Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

seelenvoller Stimmung belebt. Mehrfach kehrt das Motiv von der Sühne der Vätersünden an Kindern und Kindeskindern wieder, im engen Zusammenhange mit dem historischen Sinn des Dichters, in welchem, bei dem tiefsten Freiheitsbedürfniß, durch seine Jugenderlebnisse Respect und Neigung für das gewachsene Recht beschränkter Lebensformen feste Wurzeln geschlagen haben. Die straffe märkische Zucht, durch welche der große Friedrich seinen kleinen Staat auf eine weltgeschichtliche Höhe erhoben, der Pflichtbegriff in seiner ganzen kategorischen Unverantwortlichkeit hoch über allem Spiel leidenschaftlicher Triebe, durchdringt, wie das politische Leben, so auch alles dichterische Streben des trefflichen Mannes, der sich selbst neben seinem erfolgreicheren Genossen, Wilibald Alexis, der "echten märkischen Nachtigall", nur als "einen heiseren Rohrsperling" bezeichnet. Die Töne aber, die er z. B. in jenem herrlichen Charakterbild "Landwehrmann Krille" angeschlagen, sind in ihrer ergreifenden Einfachheit und Wahrheit so mächtig, daß wir ihnen nur das Beste in Fritz Reuter's "Franzosentid" an die Seite setzen können, die freilich durch ihre breitere und kunstvollere Composition und den reizenden Contrast der humoristischen Züge neben den pathetischen dieser mehr episodischen Dichtung überlegen ist. Die Erzählung, die unser Novellenschatz von Ziegler mittheilt, möge dazu beitragen, in weiteren Kreisen den Namen eines Dichters zu Ehren zu bringen, von dessen öffentlichem Wirken selbst seine politischen Gegner mit Hochachtung sprechen, und dem unter den Waffen nur leider allzu oft die Musen verstummten.

seelenvoller Stimmung belebt. Mehrfach kehrt das Motiv von der Sühne der Vätersünden an Kindern und Kindeskindern wieder, im engen Zusammenhange mit dem historischen Sinn des Dichters, in welchem, bei dem tiefsten Freiheitsbedürfniß, durch seine Jugenderlebnisse Respect und Neigung für das gewachsene Recht beschränkter Lebensformen feste Wurzeln geschlagen haben. Die straffe märkische Zucht, durch welche der große Friedrich seinen kleinen Staat auf eine weltgeschichtliche Höhe erhoben, der Pflichtbegriff in seiner ganzen kategorischen Unverantwortlichkeit hoch über allem Spiel leidenschaftlicher Triebe, durchdringt, wie das politische Leben, so auch alles dichterische Streben des trefflichen Mannes, der sich selbst neben seinem erfolgreicheren Genossen, Wilibald Alexis, der „echten märkischen Nachtigall“, nur als „einen heiseren Rohrsperling“ bezeichnet. Die Töne aber, die er z. B. in jenem herrlichen Charakterbild „Landwehrmann Krille“ angeschlagen, sind in ihrer ergreifenden Einfachheit und Wahrheit so mächtig, daß wir ihnen nur das Beste in Fritz Reuter's „Franzosentid“ an die Seite setzen können, die freilich durch ihre breitere und kunstvollere Composition und den reizenden Contrast der humoristischen Züge neben den pathetischen dieser mehr episodischen Dichtung überlegen ist. Die Erzählung, die unser Novellenschatz von Ziegler mittheilt, möge dazu beitragen, in weiteren Kreisen den Namen eines Dichters zu Ehren zu bringen, von dessen öffentlichem Wirken selbst seine politischen Gegner mit Hochachtung sprechen, und dem unter den Waffen nur leider allzu oft die Musen verstummten.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <p><pb facs="#f0006"/>
seelenvoller Stimmung         belebt. Mehrfach kehrt das Motiv von der Sühne der Vätersünden an Kindern und Kindeskindern         wieder, im engen Zusammenhange mit dem historischen Sinn des Dichters, in welchem, bei dem         tiefsten Freiheitsbedürfniß, durch seine Jugenderlebnisse Respect und Neigung für das         gewachsene Recht beschränkter Lebensformen feste Wurzeln geschlagen haben. Die straffe         märkische Zucht, durch welche der große Friedrich seinen kleinen Staat auf eine         weltgeschichtliche Höhe erhoben, der Pflichtbegriff in seiner ganzen kategorischen         Unverantwortlichkeit hoch über allem Spiel leidenschaftlicher Triebe, durchdringt, wie das         politische Leben, so auch alles dichterische Streben des trefflichen Mannes, der sich selbst         neben seinem erfolgreicheren Genossen, Wilibald Alexis, der &#x201E;echten märkischen Nachtigall&#x201C;,         nur als &#x201E;einen heiseren Rohrsperling&#x201C; bezeichnet. Die Töne aber, die er z. B. in jenem         herrlichen Charakterbild &#x201E;Landwehrmann Krille&#x201C; angeschlagen, sind in ihrer ergreifenden         Einfachheit und Wahrheit so mächtig, daß wir ihnen nur das Beste in Fritz Reuter's         &#x201E;Franzosentid&#x201C; an die Seite setzen können, die freilich durch ihre breitere und kunstvollere         Composition und den reizenden Contrast der humoristischen Züge neben den pathetischen dieser         mehr episodischen Dichtung überlegen ist. Die Erzählung, die unser Novellenschatz von         Ziegler mittheilt, möge dazu beitragen, in weiteren Kreisen den Namen eines Dichters zu         Ehren zu bringen, von dessen öffentlichem Wirken selbst seine politischen Gegner mit         Hochachtung sprechen, und dem unter den Waffen nur leider allzu oft die Musen         verstummten.</p><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0006] seelenvoller Stimmung belebt. Mehrfach kehrt das Motiv von der Sühne der Vätersünden an Kindern und Kindeskindern wieder, im engen Zusammenhange mit dem historischen Sinn des Dichters, in welchem, bei dem tiefsten Freiheitsbedürfniß, durch seine Jugenderlebnisse Respect und Neigung für das gewachsene Recht beschränkter Lebensformen feste Wurzeln geschlagen haben. Die straffe märkische Zucht, durch welche der große Friedrich seinen kleinen Staat auf eine weltgeschichtliche Höhe erhoben, der Pflichtbegriff in seiner ganzen kategorischen Unverantwortlichkeit hoch über allem Spiel leidenschaftlicher Triebe, durchdringt, wie das politische Leben, so auch alles dichterische Streben des trefflichen Mannes, der sich selbst neben seinem erfolgreicheren Genossen, Wilibald Alexis, der „echten märkischen Nachtigall“, nur als „einen heiseren Rohrsperling“ bezeichnet. Die Töne aber, die er z. B. in jenem herrlichen Charakterbild „Landwehrmann Krille“ angeschlagen, sind in ihrer ergreifenden Einfachheit und Wahrheit so mächtig, daß wir ihnen nur das Beste in Fritz Reuter's „Franzosentid“ an die Seite setzen können, die freilich durch ihre breitere und kunstvollere Composition und den reizenden Contrast der humoristischen Züge neben den pathetischen dieser mehr episodischen Dichtung überlegen ist. Die Erzählung, die unser Novellenschatz von Ziegler mittheilt, möge dazu beitragen, in weiteren Kreisen den Namen eines Dichters zu Ehren zu bringen, von dessen öffentlichem Wirken selbst seine politischen Gegner mit Hochachtung sprechen, und dem unter den Waffen nur leider allzu oft die Musen verstummten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/6
Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/6>, abgerufen am 21.11.2024.