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Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Warum aber habt Ihr denn nicht Lebensmittel mitgenommen? --

Ich könnte Sie dasselbe fragen; denn Sie wissen ja, wir wurden überrascht. Uebrigens hieße das nur unsere Qual verlängern. Es ist gut, daß ich nicht mehr habe.

Es folgte eine traurige Nacht. Der Justizrath wurde vom Fieberfrost geschüttelt; oft hörte ihn der Müller beten. Gegen Morgen war er ganz milde und zum Sterben bereit, wenn es nur rasch ginge, wie er meinte.

Ja, Hunger ist eine entsetzliche Sache, sprach der Müller. Sie hungern erst vier und zwanzig Stunden und überlegen, was Sie thun würden, die Qual zu lindern? Manchmal sollte man doch mit dem Dieb Mitleid haben. -- Und der Frost? Wie oft schneidet man den armen Leuten, die das bischen Reisig Meilen weit mit ihren von Hunger entmarkten Knochen auf dem Rücken getragen, die Stricke durch. Nun ja! Ordnung muß sein, aber ich muß wohl zu dumm sein, ich kann über manche Dinge nicht klug werden. --

Der Justizrath schwieg. Er selbst hatte oft Bettler, arme Leute, die einige Kartoffeln nachgesucht, sehr hart behandelt, er hatte sich herbeigelassen, Holzsucher selbst in den Stiftsforst zu verfolgen.

Habt Mitleid mit mir, sagte er zum Müller, und geht mit mir nicht ins Gericht. Ich habe von Jugend an keine Noth gekannt, und mit einer guten Mahlzeit und gutem Wein im Leibe läßt sich dem Gefühl des

Warum aber habt Ihr denn nicht Lebensmittel mitgenommen? —

Ich könnte Sie dasselbe fragen; denn Sie wissen ja, wir wurden überrascht. Uebrigens hieße das nur unsere Qual verlängern. Es ist gut, daß ich nicht mehr habe.

Es folgte eine traurige Nacht. Der Justizrath wurde vom Fieberfrost geschüttelt; oft hörte ihn der Müller beten. Gegen Morgen war er ganz milde und zum Sterben bereit, wenn es nur rasch ginge, wie er meinte.

Ja, Hunger ist eine entsetzliche Sache, sprach der Müller. Sie hungern erst vier und zwanzig Stunden und überlegen, was Sie thun würden, die Qual zu lindern? Manchmal sollte man doch mit dem Dieb Mitleid haben. — Und der Frost? Wie oft schneidet man den armen Leuten, die das bischen Reisig Meilen weit mit ihren von Hunger entmarkten Knochen auf dem Rücken getragen, die Stricke durch. Nun ja! Ordnung muß sein, aber ich muß wohl zu dumm sein, ich kann über manche Dinge nicht klug werden. —

Der Justizrath schwieg. Er selbst hatte oft Bettler, arme Leute, die einige Kartoffeln nachgesucht, sehr hart behandelt, er hatte sich herbeigelassen, Holzsucher selbst in den Stiftsforst zu verfolgen.

Habt Mitleid mit mir, sagte er zum Müller, und geht mit mir nicht ins Gericht. Ich habe von Jugend an keine Noth gekannt, und mit einer guten Mahlzeit und gutem Wein im Leibe läßt sich dem Gefühl des

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[0063] Warum aber habt Ihr denn nicht Lebensmittel mitgenommen? — Ich könnte Sie dasselbe fragen; denn Sie wissen ja, wir wurden überrascht. Uebrigens hieße das nur unsere Qual verlängern. Es ist gut, daß ich nicht mehr habe. Es folgte eine traurige Nacht. Der Justizrath wurde vom Fieberfrost geschüttelt; oft hörte ihn der Müller beten. Gegen Morgen war er ganz milde und zum Sterben bereit, wenn es nur rasch ginge, wie er meinte. Ja, Hunger ist eine entsetzliche Sache, sprach der Müller. Sie hungern erst vier und zwanzig Stunden und überlegen, was Sie thun würden, die Qual zu lindern? Manchmal sollte man doch mit dem Dieb Mitleid haben. — Und der Frost? Wie oft schneidet man den armen Leuten, die das bischen Reisig Meilen weit mit ihren von Hunger entmarkten Knochen auf dem Rücken getragen, die Stricke durch. Nun ja! Ordnung muß sein, aber ich muß wohl zu dumm sein, ich kann über manche Dinge nicht klug werden. — Der Justizrath schwieg. Er selbst hatte oft Bettler, arme Leute, die einige Kartoffeln nachgesucht, sehr hart behandelt, er hatte sich herbeigelassen, Holzsucher selbst in den Stiftsforst zu verfolgen. Habt Mitleid mit mir, sagte er zum Müller, und geht mit mir nicht ins Gericht. Ich habe von Jugend an keine Noth gekannt, und mit einer guten Mahlzeit und gutem Wein im Leibe läßt sich dem Gefühl des

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/63>, abgerufen am 27.11.2024.