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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1726.
Wie brennen, wie flammen die freudigen Triebe,
Die kein Verstand begreiffen kan;
Was liebest du? Sünder, die schnöde Zucht,
Wen segnest du? Kinder, die dir geflucht;
O grosses, ja gutes, ja freundliches Wesen!
Du hast dir was schlechtes zum Lust-Spiel erlesen.

Chor.
Jst doch, HErr JEsu, deine Braut gantz arm
und voller Schanden,
noch hast du sie dir selbst
vertraut
am Creutz, mit Todes-Banden! ist sie
doch nichts, als Uberdrüß,
Fluch, Unflath, Tod
und Finsterniß,
noch darfst du ihrentwegen den
Scepter niederlegen.
Weils aber dein Liebes-Rath also beschlossen,
Der gerne freye Würckung hat;
So werde mit ewigem Dancke genossen
Ein' jede Frucht von seiner Gnad,
Wir geben die Seelen im Leibe hin,
Jn irrdischen Hölen den Himmels-Sinn,
Der ewigen, herrlichen, seligen Liebe,
Zur Werckstatt der geistlich- und göttlichen Triebe.
Chor.
Lebe dann, und lieb und labe in der neuen Crea-
tur,
Lebens-Fürst, durch deine Gabe, die er-
stattete Natur;
erwecke dein Paradieß wieder
im Grunde der Seelen,
und bringe noch näher
die Stunde,
da du dich in allen den Gliedern
verklärst,
sie hier noch des ewigen Lebens ge-
währst.
Dagegen verspricht uns das prächtige Wesen,
So sich als Vater kund gethan,
Jn himmlischen Schätzen uns auszuerlesen,
Was unsre Seelen zieren kan;
Und über die Hütten, die bricht wie Glaß,
Auch Segen zu schütten mit vollem Maaß,
Wir sollen von unzuerschöpfenden Schätzen
Uns selber, und neben uns andre, ergötzen.
Chor.
Seht aber, wie selig wir haben erwählet, die
wir sind zum Segnen der Brüder gezehlet!
wir
sind
H 3

1726.
Wie brennen, wie flammen die freudigen Triebe,
Die kein Verſtand begreiffen kan;
Was liebeſt du? Suͤnder, die ſchnoͤde Zucht,
Wen ſegneſt du? Kinder, die dir geflucht;
O groſſes, ja gutes, ja freundliches Weſen!
Du haſt dir was ſchlechtes zum Luſt-Spiel erleſen.

Chor.
Jſt doch, HErr JEſu, deine Braut gantz arm
und voller Schanden,
noch haſt du ſie dir ſelbſt
vertraut
am Creutz, mit Todes-Banden! iſt ſie
doch nichts, als Uberdruͤß,
Fluch, Unflath, Tod
und Finſterniß,
noch darfſt du ihrentwegen den
Scepter niederlegen.
Weils aber dein Liebes-Rath alſo beſchloſſen,
Der gerne freye Wuͤrckung hat;
So werde mit ewigem Dancke genoſſen
Ein’ jede Frucht von ſeiner Gnad,
Wir geben die Seelen im Leibe hin,
Jn irrdiſchen Hoͤlen den Himmels-Sinn,
Der ewigen, herrlichen, ſeligen Liebe,
Zur Werckſtatt der geiſtlich- und goͤttlichen Triebe.
Chor.
Lebe dann, und lieb und labe in der neuen Crea-
tur,
Lebens-Fuͤrſt, durch deine Gabe, die er-
ſtattete Natur;
erwecke dein Paradieß wieder
im Grunde der Seelen,
und bringe noch naͤher
die Stunde,
da du dich in allen den Gliedern
verklaͤrſt,
ſie hier noch des ewigen Lebens ge-
waͤhrſt.
Dagegen verſpricht uns das praͤchtige Weſen,
So ſich als Vater kund gethan,
Jn himmliſchen Schaͤtzen uns auszuerleſen,
Was unſre Seelen zieren kan;
Und uͤber die Huͤtten, die bricht wie Glaß,
Auch Segen zu ſchuͤtten mit vollem Maaß,
Wir ſollen von unzuerſchoͤpfenden Schaͤtzen
Uns ſelber, und neben uns andre, ergoͤtzen.
Chor.
Seht aber, wie ſelig wir haben erwaͤhlet, die
wir ſind zum Segnen der Bruͤder gezehlet!
wir
ſind
H 3
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[117/0127] 1726. Wie brennen, wie flammen die freudigen Triebe, Die kein Verſtand begreiffen kan; Was liebeſt du? Suͤnder, die ſchnoͤde Zucht, Wen ſegneſt du? Kinder, die dir geflucht; O groſſes, ja gutes, ja freundliches Weſen! Du haſt dir was ſchlechtes zum Luſt-Spiel erleſen. Chor. Jſt doch, HErr JEſu, deine Braut gantz arm und voller Schanden, noch haſt du ſie dir ſelbſt vertraut am Creutz, mit Todes-Banden! iſt ſie doch nichts, als Uberdruͤß, Fluch, Unflath, Tod und Finſterniß, noch darfſt du ihrentwegen den Scepter niederlegen. Weils aber dein Liebes-Rath alſo beſchloſſen, Der gerne freye Wuͤrckung hat; So werde mit ewigem Dancke genoſſen Ein’ jede Frucht von ſeiner Gnad, Wir geben die Seelen im Leibe hin, Jn irrdiſchen Hoͤlen den Himmels-Sinn, Der ewigen, herrlichen, ſeligen Liebe, Zur Werckſtatt der geiſtlich- und goͤttlichen Triebe. Chor. Lebe dann, und lieb und labe in der neuen Crea- tur, Lebens-Fuͤrſt, durch deine Gabe, die er- ſtattete Natur; erwecke dein Paradieß wieder im Grunde der Seelen, und bringe noch naͤher die Stunde, da du dich in allen den Gliedern verklaͤrſt, ſie hier noch des ewigen Lebens ge- waͤhrſt. Dagegen verſpricht uns das praͤchtige Weſen, So ſich als Vater kund gethan, Jn himmliſchen Schaͤtzen uns auszuerleſen, Was unſre Seelen zieren kan; Und uͤber die Huͤtten, die bricht wie Glaß, Auch Segen zu ſchuͤtten mit vollem Maaß, Wir ſollen von unzuerſchoͤpfenden Schaͤtzen Uns ſelber, und neben uns andre, ergoͤtzen. Chor. Seht aber, wie ſelig wir haben erwaͤhlet, die wir ſind zum Segnen der Bruͤder gezehlet! wir ſind H 3

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/127>, abgerufen am 30.04.2024.