Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.
Mein König! (fällt mir ein) denn, wenn ich dencken soll, So pflegt mir niemand eh als dieser einzukommen, Mein König! dieses ist der dritte Menschen- (*) Zoll, Seit dem, daß du die Hut im Wäldgen übernommen. Jsts Schutz-HErr oder Feind, der unsre Ruhe stöhrt? Was nutzet dem ein Theil, dems gantze zugehört? Wer wird dirs künftig hin, du treue Liebe! glauben, Daß dein geringes Volck in sein es HErren Hut Vollkommen unbesorgt vor Schaden und Berauben, So einsam, wie es ist, als unter Schlössern ruht; Wenn, was am sichersten, sonst zu geschehen pflegt, Die Brüder dieses Orts, so bald zu Boden legt? Wie ist denn aber dir? red ich mich selber an, Weil ich in meinem Sinn, auch wieder meinen Willen Nicht das geringste Leid noch Kummer mercken kan, Was kan dein zartes Hertz hierum so hurtig stillen? Da eines Bruders Fall so tiefe Wunden reißt, Und selbst die Schuldigkeit dich Thränen zollen heißt? Jch glaube darum ist, weils unser König thut, Er ist mein Held, mein Freund, mein Bräutgam, mein Re- gente: Sein Thun ist immer recht, und wohl gemeynt und gut, Und groß und überlegt, daß ich nicht sagen könte, Wiewol ichs sagen darf, wiewol ichs hindern kan, Was thust du? sondern nur: Das thust du? wohl gethan! XLVIII. (*) Die erste Person in Herrnhuth starb an einem jählichen Zufall
im Walde. Die andere brach den Hals von dem Bertholds- dorffischen Schloß. Der dritte, David Conrad, wurde bey dem Bau eines Hauses von einem Balcken getroffen, daß er in acht Tagen den Geist aufgab.
Mein Koͤnig! (faͤllt mir ein) denn, wenn ich dencken ſoll, So pflegt mir niemand eh als dieſer einzukommen, Mein Koͤnig! dieſes iſt der dritte Menſchen- (*) Zoll, Seit dem, daß du die Hut im Waͤldgen uͤbernommen. Jſts Schutz-HErr oder Feind, der unſre Ruhe ſtoͤhrt? Was nutzet dem ein Theil, dems gantze zugehoͤrt? Wer wird dirs kuͤnftig hin, du treue Liebe! glauben, Daß dein geringes Volck in ſein es HErren Hut Vollkommen unbeſorgt vor Schaden und Berauben, So einſam, wie es iſt, als unter Schloͤſſern ruht; Wenn, was am ſicherſten, ſonſt zu geſchehen pflegt, Die Bruͤder dieſes Orts, ſo bald zu Boden legt? Wie iſt denn aber dir? red ich mich ſelber an, Weil ich in meinem Sinn, auch wieder meinen Willen Nicht das geringſte Leid noch Kummer mercken kan, Was kan dein zartes Hertz hierum ſo hurtig ſtillen? Da eines Bruders Fall ſo tiefe Wunden reißt, Und ſelbſt die Schuldigkeit dich Thraͤnen zollen heißt? Jch glaube darum iſt, weils unſer Koͤnig thut, Er iſt mein Held, mein Freund, mein Braͤutgam, mein Re- gente: Sein Thun iſt immer recht, und wohl gemeynt und gut, Und groß und uͤberlegt, daß ich nicht ſagen koͤnte, Wiewol ichs ſagen darf, wiewol ichs hindern kan, Was thuſt du? ſondern nur: Das thuſt du? wohl gethan! XLVIII. (*) Die erſte Perſon in Herrnhuth ſtarb an einem jaͤhlichen Zufall
im Walde. Die andere brach den Hals von dem Bertholds- dorffiſchen Schloß. Der dritte, David Conrad, wurde bey dem Bau eines Hauſes von einem Balcken getroffen, daß er in acht Tagen den Geiſt aufgab. <TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="57"> <l> <pb facs="#f0124" n="114"/> <fw place="top" type="header">1726.</fw> </l><lb/> <l>Wir koͤnnen dir die Zahl der Bruͤder nicht gewaͤhren;</l><lb/> <l>Denn dieſen Augenblick zieht unſer Conrad hin,</l><lb/> <l>Bey einem Liebes-Dienſt, mit ungeuͤbten Haͤnden,</l><lb/> <l>Muß er durch einen Schlag ſein muntres Leben enden.