Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1726. XLVIII. Auf die unvermuthete Zusammen- kunft in Ebersdorf. O Liebe! wunderbares Gut, Was giebst du denen nicht zu schmecken, Die sich durch deine Liebes-Glut, Dir nachzufolgen, lassen wecken! Wie lieblich wirst du nicht erkannt Von allen, die dich je gefühlet, Und derer Geist aufs Vaterland Diß unsichtbare Reich gezielet! Sie können deinen Rath Jn mancher grossen That So wunderbar, so seltsam mercken! Doch pflegst du ihren Muth, Was nicht die Liebe thut! Durch Kleinigkeiten auch zu stärcken. Du auserkohrner Seelen-Freund, Du Einfalts-volle treue Liebe, So sehr dein Wesen schlecht erscheint, So ungekünstelt deine Triebe; So bist du doch zu gleicher Zeit Ein GOtt der Ordnung, Maaß und Zieles. Der Menschen Unbesonnenheit Versäumt und übergehet vieles, Das Uberlegung braucht, Und uns erstaunlich daucht, So bald wirs ehrerbietig messen. Da uns nun dieser Tag So seltsam scheinen mag: Wer wolte deines Raths vergessen? So lange man noch immer will, So lange mag man sich bekümmern. Kaum wird das Hertz vom Würcken still, Fängt GOtt an unser Glück zu zimmern. Der allerangenehmste Blick, Den wir erdürstet und erdrungen, Gieb H 2
1726. XLVIII. Auf die unvermuthete Zuſammen- kunft in Ebersdorf. O Liebe! wunderbares Gut, Was giebſt du denen nicht zu ſchmecken, Die ſich durch deine Liebes-Glut, Dir nachzufolgen, laſſen wecken! Wie lieblich wirſt du nicht erkannt Von allen, die dich je gefuͤhlet, Und derer Geiſt aufs Vaterland Diß unſichtbare Reich gezielet! Sie koͤnnen deinen Rath Jn mancher groſſen That So wunderbar, ſo ſeltſam mercken! Doch pflegſt du ihren Muth, Was nicht die Liebe thut! Durch Kleinigkeiten auch zu ſtaͤrcken. Du auserkohrner Seelen-Freund, Du Einfalts-volle treue Liebe, So ſehr dein Weſen ſchlecht erſcheint, So ungekuͤnſtelt deine Triebe; So biſt du doch zu gleicher Zeit Ein GOtt der Ordnung, Maaß und Zieles. Der Menſchen Unbeſonnenheit Verſaͤumt und uͤbergehet vieles, Das Uberlegung braucht, Und uns erſtaunlich daucht, So bald wirs ehrerbietig meſſen. Da uns nun dieſer Tag So ſeltſam ſcheinen mag: Wer wolte deines Raths vergeſſen? So lange man noch immer will, So lange mag man ſich bekuͤmmern. Kaum wird das Hertz vom Wuͤrcken ſtill, Faͤngt GOtt an unſer Gluͤck zu zimmern. Der allerangenehmſte Blick, Den wir erduͤrſtet und erdrungen, Gieb H 2
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1726.
XLVIII. Auf die unvermuthete Zuſammen-
kunft in Ebersdorf.
O Liebe! wunderbares Gut,
Was giebſt du denen nicht zu ſchmecken,
Die ſich durch deine Liebes-Glut,
Dir nachzufolgen, laſſen wecken!
Wie lieblich wirſt du nicht erkannt
Von allen, die dich je gefuͤhlet,
Und derer Geiſt aufs Vaterland
Diß unſichtbare Reich gezielet!
Sie koͤnnen deinen Rath
Jn mancher groſſen That
So wunderbar, ſo ſeltſam mercken!
Doch pflegſt du ihren Muth,
Was nicht die Liebe thut!
Durch Kleinigkeiten auch zu ſtaͤrcken.
Du auserkohrner Seelen-Freund,
Du Einfalts-volle treue Liebe,
So ſehr dein Weſen ſchlecht erſcheint,
So ungekuͤnſtelt deine Triebe;
So biſt du doch zu gleicher Zeit
Ein GOtt der Ordnung, Maaß und Zieles.
Der Menſchen Unbeſonnenheit
Verſaͤumt und uͤbergehet vieles,
Das Uberlegung braucht,
Und uns erſtaunlich daucht,
So bald wirs ehrerbietig meſſen.
Da uns nun dieſer Tag
So ſeltſam ſcheinen mag:
Wer wolte deines Raths vergeſſen?
So lange man noch immer will,
So lange mag man ſich bekuͤmmern.
Kaum wird das Hertz vom Wuͤrcken ſtill,
Faͤngt GOtt an unſer Gluͤck zu zimmern.
Der allerangenehmſte Blick,
Den wir erduͤrſtet und erdrungen,
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