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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1725.
XXXIX. Auf Friedrichen Herrn von Wat-
teville, vor seiner Abschickung an den
Cardinal von Noailles.
SO wagt sich, theurer Freund! zu dir derselbe Kiel,
Der zwar nicht gantz und gar des Schreibens unerfahren,
Der aber auch ein Feind vom blossen Wörter-Spiel,
Und sonderlich den Ruhm der Freunde pflegt zu sparen.
Man siehet, daß er sich nun offenbarlich regt:
Nicht dein verdientes Lob der Erden kund zu machen,
Als welches Amt der HErr an jenem Tage trägt;
Er will nur itzt der Welt und ihrer Thorheit lachen.
So bald man sich bekehrt, so ist es ausgemacht,
Und stammte man vorher aus Wittekindes Lenden,
Den man der Hoheit selbst zur Wurtzel ausgedacht;
So wird sich unversehns das Blatt der Ehren wenden.
Die gantze Welt erstaunt, wie herrlich jener Mann,
Bey aller Redlichkeit, an Geld und Gut geworden:
Kaum aber, daß er sich zu GOtt bekehren kan;
So eilet sie mit ihm zum nechsten Bettel-Orden.
Warum? Was ist der Welt? Sie läst sich einerseits
Von einem Christenthum, bey eitler Welt-Lust, träumen:
Wie kan die Thörin denn mit Christi hohem Creutz
Die Hoheit ihres Stuhls auf keine Weise reimen?
Wenn sich ein fremd Gesicht in ihren Gräntzen zeigt,
So pflegt sies iedermann an Würde vorzuziehn:
Der Fremdling aber sey nur Christo zugeneigt;
So mag er nur fein bald aus ihrer Gegend fliehn.
Der wird geschwind ein Graf, aufs wenigste Baron,
Der in der Fremde nur das Seinige verbrauset;
Der aber scheint der Welt, wo nicht ein Huren-Sohn,
Doch nicht viel ehrlicher, dem vor der Welt-Lust grauset.
Wer sich der Eitelkeit der Welt gebrauchen kan,
Und weiß mit falschem Glantz sein Nichts seyn auszumahlen,
Der trete nur getrost vor alle Welt heran,
Von Reichthum, Klugheit, Stand, von was er will zu pralen.
Die Erde ruht auf Wind, (vergönnt mir dieses Spiel,)
Drum klingt ihr nichts so groß, als solcherley Getöse,
Da
G
1725.
XXXIX. Auf Friedrichen Herrn von Wat-
teville, vor ſeiner Abſchickung an den
Cardinal von Noailles.
SO wagt ſich, theurer Freund! zu dir derſelbe Kiel,
Der zwar nicht gantz und gar des Schreibens unerfahren,
Der aber auch ein Feind vom bloſſen Woͤrter-Spiel,
Und ſonderlich den Ruhm der Freunde pflegt zu ſparen.
Man ſiehet, daß er ſich nun offenbarlich regt:
Nicht dein verdientes Lob der Erden kund zu machen,
Als welches Amt der HErr an jenem Tage traͤgt;
Er will nur itzt der Welt und ihrer Thorheit lachen.
So bald man ſich bekehrt, ſo iſt es ausgemacht,
Und ſtammte man vorher aus Wittekindes Lenden,
Den man der Hoheit ſelbſt zur Wurtzel ausgedacht;
So wird ſich unverſehns das Blatt der Ehren wenden.
Die gantze Welt erſtaunt, wie herrlich jener Mann,
Bey aller Redlichkeit, an Geld und Gut geworden:
Kaum aber, daß er ſich zu GOtt bekehren kan;
So eilet ſie mit ihm zum nechſten Bettel-Orden.
Warum? Was iſt der Welt? Sie laͤſt ſich einerſeits
Von einem Chriſtenthum, bey eitler Welt-Luſt, traͤumen:
Wie kan die Thoͤrin denn mit Chriſti hohem Creutz
Die Hoheit ihres Stuhls auf keine Weiſe reimen?
Wenn ſich ein fremd Geſicht in ihren Graͤntzen zeigt,
So pflegt ſies iedermann an Wuͤrde vorzuziehn:
Der Fremdling aber ſey nur Chriſto zugeneigt;
So mag er nur fein bald aus ihrer Gegend fliehn.
Der wird geſchwind ein Graf, aufs wenigſte Baron,
Der in der Fremde nur das Seinige verbrauſet;
Der aber ſcheint der Welt, wo nicht ein Huren-Sohn,
Doch nicht viel ehrlicher, dem vor der Welt-Luſt grauſet.
Wer ſich der Eitelkeit der Welt gebrauchen kan,
Und weiß mit falſchem Glantz ſein Nichts ſeyn auszumahlen,
Der trete nur getroſt vor alle Welt heran,
Von Reichthum, Klugheit, Stand, von was er will zu pralen.
Die Erde ruht auf Wind, (vergoͤnnt mir dieſes Spiel,)
Drum klingt ihr nichts ſo groß, als ſolcherley Getoͤſe,
Da
G
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[97/0107] 1725. XXXIX. Auf Friedrichen Herrn von Wat- teville, vor ſeiner Abſchickung an den Cardinal von Noailles. SO wagt ſich, theurer Freund! zu dir derſelbe Kiel, Der zwar nicht gantz und gar des Schreibens unerfahren, Der aber auch ein Feind vom bloſſen Woͤrter-Spiel, Und ſonderlich den Ruhm der Freunde pflegt zu ſparen. Man ſiehet, daß er ſich nun offenbarlich regt: Nicht dein verdientes Lob der Erden kund zu machen, Als welches Amt der HErr an jenem Tage traͤgt; Er will nur itzt der Welt und ihrer Thorheit lachen. So bald man ſich bekehrt, ſo iſt es ausgemacht, Und ſtammte man vorher aus Wittekindes Lenden, Den man der Hoheit ſelbſt zur Wurtzel ausgedacht; So wird ſich unverſehns das Blatt der Ehren wenden. Die gantze Welt erſtaunt, wie herrlich jener Mann, Bey aller Redlichkeit, an Geld und Gut geworden: Kaum aber, daß er ſich zu GOtt bekehren kan; So eilet ſie mit ihm zum nechſten Bettel-Orden. Warum? Was iſt der Welt? Sie laͤſt ſich einerſeits Von einem Chriſtenthum, bey eitler Welt-Luſt, traͤumen: Wie kan die Thoͤrin denn mit Chriſti hohem Creutz Die Hoheit ihres Stuhls auf keine Weiſe reimen? Wenn ſich ein fremd Geſicht in ihren Graͤntzen zeigt, So pflegt ſies iedermann an Wuͤrde vorzuziehn: Der Fremdling aber ſey nur Chriſto zugeneigt; So mag er nur fein bald aus ihrer Gegend fliehn. Der wird geſchwind ein Graf, aufs wenigſte Baron, Der in der Fremde nur das Seinige verbrauſet; Der aber ſcheint der Welt, wo nicht ein Huren-Sohn, Doch nicht viel ehrlicher, dem vor der Welt-Luſt grauſet. Wer ſich der Eitelkeit der Welt gebrauchen kan, Und weiß mit falſchem Glantz ſein Nichts ſeyn auszumahlen, Der trete nur getroſt vor alle Welt heran, Von Reichthum, Klugheit, Stand, von was er will zu pralen. Die Erde ruht auf Wind, (vergoͤnnt mir dieſes Spiel,) Drum klingt ihr nichts ſo groß, als ſolcherley Getoͤſe, Da G

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/107>, abgerufen am 23.11.2024.