Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

um die Oase. So schwach die Männer waren, bemühten sie sich zu rufen, aber sie überzeugten sich, daß ihre Stimme nicht hinüberdringen könne, denn der Wind stand ihnen entgegen. Endlich entwickelte sich noch ein anderer Punkt und schien dem kleinen zu folgen, und endlich kam er so nahe, daß der Müller schnell Feuer anmachte und, da das Gestrüpp nicht Feuer fangen wollte, an Kleidungsstücken verbrannte, was sie entbehren konnten. Es kam zwar nur zu spärlicher Flamme, aber es erhob sich doch eine Rauchsäule. Sobald sie emporwirbelte, erschallte von drüben ein Jauchzen, das bis zu den Vereinsamten herüberdrang.

Wir sind gerettet! sagte der Müller; denn hier konnte mich nur der Schmied suchen, und der wird's wohl machen, und sollte er alle Latten und Bretter des Dorfs ausräumen oder die Planken von der Mühle reißen. --

Es ist zu spät, sagte leise der Justizrath, es ist zu spät; ich fühle schon, wie ich absterbe und der Tod ans Herz tritt. --

Der Müller, so schwach er war, zog den Pelz aus und deckte ihn über den Kranken.

Bis in die Nacht hinein dauerte es, ehe der Schmiedsjunge zuerst, dann der Schmied zu ihnen drang. Der Justizrath wurde auf einem Schlitten geschleift, der Müller, nachdem er einige Nahrung genommen, fand seinen Weg über Planken und Unterlagen.

Gegen Morgen waren Beide in des Müllers Wohnung geborgen und vorsichtig gespeis't; denn der Dorf-

um die Oase. So schwach die Männer waren, bemühten sie sich zu rufen, aber sie überzeugten sich, daß ihre Stimme nicht hinüberdringen könne, denn der Wind stand ihnen entgegen. Endlich entwickelte sich noch ein anderer Punkt und schien dem kleinen zu folgen, und endlich kam er so nahe, daß der Müller schnell Feuer anmachte und, da das Gestrüpp nicht Feuer fangen wollte, an Kleidungsstücken verbrannte, was sie entbehren konnten. Es kam zwar nur zu spärlicher Flamme, aber es erhob sich doch eine Rauchsäule. Sobald sie emporwirbelte, erschallte von drüben ein Jauchzen, das bis zu den Vereinsamten herüberdrang.

Wir sind gerettet! sagte der Müller; denn hier konnte mich nur der Schmied suchen, und der wird's wohl machen, und sollte er alle Latten und Bretter des Dorfs ausräumen oder die Planken von der Mühle reißen. —

Es ist zu spät, sagte leise der Justizrath, es ist zu spät; ich fühle schon, wie ich absterbe und der Tod ans Herz tritt. —

Der Müller, so schwach er war, zog den Pelz aus und deckte ihn über den Kranken.

Bis in die Nacht hinein dauerte es, ehe der Schmiedsjunge zuerst, dann der Schmied zu ihnen drang. Der Justizrath wurde auf einem Schlitten geschleift, der Müller, nachdem er einige Nahrung genommen, fand seinen Weg über Planken und Unterlagen.

Gegen Morgen waren Beide in des Müllers Wohnung geborgen und vorsichtig gespeis't; denn der Dorf-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0067"/>
um die Oase. So schwach           die Männer waren, bemühten sie sich zu rufen, aber sie überzeugten sich, daß ihre Stimme           nicht hinüberdringen könne, denn der Wind stand ihnen entgegen. Endlich entwickelte sich           noch ein anderer Punkt und schien dem kleinen zu folgen, und endlich kam er so nahe, daß           der Müller schnell Feuer anmachte und, da das Gestrüpp nicht Feuer fangen wollte, an           Kleidungsstücken verbrannte, was sie entbehren konnten. Es kam zwar nur zu spärlicher           Flamme, aber es erhob sich doch eine Rauchsäule. Sobald sie emporwirbelte, erschallte von           drüben ein Jauchzen, das bis zu den Vereinsamten herüberdrang.</p><lb/>
        <p>Wir sind gerettet! sagte der Müller; denn hier konnte mich nur der Schmied suchen, und           der wird's wohl machen, und sollte er alle Latten und Bretter des Dorfs ausräumen oder die           Planken von der Mühle reißen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Es ist zu spät, sagte leise der Justizrath, es ist zu spät; ich fühle schon, wie ich           absterbe und der Tod ans Herz tritt. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Der Müller, so schwach er war, zog den Pelz aus und deckte ihn über den Kranken.</p><lb/>
        <p>Bis in die Nacht hinein dauerte es, ehe der Schmiedsjunge zuerst, dann der Schmied zu           ihnen drang. Der Justizrath wurde auf einem Schlitten geschleift, der Müller, nachdem er           einige Nahrung genommen, fand seinen Weg über Planken und Unterlagen.</p><lb/>
        <p>Gegen Morgen waren Beide in des Müllers Wohnung geborgen und vorsichtig gespeis't; denn           der Dorf-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0067] um die Oase. So schwach die Männer waren, bemühten sie sich zu rufen, aber sie überzeugten sich, daß ihre Stimme nicht hinüberdringen könne, denn der Wind stand ihnen entgegen. Endlich entwickelte sich noch ein anderer Punkt und schien dem kleinen zu folgen, und endlich kam er so nahe, daß der Müller schnell Feuer anmachte und, da das Gestrüpp nicht Feuer fangen wollte, an Kleidungsstücken verbrannte, was sie entbehren konnten. Es kam zwar nur zu spärlicher Flamme, aber es erhob sich doch eine Rauchsäule. Sobald sie emporwirbelte, erschallte von drüben ein Jauchzen, das bis zu den Vereinsamten herüberdrang. Wir sind gerettet! sagte der Müller; denn hier konnte mich nur der Schmied suchen, und der wird's wohl machen, und sollte er alle Latten und Bretter des Dorfs ausräumen oder die Planken von der Mühle reißen. — Es ist zu spät, sagte leise der Justizrath, es ist zu spät; ich fühle schon, wie ich absterbe und der Tod ans Herz tritt. — Der Müller, so schwach er war, zog den Pelz aus und deckte ihn über den Kranken. Bis in die Nacht hinein dauerte es, ehe der Schmiedsjunge zuerst, dann der Schmied zu ihnen drang. Der Justizrath wurde auf einem Schlitten geschleift, der Müller, nachdem er einige Nahrung genommen, fand seinen Weg über Planken und Unterlagen. Gegen Morgen waren Beide in des Müllers Wohnung geborgen und vorsichtig gespeis't; denn der Dorf-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/67
Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/67>, abgerufen am 27.11.2024.