Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.von Herzen zugethan sei, bewies er ja, nach ihrer Ansicht, täglich durch Freundlichkeit, und wie konnte es auch anders sein; sie hatte ihm ja nichts gethan, und der Vater eben so wenig; er mußte ja umgekehrt gut machen, was er durch unüberlegtes Werben angerichtet hatte. Es ist aber eine alte Bemerkung, daß der Beleidiger Den mehr haßt, gegen den er sich ein wirkliches Unrecht zu Schulden kommen ließ, als er umgekehrt von diesem gehaßt wird. Wir haben uns daher vor Niemand so sehr in Acht zu nehmen als vor Dem, der sich schlecht gegen uns betrug; denn es ist das Wesen der Gemeinheit, nicht zur Scham und Reue zu gelangen, sondern außerhalb der eigenen Person Genüge und Buße zu suchen und so immer wieder auf den Gegenstand des Hasses, in dem ein wandelnder Vorwurf liegt, zurückzukommen. Darum haben alle Versöhnungen, wenn die Beleidigungen wirklich tiefgreifend waren, ihr Mißliches. Man konnte daher bemerken, daß der Actuar gegen Niemanden so freundlich war als gegen den Müller und seinen Freund den Schmied, die fast Eine Person bildeten, und als die Frühjahrsjagd herankam, bat er Beide inständig, ihn nicht zu verrathen, wenn er sie auffordere, vorsichtig zu sein, da der Justizrath gegen sie aufgebracht sei und nichts Gutes im Sinne habe. Die paar Enten, sagte er, sind nicht der Rede von Herzen zugethan sei, bewies er ja, nach ihrer Ansicht, täglich durch Freundlichkeit, und wie konnte es auch anders sein; sie hatte ihm ja nichts gethan, und der Vater eben so wenig; er mußte ja umgekehrt gut machen, was er durch unüberlegtes Werben angerichtet hatte. Es ist aber eine alte Bemerkung, daß der Beleidiger Den mehr haßt, gegen den er sich ein wirkliches Unrecht zu Schulden kommen ließ, als er umgekehrt von diesem gehaßt wird. Wir haben uns daher vor Niemand so sehr in Acht zu nehmen als vor Dem, der sich schlecht gegen uns betrug; denn es ist das Wesen der Gemeinheit, nicht zur Scham und Reue zu gelangen, sondern außerhalb der eigenen Person Genüge und Buße zu suchen und so immer wieder auf den Gegenstand des Hasses, in dem ein wandelnder Vorwurf liegt, zurückzukommen. Darum haben alle Versöhnungen, wenn die Beleidigungen wirklich tiefgreifend waren, ihr Mißliches. Man konnte daher bemerken, daß der Actuar gegen Niemanden so freundlich war als gegen den Müller und seinen Freund den Schmied, die fast Eine Person bildeten, und als die Frühjahrsjagd herankam, bat er Beide inständig, ihn nicht zu verrathen, wenn er sie auffordere, vorsichtig zu sein, da der Justizrath gegen sie aufgebracht sei und nichts Gutes im Sinne habe. Die paar Enten, sagte er, sind nicht der Rede <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0022"/> von Herzen zugethan sei, bewies er ja, nach ihrer Ansicht, täglich durch Freundlichkeit, und wie konnte es auch anders sein; sie hatte ihm ja nichts gethan, und der Vater eben so wenig; er mußte ja umgekehrt gut machen, was er durch unüberlegtes Werben angerichtet hatte.</p><lb/> <p>Es ist aber eine alte Bemerkung, daß der Beleidiger Den mehr haßt, gegen den er sich ein wirkliches Unrecht zu Schulden kommen ließ, als er umgekehrt von diesem gehaßt wird. Wir haben uns daher vor Niemand so sehr in Acht zu nehmen als vor Dem, der sich schlecht gegen uns betrug; denn es ist das Wesen der Gemeinheit, nicht zur Scham und Reue zu gelangen, sondern außerhalb der eigenen Person Genüge und Buße zu suchen und so immer wieder auf den Gegenstand des Hasses, in dem ein wandelnder Vorwurf liegt, zurückzukommen. Darum haben alle Versöhnungen, wenn die Beleidigungen wirklich tiefgreifend waren, ihr Mißliches.</p><lb/> <p>Man konnte daher bemerken, daß der Actuar gegen Niemanden so freundlich war als gegen den Müller und seinen Freund den Schmied, die fast Eine Person bildeten, und als die Frühjahrsjagd herankam, bat er Beide inständig, ihn nicht zu verrathen, wenn er sie auffordere, vorsichtig zu sein, da der Justizrath gegen sie aufgebracht sei und nichts Gutes im Sinne habe.</p><lb/> <p>Die paar Enten, sagte er, sind nicht der Rede<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0022]
von Herzen zugethan sei, bewies er ja, nach ihrer Ansicht, täglich durch Freundlichkeit, und wie konnte es auch anders sein; sie hatte ihm ja nichts gethan, und der Vater eben so wenig; er mußte ja umgekehrt gut machen, was er durch unüberlegtes Werben angerichtet hatte.
Es ist aber eine alte Bemerkung, daß der Beleidiger Den mehr haßt, gegen den er sich ein wirkliches Unrecht zu Schulden kommen ließ, als er umgekehrt von diesem gehaßt wird. Wir haben uns daher vor Niemand so sehr in Acht zu nehmen als vor Dem, der sich schlecht gegen uns betrug; denn es ist das Wesen der Gemeinheit, nicht zur Scham und Reue zu gelangen, sondern außerhalb der eigenen Person Genüge und Buße zu suchen und so immer wieder auf den Gegenstand des Hasses, in dem ein wandelnder Vorwurf liegt, zurückzukommen. Darum haben alle Versöhnungen, wenn die Beleidigungen wirklich tiefgreifend waren, ihr Mißliches.
Man konnte daher bemerken, daß der Actuar gegen Niemanden so freundlich war als gegen den Müller und seinen Freund den Schmied, die fast Eine Person bildeten, und als die Frühjahrsjagd herankam, bat er Beide inständig, ihn nicht zu verrathen, wenn er sie auffordere, vorsichtig zu sein, da der Justizrath gegen sie aufgebracht sei und nichts Gutes im Sinne habe.
Die paar Enten, sagte er, sind nicht der Rede
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:10:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:10:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |