Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1725. Wie wagte sich die Zung hinein Jn deine tiefe Eigenschaften? Die sonderlich und insgemein Genau an deinem Wesen haften? Und zu des Nahmens Wunder-Höhn, Der sich zu nennen nicht beliebet, Sich auch nur zu erfahren giebet, Wo Aug und Sinne stille stehn. Wer führet mich zu deiner Quell, Unendlichkeit! des Geists erstaunen! Wo find ich eine freye Stell Von deinen Wundern zu posaunen, Jch warnte alle Creatur Vom Fürsten an der reinen Geister, Biß zu der Weisen Obermeister, Vor deiner fürchterlichen Spur. Jch lasse dich, du bist zu hoch, Zu tief, o GOtt! zu groß und lichte, Vor einen Geist im Lebens-Joch, Vor ein umcörpertes Gesichte: Wie kam das Schaffen dir im Sinn? Verfehlt ein Fürst der Creaturen Zu dir, dem Schöpfer, Bahn und Spuren, Wo will die andre Schöpfung hin. Göttliche Antwort. Hör auf zu suchen, was so fern, Hör auf zu forschen, was dich fliehet; Du hast den ausgemachten Kern, Sey nicht ums Aussen-Werck bemühet Verrücke nicht dein Seelen-Licht Biß zu dem Kreis der Ewigkeiten, Du möchtest Finsterniß erbeuten, Und fandest mich doch nirgends nicht. Wie so, du unverständigs Kind? Wilt du mich aus der Tiefe hohlen? Wo meynest du, daß man mich findt? Suchst du mich bey den Himmels-Polen? Suchst
1725. Wie wagte ſich die Zung hinein Jn deine tiefe Eigenſchaften? Die ſonderlich und insgemein Genau an deinem Weſen haften? Und zu des Nahmens Wunder-Hoͤhn, Der ſich zu nennen nicht beliebet, Sich auch nur zu erfahren giebet, Wo Aug und Sinne ſtille ſtehn. Wer fuͤhret mich zu deiner Quell, Unendlichkeit! des Geiſts erſtaunen! Wo find ich eine freye Stell Von deinen Wundern zu poſaunen, Jch warnte alle Creatur Vom Fuͤrſten an der reinen Geiſter, Biß zu der Weiſen Obermeiſter, Vor deiner fuͤrchterlichen Spur. Jch laſſe dich, du biſt zu hoch, Zu tief, o GOtt! zu groß und lichte, Vor einen Geiſt im Lebens-Joch, Vor ein umcoͤrpertes Geſichte: Wie kam das Schaffen dir im Sinn? Verfehlt ein Fuͤrſt der Creaturen Zu dir, dem Schoͤpfer, Bahn und Spuren, Wo will die andre Schoͤpfung hin. Goͤttliche Antwort. Hoͤr auf zu ſuchen, was ſo fern, Hoͤr auf zu forſchen, was dich fliehet; Du haſt den ausgemachten Kern, Sey nicht ums Auſſen-Werck bemuͤhet Verruͤcke nicht dein Seelen-Licht Biß zu dem Kreis der Ewigkeiten, Du moͤchteſt Finſterniß erbeuten, Und fandeſt mich doch nirgends nicht. Wie ſo, du unverſtaͤndigs Kind? Wilt du mich aus der Tiefe hohlen? Wo meyneſt du, daß man mich findt? Suchſt du mich bey den Himmels-Polen? Suchſt
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1725.
Wie wagte ſich die Zung hinein
Jn deine tiefe Eigenſchaften?
Die ſonderlich und insgemein
Genau an deinem Weſen haften?
Und zu des Nahmens Wunder-Hoͤhn,
Der ſich zu nennen nicht beliebet,
Sich auch nur zu erfahren giebet,
Wo Aug und Sinne ſtille ſtehn.
Wer fuͤhret mich zu deiner Quell,
Unendlichkeit! des Geiſts erſtaunen!
Wo find ich eine freye Stell
Von deinen Wundern zu poſaunen,
Jch warnte alle Creatur
Vom Fuͤrſten an der reinen Geiſter,
Biß zu der Weiſen Obermeiſter,
Vor deiner fuͤrchterlichen Spur.
Jch laſſe dich, du biſt zu hoch,
Zu tief, o GOtt! zu groß und lichte,
Vor einen Geiſt im Lebens-Joch,
Vor ein umcoͤrpertes Geſichte:
Wie kam das Schaffen dir im Sinn?
Verfehlt ein Fuͤrſt der Creaturen
Zu dir, dem Schoͤpfer, Bahn und Spuren,
Wo will die andre Schoͤpfung hin.
Goͤttliche Antwort.
Hoͤr auf zu ſuchen, was ſo fern,
Hoͤr auf zu forſchen, was dich fliehet;
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Sey nicht ums Auſſen-Werck bemuͤhet
Verruͤcke nicht dein Seelen-Licht
Biß zu dem Kreis der Ewigkeiten,
Du moͤchteſt Finſterniß erbeuten,
Und fandeſt mich doch nirgends nicht.
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