</l> </lg><lb/> <lg n="58"> <l>Mein Koͤnig! (faͤllt mir ein) denn, wenn ich dencken ſoll,</l><lb/> <l>So pflegt mir niemand eh als dieſer einzukommen,</l><lb/> <l>Mein Koͤnig! dieſes iſt der dritte Menſchen- <note place="foot" n="(*)">Die erſte Perſon in Herrnhuth ſtarb an einem jaͤhlichen Zufall<lb/> im Walde. Die andere brach den Hals von dem Bertholds-<lb/> dorffiſchen Schloß. Der dritte, David Conrad, wurde bey<lb/> dem Bau eines Hauſes von einem Balcken getroffen, daß er<lb/> in acht Tagen den Geiſt aufgab.</note> Zoll,</l><lb/> <l>Seit dem, daß du die Hut im Waͤldgen uͤbernommen.</l><lb/> <l>Jſts Schutz-HErr oder Feind, der unſre Ruhe ſtoͤhrt?<lb/><hi rendition="#fr">Was nutzet dem ein Theil, dems gantze zugehoͤrt?</hi></l> </lg><lb/> <lg n="59"> <l>Wer wird dirs kuͤnftig hin, du treue Liebe! glauben,</l><lb/> <l>Daß dein geringes Volck in ſein es HErren Hut</l><lb/> <l>Vollkommen unbeſorgt vor Schaden und Berauben,</l><lb/> <l>So einſam, wie es iſt, als unter Schloͤſſern ruht;</l><lb/> <l>Wenn, was am ſicherſten, ſonſt zu geſchehen pflegt,</l><lb/> <l>Die Bruͤder dieſes Orts, ſo bald zu Boden legt?</l> </lg><lb/> <lg n="60"> <l>Wie iſt denn aber dir? red ich mich ſelber an,</l><lb/> <l>Weil ich in meinem Sinn, auch wieder meinen Willen</l><lb/> <l>Nicht das geringſte Leid noch Kummer mercken kan,</l><lb/> <l>Was kan dein zartes Hertz hierum ſo hurtig ſtillen?</l><lb/> <l>Da eines Bruders Fall ſo tiefe Wunden reißt,</l><lb/> <l>Und ſelbſt die Schuldigkeit dich Thraͤnen zollen heißt?</l> </lg><lb/> <lg n="61"> <l>Jch glaube darum iſt, weils unſer Koͤnig thut,</l><lb/> <l>Er iſt mein Held, mein Freund, mein Braͤutgam, mein Re-<lb/><hi rendition="#et">gente:</hi></l><lb/> <l>Sein Thun iſt immer recht, und wohl gemeynt und gut,</l><lb/> <l>Und groß und uͤberlegt, daß ich nicht ſagen koͤnte,</l><lb/> <l>Wiewol ichs ſagen darf, wiewol ichs hindern kan,<lb/><hi rendition="#fr">Was</hi> thuſt du? ſondern nur: <hi rendition="#fr">Das</hi> thuſt du? wohl gethan!</l> </lg> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">XLVIII.</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [114/0124]
1726.
Wir koͤnnen dir die Zahl der Bruͤder nicht gewaͤhren;
Denn dieſen Augenblick zieht unſer Conrad hin,
Bey einem Liebes-Dienſt, mit ungeuͤbten Haͤnden,
Muß er durch einen Schlag ſein muntres Leben enden.
Mein Koͤnig! (faͤllt mir ein) denn, wenn ich dencken ſoll,
So pflegt mir niemand eh als dieſer einzukommen,
Mein Koͤnig! dieſes iſt der dritte Menſchen- (*) Zoll,
Seit dem, daß du die Hut im Waͤldgen uͤbernommen.
Jſts Schutz-HErr oder Feind, der unſre Ruhe ſtoͤhrt?
Was nutzet dem ein Theil, dems gantze zugehoͤrt?
Wer wird dirs kuͤnftig hin, du treue Liebe! glauben,
Daß dein geringes Volck in ſein es HErren Hut
Vollkommen unbeſorgt vor Schaden und Berauben,
So einſam, wie es iſt, als unter Schloͤſſern ruht;
Wenn, was am ſicherſten, ſonſt zu geſchehen pflegt,
Die Bruͤder dieſes Orts, ſo bald zu Boden legt?
Wie iſt denn aber dir? red ich mich ſelber an,
Weil ich in meinem Sinn, auch wieder meinen Willen
Nicht das geringſte Leid noch Kummer mercken kan,
Was kan dein zartes Hertz hierum ſo hurtig ſtillen?
Da eines Bruders Fall ſo tiefe Wunden reißt,
Und ſelbſt die Schuldigkeit dich Thraͤnen zollen heißt?
Jch glaube darum iſt, weils unſer Koͤnig thut,
Er iſt mein Held, mein Freund, mein Braͤutgam, mein Re-
gente:
Sein Thun iſt immer recht, und wohl gemeynt und gut,
Und groß und uͤberlegt, daß ich nicht ſagen koͤnte,
Wiewol ichs ſagen darf, wiewol ichs hindern kan,
Was thuſt du? ſondern nur: Das thuſt du? wohl gethan!
XLVIII.
(*) Die erſte Perſon in Herrnhuth ſtarb an einem jaͤhlichen Zufall
im Walde. Die andere brach den Hals von dem Bertholds-
dorffiſchen Schloß. Der dritte, David Conrad, wurde bey
dem Bau eines Hauſes von einem Balcken getroffen, daß er
in acht Tagen den Geiſt aufgab.
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