesitzerinnen hier nie bestritten worden, weil es ihnen ausdrücklich durch das Wahlgesetz des Reiches zuerkannt worden ist. Wohl aber wurde das Wahlrecht der Frauen in den zwei Kurien der Städte und Landgemeinden angezweifelt, obgleich zu diesen beiden Landtagswähler alle sind, welche das Gemeinde- wahlrecht besitzen, und dieses den steuerzahlenden Frauen in allen Land- und vielen Stadtgemeinden zusteht. Die strittige Frage ist für den Landtag von Niederösterreich dank der christlich-sozialen Mehrheit zu- ungunsten der Frauen entschieden worden. Das von ihr beschlossene Gesetz von 1889 bestimmt, daß nur männliche Personen Landtagswähler sein können; das Privilegium der Großgrundbesitzerinnen tasteten die Christlichen nicht an, ihnen ist das Wahlrecht erhalten geblieben.
Der Reichsrat wurde bis 1896 von den Landtagswählern gewählt. Die Wahlreform, die in diesem Jahre unter dem Drucke der sozialistischen
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Böhmen übergehen die Rechtstellung der verheirateten Frauen mit Still-
schweigen, in Mähren dagegen können diese ihr Stimmrecht durch Be-
vollmächtigte ihrer eigenen Wahl ausüben. Die Wählbarkeit zu den Ge-
meindevertretungen ist in allen österreichischen Kronländern ausdrücklich
den Männern vorbehalten. Jm transleithanischen Teil der habsburgischen
Monarchie nehmen nur in Kroatien-Slavonien die Frauen ihrer Steuer-
leistung entsprechend durch Stellvertreter an der städtischen Gemeinde-
ratswahl teil; in den Städten der ehemaligen Militärgrenze besitzen sie
jedoch dieses Recht nicht.
Die gesetzgebende Gewalt ist in Oesterreich geteilt zwischen dem
Reichsparlament, dem Reichsrat und den Landtagen, welche durch die
„Februarverfassung‟ von 1861 für jedes Kronland geschaffen wurden.
Das Landtagswahlrecht wurde auf dem Gemeindewahlrecht gegründet.
Es legt vier Wahlkurien fest: Großgrundbesitz, Landgemeinden,
Kammern für Handel und Jndustrie, Städte. Jn der letzteren Klasse
läßt es außer den Zensuswählern auch „Fähigkeitswähler‟ zu. Die Be-
stimmungen über das politische Recht der Frauen sind nicht in allen
Kronländern gleich und klar. Soviel ist aber sicher, daß in der Klasse
des Großgrundbesitzes den Frauen überall das Wahlrecht eignet, das sie
jedoch — von Niederösterreich abgesehen — nicht persönlich ausüben
können, sondern durch Stellvertreter ausüben müssen. Nur in dem ge-
nannten Kronland bestimmt das Landesgesetz von 1896, daß die Groß-
grundbesitzer ohne Unterschied des Geschlechtes persönlich abstimmen
müssen. Jn Mähren ist das Frauenstimmrecht nicht auf die Kurie der
Großgrundbesitzerinnen beschränkt, es gilt auch der Steuerleistung gemäß
für die Wählerklassen der Städte und Landgemeinden. Es tritt jedoch
auch hier lediglich als ein Recht des Besitzes auf. Das Reichsgericht, der
oberste Gerichtshof in Streitfällen staatsamtlicher Natur, hat 1884 ent-
schieden, daß die Lehrerinnen nicht wie die Lehrer als „Fähigkeits-
wähler‟ an den Landtags- und Gemeinderatswahlen teilnehmen können.
Die Landtagswahlordnungen für Salzburg, Schlesien, Tirol und Vorarl-
berg enthalten mehr oder minder klare ähnliche Bestimmungen über das
Stimmrecht der Frauen in den drei Kurien: Großgrundbesitz, Städte
und Landgemeinden. Jn Kärnten und Krain ist das Wahlrecht aus-
drücklich auf die Großgrundbesitzerinnen beschränkt; die Wahlordnungen
von Böhmen und Galizien schweigen darüber, ob die Frauen auch in den
beiden anderen Kurien das Stimmrecht besitzen. Die bezüglichen Gesetze
für Steiermark, Oberösterreich, Dalmatien, Görz mit Gradiska und
Jstrien und die Bukowina äußern sich über das Stimmrecht der Frauen
überhaupt nicht. Trotzdem ist das Wahlrecht der Großgrundbesitzerinnen
hier nie bestritten worden, weil es ihnen ausdrücklich durch das Wahlgesetz
des Reiches zuerkannt worden ist. Wohl aber wurde das Wahlrecht der
Frauen in den zwei Kurien der Städte und Landgemeinden angezweifelt,
obgleich zu diesen beiden Landtagswähler alle sind, welche das Gemeinde-
wahlrecht besitzen, und dieses den steuerzahlenden Frauen in allen Land-
und vielen Stadtgemeinden zusteht. Die strittige Frage ist für den
Landtag von Niederösterreich dank der christlich-sozialen Mehrheit zu-
ungunsten der Frauen entschieden worden. Das von ihr beschlossene
Gesetz von 1889 bestimmt, daß nur männliche Personen Landtagswähler
sein können; das Privilegium der Großgrundbesitzerinnen tasteten die
Christlichen nicht an, ihnen ist das Wahlrecht erhalten geblieben.
Der Reichsrat wurde bis 1896 von den Landtagswählern gewählt.
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(2015-08-28T12:13:05Z)
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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/80>, abgerufen am 18.07.2024.
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